Antje TillmannCDU/CSU - Jahressteuergesetz 2022
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Herr Kollege Herbrand, dieses Gesetz hat durchaus Regelungen, denen wir zustimmen können. Das betrifft die Verbesserungen beim Wohnungsbau. Wir brauchen bezahlbaren, energieeffizienten und auch mehr Wohnraum; deshalb ist die Sonder-AfA richtig, die Sie auf den Weg bringen, um Wohnungsneubau anzureizen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Wir finden auch richtig, dass die Gebäude-AfA auf 3 Prozent erhöht wird und dass Sie im Laufe des Verfahrens nun doch dazu gekommen sind, den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer zuzulassen. Besser wäre gewesen, wenn Sie in dem Gesetz auch das System des anschaffungsnahen Herstellungsaufwands geschliffen hätten; denn auch das sind Hemmnisse für die Sanierung. Auch richtig finden wir, dass die Riester-Rente genutzt werden kann, um Gebäude energetisch zu sanieren.
(Bernhard Daldrup [SPD]: Supi!)
Bei der Photovoltaik stehen wir bei Ihnen. Wir fordern seit Langem, dass Photovoltaikanlagen auf Gebäuden nicht zu zusätzlicher Bürokratie führen dürfen. Es ist richtig, den Mehrwertsteuersatz auf null zu reduzieren und trotzdem den Vorsteuerabzug zuzulassen. Unserem Antrag, das Ganze von Juli auf Januar 2023 vorzuziehen, sind Sie ebenfalls gefolgt. Herzlichen Dank dafür!
Auch ein paar Freibeträge werden erhöht, zum Beispiel der Sparerpauschbetrag auf 1 000 Euro. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird angehoben; das ist gut. Ob die 30 Euro mehr beim Arbeitnehmerpauschbetrag den Braten fett machen, weiß ich jetzt nicht. Aber auch dem würden wir zustimmen. Auch das Vorziehen der Absetzbarkeit von Rentenversicherungsbeiträgen ist richtig und verfassungsrechtlich geboten, aber leider nur die Hälfte des Versprechens. Die spätere Versteuerung der Renten haben Sie in diesem Gesetz nicht durchgesetzt.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Die Rentner sind betrogen!)
Ich bin sehr gespannt, ob das noch kommen wird.
Leider haben all diese Vergünstigungen aber einen Wermutstropfen: Sie machen diese zusätzlichen Entlastungen nämlich alle zulasten der Schuldenbremse. Auf meine Frage im Finanzausschuss, wie Sie die kurzfristig eingeführten Steuerentlastungen denn finanzieren wollten, da der Haushalt ja schon längst verabschiedet ist, haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, amüsiert zwischengerufen: Durch zusätzliche globale Mehreinnahmen. – Ich finde das gar nicht witzig. Denn das zeigt ganz klar, wie Sie mit dem Haushalt umgehen und dass die Schuldenbremse Ihnen nichts mehr wert ist. Ehrlich gesagt habe ich nicht damit gerechnet, dass es ausgerechnet ein Finanzminister der FDP sein wird, der die Schuldenbremse schleift. Das ist sehr, sehr traurig.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Skandalös! Unglaublich!)
Aber es gibt auch eine ganze Reihe von Gründen, die dazu führen, dass dieses Gesetz heute von uns abgelehnt wird. Ich nenne die Dezemberhilfe. Gut, dass Bürgerinnen und Bürger hoffentlich bald von den hohen Energiepreisen entlastet werden. Wir haben zugestimmt, dass sie den Dezemberenergieabschlag erstattet bekommen. Und es ist irgendwie auch nachvollziehbar, dass Sie Gerechtigkeit herstellen wollen und deshalb eine Steuerpflicht dieser Beträge wollen. Aber niemand von Ihnen – einschließlich des BMF – konnte mir im Ausschuss erklären, wie diese Steuerpflicht umgesetzt werden soll.
(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)
Die Pflichten werden auch erst nächstes Jahr in einem Gesetz verabschiedet. Und da steht drin: Stadtwerke oder alle Vermieterinnen und Vermieter sollen Namen und Adressen des Kunden an eine noch zu bestimmende Stelle schicken. Das BZSt soll dann die Steuer-ID zusteuern, und irgendjemand soll dann bei 20 Millionen Gasverträgen prüfen, ob der Letztverbraucher vielleicht auch noch Solidaritätszuschlagszahler ist.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Wahnsinn!)
Das ist eine Bürokratie, bei der jetzt schon die Stadtwerke sagen: Es ist nicht leistbar. – Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie das gehen soll. Der Ehrliche, der selber angibt und versteuert, wird der Dumme sein.
(Jörn König [AfD]: Wie immer!)
In der Anhörung ist gesagt worden: Die Stadtwerke werden schon den Richtigen treffen. – Selbst die Steuergewerkschaft sagt: Bei der Dezemberhilfe wird es zu Ungerechtigkeiten kommen. – Da ist aus meiner Sicht Nichtbesteuerung schon deutlich gerechter als das, was Sie hier vorhaben.
Noch krasser zeigt sich beim Energiesoli, beim Energiekrisenbeitrag, wie Sie mit Rechtsstaatlichkeit umgehen. Über Monate haben wir alle vermieden, diesen Solidarbeitrag als Abschöpfungssteuer zu bezeichnen, weil wir dann in der EU ein Einstimmigkeitsprinzip gehabt hätten. Steuermaßnahmen müssen auf EU-Ebene einstimmig beschlossen werden. Wir wussten, dass wir diese nicht kriegen. Jetzt wird in dem Gesetzentwurf auf eine Ermächtigungsvorschrift, Artikel 122 AEUV, verwiesen, die auf die Einstimmigkeit verzichtet. Aber was machen Sie? Sie schreiben im Steuergesetz: Dieser Solidarbeitrag ist eine Steuer. – Alle Sachverständigen, auch Ihre, haben das in der Anhörung problematisiert. Wir gehen in eine große Rechtsunsicherheit. Wir wissen, dass dieses Gesetz beklagt werden wird. Wir werden 1 Milliarde bis 3 Milliarden Euro vermutlich wieder zurückzahlen müssen. Aber vielleicht ist das auch der neue Trick zur Umgehung der Schuldenbremse, dass wir mit Einnahmen kalkulieren, sie auch ausgeben, obwohl wir genau wissen, dass wir sie zurückzahlen müssen. Dieses Risiko werden wir nicht verantworten. Das müssen Sie tun. Auch aus diesem Grund werden wir dieses Gesetz ablehnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion hat Parsa Marvi das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549170 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 74 |
Tagesordnungspunkt | Jahressteuergesetz 2022 |