Günter KringsCDU/CSU - Reaktion auf den russischen Angriffskrieg - Sondertribunal
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir mussten letzte Woche einen bitteren Jahrestag begehen: ein Jahr russischer Angriffskrieg auf die Ukraine, ein Jahr Tod und Gewalt, ein Jahr Kriegsverbrechen. Das russische Militär hat Akte unglaublicher Grausamkeit und Menschenverachtung an Zivilisten und Soldaten begangen.
Nach einem Jahr Krieg ist der Wunsch nach Frieden wohl nirgendwo so stark wie bei den Menschen in der Ukraine. Frieden kann und wird es aber nur geben, wenn Putin erkennen muss, dass er diesen wahnwitzigen Angriffskrieg nicht gewinnen kann. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Ukraine nicht nur mit humanitärer Hilfe, sondern auch mit Waffen weiter unterstützen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Die Antwort auf Putins Krieg muss aber über Waffenlieferungen hinausgehen. Auf die russische Gewalt will und muss die Völkergemeinschaft mit der Macht des Rechts antworten. Deshalb ist es gut, dass beim Internationalen Strafgerichtshof, beim deutschen Generalbundesanwalt und in vielen anderen Ländern bereits Beweise gesammelt werden, um die Täter der Kriegsverbrechen so bald wie möglich zur Verantwortung zu ziehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber – darauf hat mein Vorredner auch hingewiesen –: Es gibt eine sehr, sehr empfindliche Lücke in der Strafverfolgung. Wir können die Gewaltexzesse als Verbrechen in diesem Krieg vor Gericht bringen. Für das Urverbrechen des Krieges, also für den Straftatbestand der Aggression, gibt es in diesem Angriffskrieg aber noch kein Gericht; denn eine Überweisung an den Internationalen Strafgerichtshof nach geltendem Recht bräuchte einen Beschluss des Sicherheitsrates der UN, und der wird natürlich durch russisches Veto blockiert.
Meine Fraktion unterstützt daher alle Bemühungen, das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes so zu ändern, wie Sie es auch beschrieben haben, dass er künftig generell auch das Verbrechen des Angriffskrieges aburteilen kann. Wir wissen aber auch: Dieses Ziel zu erreichen, das wird sehr lange Zeit in Anspruch nehmen.
Wir sind nicht bereit, diese Lücke bis dahin hinzunehmen und den Ukrainern zu erklären, dass das Urverbrechen des Angriffskrieges ungesühnt bleiben muss und das Völkerrecht gegenüber Putin und seinen Ministern und seinen Generälen machtlos bleibt. Deshalb fordert die CDU/CSU-Fraktion seit zehn Monaten ein internationales völkerrechtliches Sondertribunal für den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Michael Roth [Heringen] [SPD] und Ulrich Lechte [FDP])
Genau ein solches Sondertribunal fordern auch die Ukraine selbst, viele weitere Länder in und außerhalb Europas, das Europäische Parlament und zahlreiche weitere internationale Organisationen. Es ist ein durchaus eingeübtes Instrument. Sondertribunale auf verschiedener rechtlicher Grundlage wurden in der Vergangenheit bereits erfolgreich angewandt.
Ich sage es aber ganz offen – wir nehmen das Gesprächsangebot natürlich gerne weiter an; schöner wäre es gewesen, wir hätten vorher schon sprechen können, aber das geht, glaube ich, weniger an Sie, Herr Kollege, als an andere in der Ampel –: Wir haben als Unionsfraktion gehofft, die Bundesregierung würde sich hier an die Spitze einer guten Bewegung setzen. Denn aufgrund unserer Geschichte haben wir eine besondere Verantwortung für das Völkerrecht. Der Einsatz für eine effektive Durchsetzung völkerrechtlicher Normen ist zu Recht seit Jahrzehnten Teil unserer außenpolitischen Staatsraison, meine Damen und Herren.
Die Bundesregierung war bei dieser Frage allerdings sehr lange auf Tauchstation. Dabei fehlt es eben nicht an völkerrechtlichen Wegen, sondern was wir brauchen, ist der politische Wille.
In diesem Jahr hat sich die Außenministerin immerhin für ein sogenanntes hybrides Gericht ausgesprochen. Das aber wäre leider keine gute Lösung. Putin und seine obersten Spießgesellen könnten sich gegenüber einem solchen hybrid-nationalen Gericht auf Immunität berufen. Sie wären also vollends außerhalb der Reichweite eines solchen Gerichtes. Es könnte hier auch nicht Völkerrecht, sondern nur nationales ukrainisches Recht zur Anwendung kommen. Genau deswegen ist die ukrainische Regierung selber auch dagegen. Ein solches Gericht, so fürchte ich, würde das Völkerrecht nicht stärken, sondern es würde den Eindruck von der Ohnmacht des Völkerrechts unterstreichen. Das können wir nicht wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Mit unserer Forderung nach einem internationalen Tribunal stecken wir ein klares Ziel ab, und wir wissen zugleich, dass der Weg bis dahin ein steiniger sein wird. Ich fand es gut und richtig, Herr Kollege, dass Sie auf den Beschluss der UN-Generalversammlung am Wochenende verwiesen haben. Es zeigt: Es ist möglich, auch nach einem Jahr des Krieges, große Unterstützung zu bekommen. Dann muss man sich aber auch auf diesen Weg machen und versuchen, diese Unterstützung zu erreichen. Wenn wir die Opfer sehen, die das ukrainische Volk jeden Tag für Freiheit und Gerechtigkeit erbringt, dann sollten wir uns wirklich beherzt auf diesen Weg machen und nicht nur über Hindernisse reden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir hatten wirklich eine bemerkenswerte Anhörung im Auswärtigen Ausschuss. Dort haben sich alle Sachverständigen, die die Ampel und die wir benannt haben, offen gezeigt und ein Sondertribunal befürwortet. Daher hat es mich doch schon etwas irritiert, dass wir bisher noch nicht zu Gesprächen gefunden haben, die Ampelfraktionen nicht auf uns zugekommen sind und wir bisher auch keinen eigenen Vorschlag der Ampel haben. Das alles ist heilbar – das sehe ich auch so –, aber es ist wirklich kostbare Zeit verloren gegangen, um gerade die deutsche Position in der Frage zu stärken.
Ich weise darauf hin, dass Claus Kreß – Sie haben ihn schon genannt – am Wochenende im „Spiegel“ noch einmal sehr deutlich gesagt hat: Was wir brauchen, ist ein wirkliches internationales völkerrechtliches Gericht und kein hybrid-nationales Gericht. – Hier muss sich die Außenministerin also wirklich in einer entscheidenden Frage noch bewegen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das zum Schluss noch sagen: Der Respekt vor dem Freiheitskampf der Ukraine und die besondere Verantwortung Deutschlands für die Völkerrechtsordnung hätten es in der Tat nahegelegt, dass wir schon gesprochen hätten, dass Sie schon auf uns zugekommen wären. Unsere Hand bleibt aber in und nach dieser Debatte weiter ausgestreckt. Wir wollen eine Lösung; denn das Urverbrechen dieses Krieges muss vor ein völkerrechtliches Tribunal. Das ist ein Anliegen, das uns einen sollte; mit Blick auf die Ukrainer muss uns dieses Anliegen einen.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt gebe ich das Wort an Michael Roth für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 87 |
Tagesordnungspunkt | Reaktion auf den russischen Angriffskrieg - Sondertribunal |