Jens Brandenburg - Berufliche Bildung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist Exzellenz? Den Begriff „Exzellenz“ dürften hier im politischen Berlin, gerade im Bildungs- und Forschungsausschuss, vermutlich viele mit der Exzellenzstrategie, also international sichtbarer Spitzenforschung an den Hochschulen, verbinden.
Aber Exzellenz gibt es nicht nur an den Universitäten. Exzellenz gibt es auch in der beruflichen Bildung. Exzellent ist beispielsweise der Installateur, der eine Heizung so lange unter die Lupe nimmt, bis sie wieder ökologisch optimal und effizient funktioniert. Exzellent ist insbesondere auch die Medizinische Fachangestellte, die beispielsweise in stressigen Situationen Termine genau so koordiniert, dass für jeden Patienten ausreichend Zeit bleibt. Exzellent sind auch viele Initiativen vor Ort, die längst verloren geglaubte Jugendliche erfolgreich auf den Weg in eine berufliche Qualifizierung bringen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das zeigt: Exzellenz ist nicht nur eine Frage der Hochschulen, sondern auch der beruflichen Bildung. Wir sollten nicht müde werden, das deutlich zu machen.
(Beifall bei der FDP)
Eine der größten Herausforderungen unserer Zeit – das wurde hier eben in der Vorgängerdebatte schon erwähnt – ist der Fachkräftemangel. Wir werden die anderen großen Aufgaben unserer Zeit – von der Energiewende über den Klimawandel bis hin zur Digitalisierung – doch nicht bewältigen, wenn wir nur kluge Köpfe haben, die neue theoretische Innovationen entwickeln. Wir brauchen dafür auch fleißige Hände, die diese theoretischen Innovationen in ganz hochwertige praktische Produkte, Anwendungen und Dienstleistungen übersetzen.
Deshalb arbeiten wir in der Bundesregierung mit unserer Fachkräftestrategie ressortübergreifend. Ja, da geht es auch um Fachkräftezuwanderung; da geht es auch darum, momentan arbeitslose Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Aber ein wesentlicher Hebel ist eben auch die berufliche Bildung. Da macht mir die aktuelle Situation schon große Sorgen; denn wir sehen, dass der Ausbildungsmarkt immer kleiner wird. Das liegt nicht daran – dieses Bild wird manchmal gezeichnet –, dass sich Betriebe flächendeckend weigern würden, auszubilden. Ganz im Gegenteil: Der Trend seit 2015 ist sehr, sehr deutlich, dass nämlich bundesweit immer mehr Betriebe händeringend Auszubildende suchen, die auch eine berufliche Ausbildung aufnehmen wollen.
(Ria Schröder [FDP]: So ist es!)
Dazu kommen übrigens 2,3 Millionen junge Menschen, die gar keine Ausbildung aufnehmen und absolvieren, weder beruflich noch akademisch. Genau das sind die Baustellen, an die wir ranmüssen. Wir seitens des BMBF, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, tun das mit der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Exzellenzinitiative Berufliche Bildung ist ausdrücklich kein Gegensatz zu den Aktivitäten des Arbeits- und Sozialministeriums, sondern eine sinnvolle Ergänzung. Frau Kollegin Gohlke, wir haben auch in der letzten Legislaturperiode über Ihre heutige Forderung nach einer gesetzlichen Ausbildungsumlage diskutiert. Mit Blick auf die momentane Lage, dass Betriebe händeringend Auszubildende suchen, möchte ich betonen: Was nützt ein solcher Ausbildungsfonds dem Bäckermeister auf der Schwäbischen Alb, der händeringend Auszubildende sucht und seinen Ausbildungsplatz nicht besetzen kann, wenn er auch noch eine Strafgebühr dafür zahlen soll, dass in Berlin-Mitte beispielsweise Fotografen neu ausgebildet werden?
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mit der Union sind wir in der Analyse oftmals einig gewesen. Ich wundere mich vor diesem Hintergrund, ehrlich gesagt, über die Forderung in Ihrem heutigen Antrag, die Ausbildungsprämie zu verlängern. Das war ein absolutes Corona-Kriseninstrument, damals zwar größtenteils ein Ladenhüter, hatte aber sicher eine gewisse Berechtigung. Die Vorgängerregierung wollte das Programm für dieses Jahr bereits auslaufen lassen. Diese Maßnahme jetzt zu verlängern, also in einer Lage, in der Betriebe händeringend Auszubildende suchen, ist nicht zielführend. Die Betriebe brauchen für unbesetzte Ausbildungsplätze nicht noch Trostpflaster finanzieller Art, sondern mehr Unterstützung, diese Plätze zu besetzen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Da setzen wir an. Wir schaffen mehr digitale Angebote in der Berufsorientierung. Vor wenigen Tagen hat übrigens ein Bundeswettbewerb zu genau diesem Thema – digitale Berufsorientierung – gestartet. Da gibt es hervorragende Beispiele. Wir wollen das Aufstiegs-BAföG gemeinsam reformieren und verbessern. Es kann nicht sein, dass ich an den staatlichen Hochschulen kostenfrei studieren kann und gleichzeitig in der beruflichen Bildung für die Fortbildung zum Meister, zum Fachwirt oder Techniker oftmals mehrere Tausend Euro zahlen muss. Auch das muss sich ändern.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist richtig!)
Wir werden die Bedingungen für das Ausbildungs- und Prüfungspersonal verbessern. Wir gehen an die Begabtenförderung ran. Spitzentalente gibt es nicht nur an den Hochschulen, sondern auch in der beruflichen Bildung; viele habe ich persönlich kennengelernt. Und wir wollen bei der internationalen Ausbildungsmobilität unterstützen, sowohl incoming – wir wollen ja auch vermehrt Fachkräfte gewinnen, die zu uns kommen – als auch diejenigen, die einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland absolvieren wollen. Auch diesen Bereich wollen wir stärken.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Das hat in den letzten zehn Jahren auch nicht geklappt!)
Wir bringen also Schwung in die berufliche Bildung. Das ist ein Kernthema der Fortschrittskoalition. Erlauben Sie mir bitte zum Abschluss noch ein Wort an die vielen Schülerinnen und Schüler, die momentan kurz vor dem Schulabschluss und der Entscheidung stehen, ob sie ein Studium oder eine Ausbildung aufnehmen. Mein Appell an Sie alle persönlich: Lassen Sie sich nicht von anderen einreden, wie Ihr Bildungsweg auszusehen hat. Ganz im Gegenteil: Schauen Sie sich die verschiedenen Berufe an, auch im beruflichen Bereich, sei es im Handwerk, in der Industrie, im Handel, in der Landwirtschaft, im Bereich Erziehung, in der Pflege, im Gesundheitssektor, wo auch immer. Suchen Sie sich einen Beruf, der Ihnen persönlich Spaß macht, investieren Sie in Ihre Zukunft. Uns haben Sie an Ihrer Seite. – Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag sehr herzlich, die uns dabei unterstützen. Ich freue mich auf die Debatte.
Danke schön.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Stephan Albani für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7550448 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 82 |
Tagesordnungspunkt | Berufliche Bildung |