03.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 89 / Zusatzpunkt 6

Michael BreilmannCDU/CSU - Änderung des Raumordnungsgesetzes

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen: Ich bin schon sehr erstaunt, wenn hier von Turbogesetz gesprochen wird. Wer das in dieser Woche am Mittwoch im Bauausschuss miterlebt hat, wäre wirklich eines Besseren belehrt worden, wenn er der Meinung gewesen wäre, er hätte im parlamentarischen Betrieb schon alles erlebt. Das Chaos am Mittwoch im Bauausschuss war nicht zu überbieten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Der Wirtschaftsminister Habeck entschied, dass für den weiteren Windradausbau in Deutschland eine EU-Notfallverordnung national umgesetzt werden muss, und das wurde dann hier an dieses Gesetzgebungsverfahren zum Raumordnungsgesetz angehängt. Dann sollte innerhalb einer Woche etwas durchgepeitscht werden, und ich muss schon sagen: Das ist kein Turbogesetz. Sie, liebe Koalition, haben sich bei diesem Omnibusgesetz mehr als bitter überschlagen, und das Ergebnis sehen wir jetzt hier.

Ich will auch ausführen, warum. Erst am Mittwoch, dreieinhalb Stunden vor der Ausschusssitzung, gegen halb neun, haben wir als Oppositionsfraktion die Gesetzentwürfe zur Beratung dieses Gesetzes erhalten. Dreieinhalb Stunden später haben Sie, liebe Koalitionäre, gegen den Protest der Opposition eine Anhörung zu diesen Gesetzentwürfen nur wenige Stunden später beschlossen, und eine weitere Stunde später sollte dann in der Sache im Ausschuss abgestimmt werden. Was dann in der Anhörung folgte, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist an Peinlichkeit für die Koalitionäre nicht zu überbieten. In der Tat: Es waren dann Sachverständige da. Einer teilte – für uns wenig überraschend – mit, dass er hier in der Kürze der Zeit kein fundiertes Urteil und keine Begutachtung zu diesem Gesetzentwurf abgeben könnte. Viel schlimmer aber war, dass ein weiterer Sachverständiger auf Nachfrage des Kollegen Thomas Heilmann mitteilte, dass er die Gesetzesunterlagen zu dieser Anhörung, die Entwürfe am Vortag und damit vor den Abgeordneten der Oppositionsfraktionen und vor der Abschlussabstimmung erhalten hat.

(Zuruf von der AfD: Ah!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein hausgemachter Skandal und nichts anderes.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Unglaublich! Unglaublich!)

Und es geht ja noch weiter. Sie haben die Anhörung ja noch garniert. Sie haben dann gemerkt: Oh, das passt von den Mehrheitsverhältnissen nicht. Da wurden seitens der Ampel in Hammelsprungmanier Abgeordnete der Koalition in den Ausschusssaal gebeten.

(Zuruf der Abg. Christina-Johanne Schröder [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Selbst nicht stimmberechtigte Mitglieder des Klimaausschusses haben dann bei einer Abstimmung zur Geschäftsordnung mit abgestimmt; die Vorsitzende hat das zugelassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine Farce sondergleichen. Sie geben hier das Parlament der Lächerlichkeit preis.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Ich kann dazu nur sagen: Wir befinden uns hier im Deutschen Bundestag. Das ist eine der Herzkammern der Demokratie, und hier gelten aus guten Gründen verfassungsrechtliche Grundsätze, wie die Bundestagsmehrheit, wie Sie als Bundesregierung mit Oppositionsabgeordneten umzugehen haben. Dazu gehört im Übrigen die Gewährleistung der Handlungsfreiheit der Oppositionsabgeordneten. Und vielleicht haben Sie schon mal von der Wurzel des Verfassungsgrundsatzes der effektiven Opposition im Demokratieprinzip gehört. Wir erwarten, dass Sie sich in Zukunft daran halten und uns Respekt geben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Darauf warten wir schon lange!)

In der Sache kann ich sagen: Es ist kein Turbogesetz. Ich möchte mich aufs Raumordnungsgesetz beschränken. Die Anpassungspflicht von Raumordnungsplänen an Bundesraumordnungspläne beispielsweise ist ein systemwidriger Bruch mit der föderalen Struktur des Raumordnungsgesetzes. Sie schafft auch mehr Rechtsunsicherheiten, insbesondere beim Hochwasserschutz.

Zielabweichungsverfahren: Da haben Ihnen die Sachverständigen und insbesondere die kommunale Familie deutlich gesagt – Herr Daldrup, lachen Sie nicht! Ihr eigener Sachverständiger hat Ihnen das gesagt –,

(Bernhard Daldrup [SPD]: Ich gebe Ihnen gleich eine Antwort!)

dass es nicht zu einer Verfahrensbeschleunigung kommen wird. Ganz im Gegenteil: Wir werden mehr Anträge auf Zielabweichung bekommen. Das ist kontraproduktiv.

(Bernhard Daldrup [SPD]: Sie brauchen keine Angst zu haben!)

Verheerender ist die Änderung der bisherigen Kann- in eine Sollbestimmung. Damit werden Ziele der Raumordnung regelmäßig aufgeweicht, und Sie schwächen damit im Übrigen die Planungsträger. Ich komme aus dem Ruhrgebiet. Bei uns ist der Planungsträger die Verbandsversammlung. Unsere Verbandsversammlung wird „Ruhrparlament“ genannt, weil die Mitglieder dort von den Städten und den Kreisen direkt gewählt werden. Diese Zielgrundsätze, diese Rahmenbedingungen, die sie festsetzen, die werden dann von Zielabweichungsverfahren aufgeweicht.

Ich kann nur sagen: Diese Novelle reiht sich ein in die Beispiele für die Kommunal- und Regionalunfreundlichkeit dieser Bundesregierung, die ihresgleichen sucht. Das sieht man beim Wohngeld, das sieht man bei dieser Flüchtlingskrise, und wir sehen es jetzt beim Raumordnungsgesetz. Ich könnte noch über dringend notwendige Reformen der Rohstoffsicherung oder auch der Verankerung der digitalen Infrastruktur sprechen. Aber meine Redezeit ist leider zu Ende.

(Daniel Föst [FDP]: Wie schade!)

Wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen. Für das, was Sie im Verfahren getan haben, sollten Sie sich schämen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD – Zustimmung des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])

Das Wort erhält Christina-Johanne Schröder für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551472
Wahlperiode 20
Sitzung 89
Tagesordnungspunkt Änderung des Raumordnungsgesetzes
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