Ulrich LechteFDP - Reaktion auf den russischen Angriffskrieg - Sondertribunal
Nach „Radio Moskau“ jetzt wieder eine Stimme der Freiheit.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit neun Jahren führt Wladimir Putin einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Es ist neun Jahre her, dass russische Soldaten im Februar 2014 die ukrainische Halbinsel Krim angegriffen haben. Dieser völkerrechtswidrige Angriff Russlands wurde zwar schon damals von der internationalen Völkergemeinschaft verurteilt, und viele Staaten haben Russland dafür damals mit Sanktionen belegt. Aber rückblickend muss uns allen klar sein, dass diese Reaktion zu schwach war. Putin wurden damit nicht ausreichend Grenzen gesetzt. Die Annexion der ukrainischen Krim ist aus seiner Sicht leider erfolgreich verlaufen. Und deshalb entschied er sich acht Jahre später, die gesamte Ukraine anzugreifen und zu überfallen.
Vor einem Jahr, im Februar 2022, hat Putin die Ukraine nicht nur großflächiger, sondern auch weitaus brutaler als acht Jahre zuvor angegriffen. Die russischen Truppen haben keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung genommen, sondern auch Kraftwerke, Wohngebäude, Krankenhäuser, Schulen und sogar Kindergärten bombardiert – die Lebensadern der Ukraine. Damit ist nicht nur der Angriff selbst ein Völkerrechtsbruch, sondern auch die rücksichtslose Art und Weise, wie dieser Angriff geführt wird.
Diese Verbrechen müssen bestraft werden, damit sie sich nicht wiederholen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist die Lehre, die wir aus unserer zu zaghaften Reaktion im Jahr 2014 ziehen müssen. Einen Verbrecher wie Putin darf man nicht gewähren lassen; sonst wird er neue Verbrechen verüben und Leid über ganz Europa bringen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Deshalb muss gelten: Auch wenn im Krieg die Waffen sprechen, darf das Recht nicht schweigen. Und das Recht schweigt nicht. Der Internationale Gerichtshof hat bereits im März 2022 geurteilt, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine völkerrechtswidrig ist. Die russischen Schutzbehauptungen, das Ganze geschehe zum Schutz der russischsprachigen Minderheit in der Ukraine, hat das höchste Gericht der Vereinten Nationen und damit der gesamten Welt als Lügen entlarvt. Dieses Urteil richtet sich gegen die Russische Föderation insgesamt, nicht gegen verantwortliche Einzelpersonen wie zum Beispiel Wladimir Putin persönlich; denn vor dem IGH wird nur zwischen Staaten verhandelt, nicht zwischen Einzelpersonen.
Es gibt aber auch Ermittlungen gegen Einzelpersonen wegen Kriegsverbrechen. Diese erfolgen durch den Internationalen Strafgerichtshof ebenso wie durch den Generalstaatsanwalt der Ukraine und nach dem Weltrechtsprinzip auch in verschiedenen anderen Ländern. In Deutschland hat der Generalbundesanwalt ein Strukturermittlungsverfahren eingeleitet, und im letzten Jahr wurden in diesem Haus für diese Aufgabe mit dem Geld der Bürger zusätzliche Stellen geschaffen.
Sie sehen also: Das Recht schweigt nicht, sondern es arbeitet. Es wird bereits ermittelt, und Anklagen werden vorbereitet, damit die Kriegsverbrechen nicht unbestraft bleiben. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle vor den beteiligten Juristinnen und Juristen verneigen und ihnen meinen Dank aussprechen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU])
Aber das Völkerrecht hat auch Lücken. Eine solche Lücke verhindert, dass Putin selbst für das Aggressionsverbrechen auf die Anklagebank in Den Haag muss. Der Internationale Strafgerichtshof kann nur gegen Putin wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord ermitteln. Wegen des Angriffskriegs selbst, also der Wurzel all diesen Übels, kann er hingegen nicht tätig werden.
(Zuruf von der AfD: Aha!)
Die CDU/CSU schlägt nun in ihrem Antrag vor, diese Lücke mit einem Sondertribunal zu schließen. Der Gedanke ist nicht verkehrt, aber er erfasst nicht das gesamte Problem. Darüber haben wir auch bei unserer Anhörung im Auswärtigen Ausschuss zu diesem Thema gesprochen; denn die Bundesregierung wirbt bereits auf internationaler Bühne für ein Sondertribunal. Aber viele Stimmen, gerade aus dem Globalen Süden, die wir auch in den Vereinten Nationen brauchen, sagen uns, dass wir doch den Internationalen Strafgerichtshof eingerichtet haben, damit wir nicht für jeden Krieg ein eigenes Sondertribunal brauchen; wir sollen uns doch bitte mehr für die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs einsetzen. Und das ist ja richtig. Aber wir wissen doch auch, dass wir bei einigen unserer internationalen Partner vergeblich für die Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofs werben. Bei der Unterstützung der Kampala-Amendments zum Aggressionsverbrechen sieht es noch schwieriger aus.
Deshalb reicht es nicht, wenn wir nur einseitig ein Sondertribunal fordern, sondern wir müssen gleichzeitig auch alles in unserer Macht Stehende tun, um den Internationalen Strafgerichtshof zu stärken
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Einverstanden!)
und seine Zuständigkeit für die Ahndung des Aggressionsverbrechens auszuweiten; denn auch das ist ein Beitrag dazu, künftige Kriege zu verhindern.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort erhält Susanne Hennig-Wellsow für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7551220 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 87 |
Tagesordnungspunkt | Reaktion auf den russischen Angriffskrieg - Sondertribunal |