24.11.2022 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 70 / Einzelplan 07

Luiza Licina-BodeSPD - Justiz und Bundesverfassungsgericht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Einzelplan 07 für die Justiz mit einem Gesamtvolumen von gut 1 Milliarde Euro ist ein kleiner Haushalt, aber für uns Juristinnen und Juristen, die wir doch einige im Bundestag sind, ist es ein sehr wichtiger Haushalt. Es ist der unserer Demokratie und der Rechtsprechung.

Wir leben in fragilen Zeiten – das ist schon angesprochen worden –, und unser Haus der Demokratie braucht feste Säulen. Schaue ich heute in den Iran, in die Türkei, nach Russland, aber auch in andere Länder, so muss ich mich fragen: Was ist das für eine Justiz, die es zulässt, dass Frauen, angeordnet vom Staat, zusammengeprügelt und eingesperrt werden und dass auf Kinder geschossen wird? Das ist eines Staates absolut unwürdig. Das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden, da unser Justizsystem heute so kritisiert wird, um Sie im Hinblick auf das, was anderswo in dieser Welt gerade geschieht, in die Realität zurückzuholen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Während meiner Tätigkeit als Entscheiderin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe ich viele Asylverfahren bearbeitet und viele Menschen angehört, die von ihrem Staat verfolgt wurden, wobei die Justiz in der Heimat zugeschaut oder sogar mitgemacht hat. In diesen Verfahren habe ich viel gehört. Und Sie können sich gar nicht vorstellen, wie ohnmächtig man dasteht, wenn man am Ende feststellen muss, dass der eigene Staat einen verraten hat und dass man hilflos vor ihm steht und ihm nicht vertrauen kann.

(Fabian Jacobi [AfD]: Das wäre ein Tag, an dem Sie das nachvollziehen könnten!)

Deshalb ist es gut und richtig, dass wir erstmals ELIL – das sind die European Lawyers in Lesvos – mit 75 000 Euro unterstützen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das ist ein kleiner Beitrag. Aber wichtig ist, dass wir einsteigen, und wir werden auch in Zukunft zusehen, dass wir unsere Initiative diesbezüglich ausbauen. ELIL arbeitet seit 2016 und war ursprünglich eine Initiative des Deutschen Anwaltvereins und der Europäischen Anwaltsvereinigung in Kooperation mit den griechischen Anwaltskammern. Als unabhängige Rechtsberatung für Geflüchtete an den EU-Außengrenzen bieten ehrenamtlich arbeitende Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit Sachkunde auf dem Gebiet des Asylrechts eine individuelle, kostenlose und spendenfinanzierte Rechtsberatung. Die Unterstützung, die wir jetzt im Haushalt dafür bereitgestellt haben, ist auf jeden Fall ein guter Weg.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dass ein Staat seine Staatsbürgerinnen und ‑bürger rechtlos stellt, ist bei uns undenkbar. Wir alle sollten dankbar dafür sein, dass wir in dieser funktionierenden Demokratie leben dürfen und nicht auf dem Rücken der Demokratie unsere Spielchen spielen.

Von den 7 Millionen Euro, die wir im Haushalt für die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit bereitstellen, haben wir 500 000 Euro für die Ukraine vorgesehen. Die IRZ unterstützt den EU-Beitritt der Ukraine und die notwendigen rechtlichen, justiziellen Reformvorhaben. Das ist angesichts der geopolitischen Lage genau der richtige Weg, den die Stiftung da geht.

Unser Justizsystem hat aber auch Vorbildcharakter, auch wenn man heute meint, man müsste sie kritisieren. Die deutsche Justiz ist in Europa und weltweit anerkannt. Allen im Justizwesen muss ich daher auch heute noch mal unseren Dank aussprechen. Ich möchte auf den EU-Kommissar Didier Reynders zu sprechen kommen, der zuletzt den Jahresbericht der Europäischen Kommission vorgestellt hat und darin das deutsche Justizsystem noch mal als besonders unabhängig gelobt hat und in diesem Zusammenhang auch gelobt hat, dass wir den Pakt für den Rechtsstaat jetzt weiter ausbauen und dass wir dafür noch mal 200 Millionen Euro im Haushalt draufgesattelt haben. Das ist genau der richtige Weg, und damit bringen wir die Justiz digital auf die Höhe der Zeit. Wir müssen einfach damit anfangen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Nach unserem Koalitionsvertrag wollen wir aber auch Gerichtsverfahren schneller und effizienter machen. Dazu werden wir zeitnah die EU-Verbandsklagerichtlinie umsetzen. Das ist mir auch persönlich ein sehr wichtiges Anliegen, weil dadurch die Justiz entlastet wird und wir zahlreiche Individualklagen vermeiden können. Am Ende können Verbraucher kollektiv über Verbände ihre Rechte einklagen. In diesem Zusammenhang und auch zu dieser Jahreszeit, kurz vor Weihnachten, wünsche ich mir natürlich auch persönlich noch etwas, vielleicht auch etwas, was wir hier als Bundesgesetzgeber umsetzen können, nämlich dass wir die Chance ergreifen, Kollektivrechte und kollektive Verbandsklagen zu Ende zu denken. Da gibt es die tierschutzrechtliche Verbandsklage, die ich gerne auf Bundesebene regeln würde, genauso wie ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften, das am Ende auch dazu führen würde, dass Arbeitnehmer/-innen und Verbraucher/-innen

(Stephan Brandner [AfD]: Oje, oje!)

bei der Rechtsetzung in kollektiven Verfahren gleichgestellt würden und dass unsere Justiz und die Länder entlastet würden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz möchte ich dann abschließend – –

Kollegin, die weiteren Vorhaben müssen Sie jetzt in die nächste Debatte verschieben. Sie müssen zum Schluss kommen.

Das mache ich gerne. – Dann eben mein letzter Satz: Die Stiftung Datenschutz mit 1 Million Euro zu unterstützen, war auch wichtig.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Ja!)

Sie hilft vielen Vereinen in Deutschland, sich zu informieren. In Anbetracht des Volumens des Haushalts haben wir doch ganz schön viele Projekte auf den Weg gebracht.

Sie setzen jetzt bitte einen Punkt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort hat der Kollege Lukas Benner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7548574
Wahlperiode 20
Sitzung 70
Tagesordnungspunkt Justiz und Bundesverfassungsgericht
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