Carl-Julius CronenbergFDP - Aussetzung d. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Max Mörseburg, die Bundesregierung tut seit einem Jahr alles, was notwendig ist, um durch wahrlich schwere Zeiten zu führen.
(Stephan Brandner [AfD]: Stets bemüht!)
Ich habe vollstes Vertrauen, dass sie das auch in dieser Angelegenheit weiter tun wird. Alle weiteren Details können wir dann ja beim Bier klären, zu dem ich herzlich einlade.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Oder Wein! – Stephan Brandner [AfD]: Alle?)
– Nee, nur den Max.
Der Antrag der Union reiht sich ein in eine Reihe von Anträgen, die Anlass für Verwunderung geben –Verwunderung, nicht zu verwechseln mit Bewunderung. Sie setzen heute eine neue Pointe, die vielleicht von einem gewissen Sinn für Humor, nicht aber von politischem Instinkt zeugt. Es ist noch keine zwei Jahre her, da hat Ihr damaliger Bundesminister Müller vorneweg lautstark ein scharfes Lieferkettengesetz gefordert. Ich erinnere an die Regierungsbefragung am 21. April 2021 und zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin den damaligen Entwicklungsminister Müller: „Das Lieferkettengesetz … ist ein Meilenstein. … [J]eder … [sollte] zustimmen.“ Das ist ja interessant.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Haben Sie zugestimmt damals?)
Das Lieferkettengesetz wird erst von der Union gefordert, verabschiedet, gefeiert – ein gutes Gesetz; wir haben es gerade noch gehört –, und gerade dann, wenn es in Kraft treten soll, soll es verschoben werden. Politische Glaubwürdigkeit geht anders, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zur Sache. Uns eint die tiefe Überzeugung, dass Menschenrechte immer und überall geachtet sowie Kinderarbeit und moderne Sklaverei immer und überall geächtet werden müssen.
(Beifall der Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])
Aber wenn Sie noch vor 18 Monaten überzeugt waren, dass Ihr Gesetz einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Menschenrechtslage in der Welt leistet, aber jetzt angesichts steigender Energiepreise und hoher Inflationsraten das gleiche Gesetz als Bürokratielast einfach aussetzen wollen: Ja, was soll denn dann für ein anderer Eindruck entstehen als der, dass Sie Ihr Lieferkettengesetz als Schönwettergesetz für gute Zeiten verstanden haben und eben nicht als ordnungspolitisch sinnvollen Rahmen, der hilft, die Kinder aus den Minen in die Schulen zu bringen? Sie können nicht ernsthaft wollen, dass dieser Eindruck entsteht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Marianne Schieder [SPD])
Recht haben Sie, dass der Mittelstand nicht überfordert werden darf. Das hat übrigens die FDP schon letztes Jahr in unserem Entschließungsantrag zum Gesetzentwurf gefordert, den Sie dann abgelehnt haben. Aber deshalb packen wir das jetzt an, was dem Mittelstand nutzt, und entwickeln das Thema „Sorgfaltspflichten auf europäischer Ebene“ weiter.
Da hat die Bundesregierung – Marco Buschmann und Hubertus Heil – in ihrer Protokollerklärung unmissverständlich klargestellt, dass es keine deutsche Zustimmung ohne eine Safe-Harbor-Lösung geben wird, und das ist gut so. Genau das hilft dem Mittelstand.
(Beifall bei der FDP)
Überhaupt ist es richtig, dass wir den nationalen Alleingang beenden und ein europäisches Sorgfaltspflichtenrecht bekommen. Wir brauchen ein Level Playing Field – Maik Außendorf hat dazu ausgeführt – hier bei uns im Binnenmarkt. Auch das hat die FDP von Anfang an gefordert.
(Zuruf von der CDU/CSU)
Meine Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass die Bundesregierung in ihrer Protokollerklärung ebenfalls klargestellt hat, dass der Grundsatz „Rückzug nur als Ultima Ratio“ gewahrt bleiben muss. Das Motto muss lauten: „stay and approve“ und nicht „cut and run“. Ein Rückzug unserer Unternehmen aus den Märkten der Welt wäre der falsche Weg. Der Globale Süden wünscht sich eine europäische, eine faire Alternative zu China.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir in die Welt reisen, werden wir doch gefragt: Wann kommen eure Unternehmen und investieren bei uns? Die Länder in Afrika, in Südasien oder auch in Lateinamerika wissen: Deutsche Investitionen bringen faire Löhne und Arbeitsbedingungen, oft auch Ausbildung und Weiterbildung. Handel und Investitionen unserer Unternehmen in der Welt schaffen nicht nur Arbeitsplätze und Wohlstand bei uns; sie führen auch viele Menschen aus Armut und Perspektivlosigkeit.
Deshalb zum Schluss noch ein ernster Appell: Wir sollten uns der Herausforderung bewusst sein, dass die Länder des Globalen Südens ein europäisches Lieferkettengesetz auch als protektionistisch wahrnehmen könnten
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wir tun es! – Dr. Götz Frömming [AfD]: Guter Gedanke!)
und dass wir unsere neue Dynamik in der Handelspolitik ungewollt konterkarieren könnten, wenn wir die Richtlinie schlecht ausgestalten. Deshalb wird es beim Trilog schon darauf ankommen, Europas Rolle in der Welt ganzheitlich zu betrachten
(Stefan Rouenhoff [CDU/CSU]: Richtig!)
und eine Kommunikation zu pflegen, die Handel fördert und nicht bremst. Dafür ist eine starke Safe-Harbor-Regelung der entscheidende Baustein. Branchenlösungen machen Branchenrisiken transparent; –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– sie machen bessere Arbeitsbedingungen möglich und senken den Bürokratieaufwand. Wir setzen in Brüssel um, was Sie in Berlin versäumt haben.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort die Kollegin Gitta Connemann.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7549556 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 76 |
Tagesordnungspunkt | Aussetzung d. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes |