Johannes SchrapsSPD - Unterstützung des EU-Beitrittskandidaten Moldau
Vielen Dank. – Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wenn wir uns nach dieser letzten Sitzungswoche alle so langsam auf den Weg in unsere Wahlkreise machen, dann müssen wir auf ein extrem schwieriges Jahr zurückblicken. Ich denke, die meisten von uns hegen zu Recht die Hoffnung, dass wir vielleicht zum Ende dieses intensiven Jahres zumindest ein bisschen zur Ruhe zu kommen.
Wenn aber wahrscheinlich die meisten oder viele von uns am 24. Dezember zu Hause vor dem Weihnachtsbaum sitzen, dann wird der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine genau zehn Monate andauern. Dieser Krieg stellt unsere gesamte europäische Gemeinschaft schon seit vielen Monaten vor eine schwere Bewährungsprobe. Diese Zeitenwende hat uns gezwungen, sicher geglaubte Gewissheiten zu überdenken, beispielsweise unsere Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik neu zu definieren. Unser Fokus richtet sich dabei zu Recht auf die Ukraine, und dabei ist jede mögliche Hilfe für dieses angegriffene Land nicht nur notwendig, sondern auch ganz klar völkerrechtlich legitimiert, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ein wichtiges Signal – das wurde angesprochen – war in diesem Zusammenhang die Verleihung des Kandidatenstatus für den Beitritt zur Europäischen Union an die Ukraine, aber eben auch an die Republik Moldau. Dieses kleine Land, das sich geografisch zwischen der Ukraine und Rumänien befindet, fliegt in der Wahrnehmung durch den zu Recht starken Fokus auf die Ukraine manchmal ein bisschen unter dem Radar. Mit diesem sehr detaillierten Antrag machen wir als Bundestag noch einmal ganz bewusst deutlich, dass wir die Republik Moldau als EU-Beitrittskandidaten weiter intensiv unterstützen wollen,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
und zwar sowohl auf dem Weg zu einem zukünftigen Beitritt zur Europäischen Union als auch bei den aktuellen Herausforderungen, die das Land durch den russischen Angriffskrieg zu tragen hat.
Die Moldau ist auch deshalb besonders vom Krieg betroffen – das hat Kollegin Spellerberg schon angesprochen –, weil die Energieversorgung zu 100 Prozent von russischem Gas abhängt. Stark vereinfacht könnte man sagen, dass Gazprom mehr oder weniger für lau Gas an die De-facto-Führung des moldauischen Landesteils Transnistrien abgibt. Von dort wird es dann als Gas oder umgewandelt in Strom über das einzige Kraftwerk des Landes zu derart günstigen Preisen an den Rest der Republik Moldau weiterverkauft, dass sich andere Versorgungswege eigentlich nicht rechnen, weil die Marktpreise immer leicht unterboten werden können – und das ausschließlich, um die Abhängigkeit von russischem Gas und den damit verbundenen Einfluss Russlands zu erhalten. Das müssen wir verhindern. Gerade deshalb ist es ausgesprochen wichtig, dass die alternativen Verbindungen zwischen der Moldau und Rumänien, zwischen der Europäischen Union und der Moldau von EU-Seite aus weiter ausgebaut werden und so die Abhängigkeit der Moldau von russischen Energieträgern langfristig abgebaut wird, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)
Für die Regierung der Moldau ist das natürlich mit immensen finanziellen Belastungen verbunden. Deshalb ist wichtig, dass bei den Geberkonferenzen zur Unterstützung der Moldau bereits umfangreiche Kredite und Budgethilfen zusammengekommen sind. Bereits im Sommer gab es internationale Hilfen in Höhe von knapp 700 Millionen Euro, davon etwa 90 Millionen Euro aus Deutschland. Kommissionspräsidentin von der Leyen hat Mitte November angekündigt, dass weitere 250 Millionen Euro an Krediten und Budgethilfen von EU-Seite zur Verfügung gestellt werden sollen. Diese Hilfe ist notwendig und muss so lange zur Verfügung gestellt werden, bis die