26.01.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 82 / Tagesordnungspunkt 6

Reinhard HoubenFDP - Regierungserklärung zum Jahreswirtschaftsbericht 2023, Jahresgutachten des Sachverständigenrates

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind gewachsen: Das Bruttoinlandsprodukt ist im vergangenen Jahr um 1,9 Prozent gestiegen. Wer hätte damit gerechnet, nachdem am 24. Februar Russland die Ukraine überfallen hat, nachdem am 23. Juni die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgelöst wurde, nachdem am 1. September die russischen Gaslieferungen endgültig gestoppt wurden?

Die Ampelkoalition befand sich drei Monate nach ihrer Amtsübernahme in einer der historisch schwersten Krisen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland und hat es geschafft, die Versorgung mit Kohle, Öl und Gas zu verändern, sodass wir nicht auf Lieferungen aus Russland angewiesen sind. Wir haben die LNG-Infrastruktur im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Boden gestampft und damit eine Rezession verhindert.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich kann mich an keine Bundesregierung erinnern, die vom Start weg so geliefert hat.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und dennoch: Die Fortschrittskoalition würde ihrem Namen nicht gerecht werden, wenn sie hier aufhören würde. Im Gegenteil: Die Bundesregierung, besonders auch das BMWK, muss sich der Dynamik des letzten Jahres weiter widmen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aha!)

Das Tempo und die Entschlossenheit beim Bau der LNG-Terminals dürfen keine einmalige Ausnahme sein, sondern müssen zum Regelfall bei Genehmigungsverfahren werden. Nutzen wir diese Best Practice auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel bei der Sanierung und beim Ausbau der Schienen- und Straßeninfrastruktur.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Zeiten, in denen es reichte, nur mit der Schmalspurbahn zu fahren, sind zum Glück vorüber.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Da sind Sie sehr allein mit dieser Ansicht!)

Minister Habeck hat 2023 als das „Jahr der Industrie“ ausgerufen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Schon wieder so eine Mindermeinung!)

Allein die Nachrichten dieser Woche zeigen, wie wichtig diese Prioritätensetzung ist. BioNTech kündigte an, seine kapitalintensive Krebsforschung künftig verstärkt in Großbritannien aufzubauen, um den bürokratischen Belastungen in Deutschland zu entgehen. Auch kündigte Ford an, bis zu 3 200 Stellen in Köln streichen zu wollen.

Zur selben Zeit legen die USA mit dem Inflation Reduction Act ein Subventionsprogramm in bemerkenswerter Höhe auf. Meine Damen und Herren, sprechen wir es offen aus: Das Pokern um die Standorte ist in vollem Gange, und manche am Tisch spielen mit gezinkten Karten.

Umso wichtiger ist es, dass wir uns nicht mit dem Status quo abfinden. Wir brauchen eine Politik für den Standort, für die Unternehmen, die bereits ansässig sind, aber auch für Unternehmen, die nach Deutschland kommen wollen.

(Zuruf von der AfD: Wer soll denn kommen wollen?)

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage: Wie ernst meinen wir es mit dem Erhalt der industriellen Substanz in Deutschland? Hilft es uns, wenn wir in der derzeitigen Lage Gesetze und Verordnungen beschließen, die den Unternehmen weitere Belastungen aufbürden? Das Lieferkettengesetz, das Energieeffizienzgesetz, die 11. GWB-Novelle, der Aufbau grüner Leitmärkte oder auch die REACH-Verordnung der EU, das alles sind sicherlich hehre Ziele. Aber ist es jetzt an der Zeit, sie umzusetzen? Sollten wir, da die Energiepreise sich noch nicht einmal auf ein „new normal“ festgelegt haben, nicht darüber nachdenken, wie wir den Industriestandort Köln

(Heiterkeit – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Bei allem Respekt! Einmal Wahlkreis!)

– den Industriestandort Deutschland – weiter stärken? – Entschuldigen Sie, das ist das alte Ratsmitglied, das manchmal in bestimmte rhetorische Mechanismen verfällt.

Also, es stellt sich die Frage, ob wir in diesem Jahr, in diesem schwierigen Jahr, das auf uns zukommt, nicht ein Belastungsmoratorium umsetzen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das wäre eine Frage, die wir debattieren müssen. Wir brauchen ein klares Commitment für Unternehmertum.

Liebe Freunde von der Union, die Sie jetzt klatschen, lieber Herr Spahn, von Ihnen kommt ja immer der Einwand „zu wenig und zu spät“. Ich erinnere mich an Debatten allein über das relativ überschaubare Thema CETA, wo Sie x‑mal hier vorne gestanden haben und immer gesagt haben: „Zu spät, zu wenig“, x‑mal.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Zehnmal! Es kam gar nichts!)

Mit Blick auf Ihre Regierungszeit muss ich Sie darauf hinweisen: Wir haben das Problem in einem halben Jahr gelöst.

(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn Sie so auftreten, sind Sie in der politischen Debatte einfach nicht glaubwürdig.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wir haben es ein Jahr beantragt, Sie haben es abgelehnt! Das ist die Wahrheit!)

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Amira Mohamed Ali.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7550334
Wahlperiode 20
Sitzung 82
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Jahreswirtschaftsbericht 2023, Jahresgutachten des Sachverständigenrates
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta