Michael MüllerSPD - Aktuelle Stunde - Deutschlands strategische Souveränität - neue Chinastrategie
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wissen wir, wie problematisch wirtschaftliche Abhängigkeiten für uns sind. In Bezug auf Energie sehen wir das jetzt natürlich ganz deutlich. Aber auch während der Coronapandemie ist uns das deutlich geworden in Bezug auf Medizinisches, auf Gesundheitsausstattung, die wir aus China importieren mussten. Auch dort haben wir Abhängigkeiten erlebt.
Es kann also kein Weiter-so geben. Wir lernen aus dieser internationalen Situation, dass etwas verändert werden muss, dass wir Abhängigkeiten reduzieren müssen. Es kann kein Weiter-so geben, auch weil das China, das wir jetzt unter Staatspräsident Xi erleben, ein ganz anderes ist als das China von vor 10 oder 15 Jahren. Es hat sich innen- und außenpolitisch stark verändert.
Wir müssen unsere Liefer- und Versorgungsketten diversifizieren. Wir müssen neue Handelsbeziehungen aufbauen, auch neue Partnerschaften suchen. Wir sind dabei, das im Rahmen einer China-Strategie zu formulieren. Das eint uns: dass wir einen neuen Anspruch an unsere Beziehungen zu China formulieren.
In dieser Phase reiste der Bundeskanzler nach China, um auch diese Position zu vertreten. Und zum wiederholten Mal – heute in der Aktuellen Stunde sowie in den letzten Tagen öffentlich – kritisiert ihn die Union dafür.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Die Grünen übrigens auch! Das Außenministerium auch!)
Warum eigentlich? Was ist an dieser Reise falsch gewesen? Der Zeitpunkt wird kritisiert: dass der Bundeskanzler jetzt nach China gefahren ist. Was wäre eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, in zwei Wochen oder in zwei Monaten anders? Welche andere Situation hätten wir außenpolitisch? Welche andere Situation hätte es in China gegeben?
(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Fragen Sie doch mal die Außenministerin! Die hat das doch kritisiert!)
So richtig wie eine Reise in zwei Monaten gewesen wäre, so richtig war es jetzt, dass der Bundeskanzler dort hingefahren ist und unsere Positionen deutlich gemacht hat.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und er hat diese zum Beispiel im Bereich der Menschenrechtsfragen viel deutlicher gemacht, als das in den letzten 16 Jahren durch Bundeskanzlerin Merkel passiert ist.
(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Das ist doch falsch!)
– Ja, natürlich.
(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Wer hat denn den Dalai-Lama empfangen? Das war doch Angela Merkel! Unglaublich!)
Es ist in diversen Gesprächen deutlich formuliert worden, welche Anforderungen wir haben, wo Menschenrechtsverletzungen vorliegen, was wir von der chinesischen Seite erwarten. Und ich sage hier auch ganz deutlich: Wir brauchen an dieser Stelle von der Union keinen Nachhilfeunterricht. Das Lieferkettengesetz, das genau das Thema der Menschenrechte in den Blick nimmt, ist gegen die Blockade der Union durchgesetzt worden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Stimmt doch nicht! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Dann wäre es nicht Gesetz geworden! Ist ja nicht logisch!)
Es wird Anfang nächsten Jahres umgesetzt und formuliert im Übrigen nicht nur in Richtung China, sondern weltweit Anforderungen beim Thema Menschenrechte.
(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Von welcher Mehrheit denn? – Jens Spahn [CDU/CSU]: Von welcher Mehrheit ist es denn beschlossen worden?)
Es gibt noch einen Unterschied. Bevor Bundeskanzler Scholz nach China gefahren ist, hat er andere wichtige Auslandsreisen unternommen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Immerhin: Der Müller steht noch zum Scholz!)
Anders als Frau Merkel in den vergangenen 16 Jahren, die ihre ersten großen Asien-Reisen immer nach China gemacht hat, ist Olaf Scholz als Allererstes nach Japan gefahren. Es war ein wichtiges Signal, das nicht nur von Japan und China, sondern von vielen Partnern – möglichen neuen Partnern im asiatischen Raum – sehr sensibel aufgenommen wurde; denn der Bundeskanzler macht hier deutlich: Wir sehen andere Ansprechpartner. Wir wollen neue Partnerschaften eingehen oder alte, bestehende Partnerschaften vertiefen und ausbauen, eben jenseits von China.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Oh, starker Applaus!)
Ein weiterer Punkt. Durch diesen Besuch von Olaf Scholz ist es möglich geworden, dass sich der chinesische Staatschef das erste Mal in aller Klarheit von Russland abgegrenzt hat
(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)
und in aller Klarheit deutlich gemacht hat: Auch nur das geringste Spiel mit der Möglichkeit eines atomaren Konflikts wird von China verurteilt und isoliert Russland immer mehr. Und: Eine weitere Eskalation in diesem Konflikt würde China eindeutig verurteilen.
Meine Damen und Herren, ja, das ist eine neue Qualität. Sie sagen: Das ist alles altbekannt. – Dass wir aber diese Äußerungen des chinesischen Staatschefs so in aller Klarheit erleben konnten, ist auch dem Umstand geschuldet, dass Olaf Scholz unsere und die europäische Position in China deutlich vertreten hat und es so zu dieser gemeinsamen Äußerung mit China gekommen ist.
Meine Damen und Herren, ja, wir werden unser Verhältnis zu China auf eine neue Basis stellen. Auch eine Strategie für die kritische Infrastruktur
(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Auch in Hamburg, Herr Müller?)
– was können wir überhaupt noch an Handelsbeziehungen eingehen und was nicht? – wird jetzt erstmalig formuliert.
(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Nach der Hamburg-Entscheidung, oder?)
Kriterien für die kritische Infrastruktur und für weitere Handels- und Geschäftsbeziehungen werden jetzt erstmalig festgehalten. Wir werden eine neutrale Basis haben, um zu sehen, auf welcher Grundlage wir mit dem Partner China weiter Handel betreiben und Geschäftsbeziehungen eingehen können.
Meine Damen und Herren, China wird kein einfacher Partner bleiben.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.
Aber es wird ein wichtiger Partner sein, auch um weitere wichtige globale Fragen anzugehen – wenn wir an die Klimakrise denken, an Hunger, an Not, an Flucht, an atomares Wettrüsten.
Herr Kollege, bitte.
China wird ein wichtiger Gesprächspartner bleiben, gegenüber dem wir unsere Anforderungen an diese Partnerschaft –
Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss!
– auf Grundlage unserer China-Strategie mit Selbstbewusstsein formulieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Johannes Vogel [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7547904 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 66 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Deutschlands strategische Souveränität - neue Chinastrategie |