Energiekrise der Republik Moldau überwunden ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Wenn wir über Inflation und Preissteigerungen sprechen, dann können wir in Deutschland beim Blick in andere Länder ganz grundsätzlich sehr dankbar sein, vor allem dafür, dass wir hier die finanziellen Möglichkeiten haben und sie auch nutzen, um die Auswirkungen der Inflation mit zahlreichen gesetzgeberischen Maßnahmen zumindest einigermaßen einzudämmen. Die Inflation in der Republik Moldau liegt in diesem Jahr allerdings bei deutlich über 30 Prozent. Das sind mehr als dreimal so hohe Preissteigerungen, wie wir sie in Deutschland tagtäglich wahrgenommen haben – und das in einem Land mit gerade mal 2,5 Millionen Einwohnern, die in den ersten Kriegsmonaten circa eine halbe Million Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen haben. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen. Deshalb sind Hilfe und Unterstützung absolut notwendig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Anikó Glogowski-Merten [FDP])
Der russische Angriffskrieg hat uns auch noch einmal überdeutlich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, die Grundlagen unserer Demokratie und deren Grundwerte mit allem, was wir haben, zu verteidigen, und wie wichtig es ist, dass die europäische Staatengemeinschaft, die gemeinsam für diese demokratischen Grundlagen eintritt und sie verteidigt, aus mehr Ländern als den 27 EU-Mitgliedstaaten besteht.
Zweifelsohne braucht es zahlreiche Schritte, bis sich der Beitritt der Kandidatenländer verwirklichen lässt. Im Lissabonner Vertrag und mit den Kopenhagener Kriterien sind sie klar festgelegt, und die Reform der Justiz und der Kampf gegen Korruption gehören sicher zu den drängendsten Themen. Diese Schritte hin zu einer EU-Mitgliedschaft sollten wir aber nicht als Hürde betrachten, sondern viel mehr als Potenzial, um peu à peu eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit aufzubauen. Die proeuropäische Regierung mit Präsidentin Maia Sandu gibt mit ihrem ambitionierten Aktionsplan dabei allen Grund für Optimismus, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Unser Koalitionsantrag beinhaltet die klare Aussage zur Unterstützung, verbunden aber auch mit Forderungen an unsere Bundesregierung. Dazu gehört neben Budgethilfen für die Überwindung der finanziellen Herausforderungen auch ein fortgesetztes Engagement für einen Dialog zur territorialen Integrität der Republik Moldau bezüglich der transnistrischen Region. Gerade in Anwesenheit von Botschafter Ciocoi auf der Tribüne möchte ich gerne noch ganz ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir die gesellschaftlichen Aspekte bei der weiteren EU-Annäherung nicht vergessen dürfen. Deswegen haben wir die Intensivierung von Jugendaustauschen und wissenschaftlicher und kultureller Kooperation –
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
– explizit in diesem Antrag benannt. Das sind viele Herausforderungen, die es gemeinsam zu meistern gilt, aber vor allem auch viele Chancen, die wir gemeinsam ergreifen können. Im Ausschuss haben Sie von der CDU/CSU diesem Antrag zugestimmt.
Herr Kollege, Sie haben noch einen Satz.
Ich hoffe, dass wir auch hier im Plenum eine breite Unterstützung für die Moldau ausdrücken können, die deutlich über die regierungstragenden Fraktionen hinausgeht.
Vielen herzlichen Dank fürs Zuhören und noch einen angenehmen Abend.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Schraps. – Der Kollege Funke kann sich schon mal darauf einstellen, dass er eine Minute weniger Redezeit hat.
Nächster Redner ist der Kollege Matthias Moosdorf, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549361 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 75 |
Tagesordnungspunkt | Unterstützung des EU-Beitrittskandidaten Moldau |