10.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 66 / Zusatzpunkt 14

Johannes VogelFDP - Aktuelle Stunde - Deutschlands strategische Souveränität - neue Chinastrategie

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die Fraktion, die diese Aktuelle Stunde beantragt hat, und auf den Kollegen Wadephul eingehe, kann man natürlich ganz vieles, was Sie, Frau Kollegin Mohamed Ali, hier gesagt haben, nicht so stehen lassen.

(Ulrich Lechte [FDP]: Fast alles!)

Erstens scheinen Sie mir vor dem Hintergrund, dass das Regime in China unter Xi Jinping immer sozialistischer wird, doch verblendet zu sein. Sie scheinen mir ein Stück weit den Blick darauf zu verlieren, was dort an Unterdrückung, an fortgesetzten Menschenrechtsverletzungen und an Totalüberwachung,

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Ich habe es gerade gesagt!)

wie wir sie so noch nicht erlebt haben, passiert.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweitens. Dass China ein systemischer Rivale ist, hat nicht hier in der Debatte irgendwann jemand gesagt, sondern das ist offizielle Position und Strategie der Europäischen Union seit 2019.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: So ist es! Zuhören! Sie können was lernen!)

Es geht ja um die Herausforderung dieses Systemwettbewerbs ganz neuer Art, der ganz anders ist als der Kalte Krieg. Er ist aber genauso schwierig und genauso tiefgreifend, weil China eben sowohl Partner bei globalen Fragen wie dem Klimawandel ist und sein muss als auch systemischer Rivale ist, der ganz grundlegende Werte von uns ablehnt und sich fundamental von uns unterscheidet. Das ist aber keine neue Erkenntnis dieser Debatte, sondern Strategie der Europäischen Union. Wir stehen vor der Frage: Welche ganz konkrete politische Strategie folgt eigentlich daraus? Das ist die Herausforderung.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Das haben wir von der Bundesregierung bisher nicht gesehen!)

Herr Kollege Wadephul, dass Sie das von der Bundesregierung einfordern, ist für die Opposition legitim,

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Eine Überforderung, oder?)

aber ein bisschen Chuzpe hat es schon,

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Ist doch die Aufgabe der Bundesregierung!)

weil Xi Jinping ja nicht erst bei dem Parteikongress vor wenigen Tagen an die Macht gekommen ist, sondern der Mann regiert seit 2012 und krempelt seitdem das System der Volksrepublik China um. Und in dieser Zeit hat übrigens auch die CDU unter Angela Merkel hier regiert.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Deshalb haben wir übrigens das Außenwirtschaftsrecht geändert!)

Ich will nur mal an ein paar Dinge erinnern: Sie mussten ja brutal dazu gedrängt werden – auch aus dem parlamentarischen Raum –, dass Sie eine in meinen Augen Selbstverständlichkeit angehen,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir haben das Außenwirtschaftsrecht geändert!)

dass wir nämlich ein chinesisches Unternehmen unter der Kontrolle der Kommunistischen Partei wie Huawei aus dem Kern unseres Mobilfunknetzes raushalten müssen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Die von Ihnen getragene Vorgängerregierung musste dazu gedrängt werden.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Wir haben es gemacht! Sie nicht! Wir haben es gemacht!)

Die von Ihnen getragene Vorgängerregierung wollte sogar noch 2020, kurz vor Ende der EU-Ratspräsidentschaft, nur aus PR-Motiven

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Stimmt doch nicht!)

das Investitionshandelsabkommen durchpeitschen, obwohl jeder wusste, dass das so nicht mehr in die Zeit passt.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Immerhin war das reziprok!)

Das war CDU-Politik, lieber Kollege Wadephul.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Wer hat denn den Dalai-Lama empfangen? Wer hat denn 2012 den Außenminister gestellt, Herr Kollege?)

Dass Sie die Debatte über den Hamburger Hafen und die Entscheidung dazu kritisch begleiten, wertschätze ich; denn wir haben ja durchaus Debatten darüber gehabt. Als Schleswig-Holsteiner kann ich aber nur sagen, dass ich das Interview Ihres CDU-Ministerpräsidenten dazu besonders bemerkenswert fand.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Oh ja! Hört! Hört!)

Der sagte nämlich, es sei eine gute Nachricht, dass COSCO im Hamburger Hafen eingestiegen ist. Ich glaube, das ist das Gegenteil einer guten Nachricht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Ja, aber Sie haben es genehmigt!)

Was will ich damit sagen? Vielleicht sollten wir das parteipolitische Bodenturnen lassen und hier gemeinsam die Debatte dazu nutzen, um darüber nachzudenken, was eigentlich Gegenstand dieser China-Politik sein muss.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sagt er nach vier Minuten Rede! – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Nach vier Minuten parteipolitischem Bodenturnen sagt er das!)

Denn ganz offensichtlich muss sich die China-Politik ändern, weil sich die Natur des chinesischen Regimes grundlegend geändert hat.

Drei Gedanken von meiner Seite, weil sich diese Koalition und diese Bundesregierung aufgemacht haben, eine neue China-Strategie zu schreiben, was absolut notwendig ist:

Erster Gedanke. Ganz offensichtlich brauchen wir nicht nur einen China-Stresstest, indem wir mal definieren: Was ist eigentlich sicherheitsrelevante Infrastruktur, wo wir gar keinen Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas und der von ihr kontrollierten Unternehmen haben wollen? Was sind Bereiche, wo unsere Abhängigkeit vom chinesischen Markt oder von chinesischen Lieferketten zu groß ist? Was sind Bereiche, für die weder noch gilt und wo wir freien Handel und Investitionen auf gleicher Grundlage sicherstellen müssen?

Sich weniger abhängig vom chinesischen Markt zu machen, heißt dann aber auch, dass wir gerade jetzt eine Freihandelsinitiative brauchen, weil das ja nur gelingen kann, wenn wir stärker handeln und Investitionen mit den marktwirtschaftlichen Demokratien betreiben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Mercosur!)

Deshalb bin ich sehr froh, dass wir sehr bald endlich CETA ratifizieren werden,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aha! Wann denn?)

als Auftakt für diese Initiative. Dafür haben Sie übrigens auch nie die Kraft gefunden.

Zweitens. Ja, es ist Teil sicherheitspolitischer Verantwortlichkeit, dass uns nicht egal sein kann, was Xi erneut und nicht überraschend und nicht neu mit Blick auf Taiwan formuliert hat. Ich glaube, eines hat bei Putin jeder gelernt: dass man diese Autokraten im Systemwettbewerb ernst und wörtlich nehmen muss. Deshalb müssen wir uns auf den Fall einer militärischen Aggression Chinas in Taiwan ernsthaft einstellen.

Und drittens: Wer ist eigentlich „wir“? Diesen Teil würde ich wirklich gerne debattieren.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Mein letzter Satz, lieber Herr Präsident. – Wer ist eigentlich „wir“? Teil jeder neuen China-Strategie muss die Erkenntnis sein, dass es nichts bringt, sie allein zu entwickeln,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Weiß das der Bundeskanzler?)

sondern dass sie – wie man auch bei den Häfen gesehen hat – nur europäisch Sinn macht, dass sie in Wahrheit sogar nur transatlantisch und in Kombination mit unseren Wertepartnern im Pazifik Sinn macht.

Herr Kollege.

Das muss wesentlicher Bestandteil dieser China-Strategie sein.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es täte mir in der Seele weh, meinem 1. PGF das Wort zu entziehen. – So, vielen Dank. Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Jens Spahn, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7547910
Wahlperiode 20
Sitzung 66
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Deutschlands strategische Souveränität - neue Chinastrategie
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