03.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 89 / Tagesordnungspunkt 23

Siemtje Möller - Bundeswehreinsatz SEA GUARDIAN im Mittelmeer

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Über Sea Guardian diskutieren wir hier im Plenum in geordneter Regelmäßigkeit; denn bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten gibt es eine maritime Operation der NATO im Mittelmeer. Doch mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine geht eine grundlegende Veränderung, eine Zeitenwende für die europäische Sicherheit einher. Nichts scheint mehr zu sein, nichts ist mehr, wie es war. Wir alle wissen: Die Sicherheitslage an den NATO-Außengrenzen ist heute eine andere als vor einem Jahr. Die NATO stellt sich dieser neuen Wirklichkeit; sie ist sichtbar näher zusammengerückt. Dem Prinzip der kollektiven Sicherheit und Verteidigung kommt eine neue Bedeutung, eine neue Dringlichkeit zu. Damit verändert sich eben auch die Bedeutung von Sea Guardian, diesem wichtigen maritimen Einsatz an der NATO-Südflanke.

Wir alle wissen: Die See ist immer wieder Schauplatz von Aggressionen. Die eigene Verwundbarkeit durch maritime Bedrohungen wurde uns durch die mutmaßlichen Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines mitten in der Ostsee im vergangenen September vor Augen geführt. Dies zeigt: Maritime Sicherheit betrifft uns alle. Gerade deshalb haben wir, hat die Deutsche Marine ihre Präsenz in Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen der NATO verstärkt. Die Marine, so sagt sie, geht „all in“, und das kann man auf den Meeren dieser Welt sehen.

In den bestehenden, vor allem aber in den sich abzeichnenden Konflikten gewinnt die Dimension See stark an strategischer Bedeutung, von der Arktis bis in den Indopazifik. Dementsprechend muss auch unsere Befähigung zu Sicherheit und Verteidigung ausgestaltet werden: dimensionsübergreifend, zeitgleich in verschiedenen Regionen mit unterschiedlichen Intensitäten – ein 360-Grad-Ansatz, wie ihn die NATO im Strategischen Konzept letztes Jahr definiert hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Nils Gründer [FDP])

Ein Blick auf Nord- und Ostsee genügt, um unsere eigene Verwundbarkeit zu verstehen. Ein Blick auf das Mittelmeer genügt, um die Vielschichtigkeit der Herausforderungen zu begreifen. Denn die Bedrohungen an der NATO-Südflanke sind nicht minder entscheidend für die Sicherheit Europas und der Allianz. Wir alle wissen, dass die Krisen im Mittelmeerraum fruchtbaren Nährboden für Organisierte Kriminalität, Terrorismus und den weiteren Zerfall staatlicher Autoritäten bieten. Zudem beobachten wir den Aufwuchs von seegehenden Einheiten zum Beispiel von Russland, China und auch anderer autokratischer Staaten, die versuchen, diese Fragilität auszunutzen und ihren Einfluss auszubauen.

Dies gefährdet die für den Industriestandort Deutschland so wichtigen Handelsrouten für wichtige Ressourcen – wie zum Beispiel Rohöl, Flüssiggas oder auch für Alltagsgegenstände –, die durch das Mittelmeer verlaufen. Es würde unser aller Leben sicherlich deutlich mühsamer machen, wären diese Handelsrouten und Lieferketten gestört. Auch als Exportweltmeister sind wir auf die Freiheit der Seewege angewiesen, um beispielsweise die großen Märkte Asiens beliefern zu können.

Neben diesen wirtschaftlichen Interessen haben wir auch ein sicherheitspolitisches Interesse. Es ist eben auch in unserem Interesse, dass das Mittelmeer als solches und als Südflanke der NATO keinen Platz bietet für Aggressionen auf See und dass darüber unsere kollektive Sicherheit bedroht wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Partner erwarten von uns Solidarität und die Übernahme von Führungsverantwortung. Die Operation Sea Guardian bildet einen entscheidenden und vor allem einen bewährten Beitrag zur maritimen Sicherheit und zum 360-Grad-Ansatz der NATO durch Seeraumüberwachung und die Erstellung eines Lagebildes für den Mittelmeerraum.

Wo die Präsenz von NATO-Schiffen präventiv noch nicht für die gewünschte Ordnung sorgt, erlaubt die Operation die Kontrolle und Untersuchung verdächtiger Schiffe, wobei weitere Aufgaben zum Schutz der Seewege und von kritischer Infrastruktur lageabhängig hinzukommen können.

Dabei leistet die Operation Sea Guardian von jeher zuverlässig wertvolle Arbeit, überwacht das Gebiet großflächig, liefert Lagebilder und, ja, trägt so auch dazu bei, dass der internationale Terrorismus bekämpft wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zusätzlich bietet Sea Guardian im Kern eine Kooperationsplattform, fördert Interoperabilität und stärkt so unser Bündnis. Ich möchte hier betonen: Auch die Zusammenarbeit mit der EU-geführten Operation Irini unterstützen wir ausdrücklich.

Der deutsche Beitrag, bestehend aus durchgehend mindestens einer seegehenden Einheit, ist gelebte Solidarität in Zeiten der Refokussierung auf Bündnis- und Landesverteidigung und wird von den Verbündeten viel beachtet und hochgeschätzt. Diese Anerkennung haben wir der Marine und unseren leistungsstarken Soldatinnen und Soldaten zu verdanken, die bei der Operation Sea Guardian im Einsatz sind.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

An insgesamt 607 Seetagen haben wir uns im zurückliegenden Zeitraum mit deutschen Kräften aktiv an Sea Guardian beteiligt. Anlässlich des gegenwärtigen Kontingentwechsels und der temporären Unterstützung durch die Fregatte „Sachsen“ bedanke ich mich bei allen unseren Seefahrerinnen und Seefahrern für einen Auftrag „well done“ oder – wie man so schön bei der Marine sagt – „Bravo Zulu“.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich wünsche natürlich der Besatzung des Tenders „Rhein“ ebenso viel Erfolg und allzeit eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Operation Sea Guardian übernehmen wir seit vielen Jahren und aus tiefer Überzeugung weithin sichtbar militärische Verantwortung an der NATO-Südflanke, und das so gewonnene Lagebild unterstützt darüber hinaus das Wirken des ständigen maritimen NATO-Einsatzverbandes in der Ägäis.

Die Operation hat sich bewährt und wird auch weiterhin ein wichtiges Instrument der Krisenfrüherkennung und Seeraumüberwachung sein. Die Verlängerung unseres Beitrages ist somit entscheidend, um ein Leben in Recht und Freiheit bei uns in Deutschland und Europa auch weiterhin in der Dimension See ganzheitlich und solidarisch zu schützen.

Um Ihre Unterstützung dieses Antrages der Bundesregierung möchte ich hiermit ausdrücklich werben und freue mich auf die Beratung in den Ausschüssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Für die AfD spricht Joachim Wundrak.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551545
Wahlperiode 20
Sitzung 89
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz SEA GUARDIAN im Mittelmeer
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