Bengt BergtSPD - Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Angriff auf Nord Stream
Moin, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Einige möchte ich gleich erst mal enttäuschen: Ich werde hier nicht spekulieren. Ich denke, die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns, dass wir uns seriös mit so einem ernsten Thema befassen.
(Stephan Brandner [AfD]: Da haben Sie recht!)
Dazu gehört auch, dass die Prinzipien unseres Rechtsstaats verstanden und anerkannt werden. Denn es ist schon ziemlich bemerkenswert: Die Partei, die sich als sogenannte Rechtsstaatspartei inszeniert, hat offenbar keine Ahnung von unserer staatlichen Ordnung. In Deutschland ermittelt bei Straftaten nämlich nicht der Deutsche Bundestag; in Deutschland ermittelt bei Straftaten die Staatsanwaltschaft, im Fall der Sabotage von Nord Stream der Generalbundesanwalt.
(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Das organisierte Ausmaß dieser Aktion wirft viele Fragen auf – das ist klar –; diese gilt es unbedingt zu klären. Darum befasst sich das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages, ein nichtöffentliches Gremium, am kommenden Freitag mit den neuesten Nord-Stream-Ermittlungen.
(Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])
Aktuell ermittelt dazu die Bundesanwaltschaft in enger Zusammenarbeit mit internationalen Sicherheitsbehörden. Sie merken: Es gibt umfangreiche Ermittlungen von Experten und Expertinnen mit echtem Know-how; denn solche Untersuchungen brauchen Zeit, Genauigkeit und Expertise.
Ein Untersuchungsausschuss ist dafür nicht geeignet. Im Zweifel würde er sogar laufende Ermittlungen behindern. Das Schlimme ist: Sie von der AfD wissen das ganz genau. Die Bundesregierung hat Ihnen ja auf eine Anfrage geantwortet – ich zitiere –:
Eine Auskunft zu Erkenntnissen aus dem Ermittlungsverfahren würde konkret weitergehende Ermittlungsmaßnahmen erschweren oder gar vereiteln …
(Tino Chrupalla [AfD]: Keine Antwort!)
Ich übersetze Ihnen das mal: Der AfD geht es nicht um das Staatswohl; es geht Ihnen um die Profilierung auf Kosten des Staates, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Philipp Hartewig [FDP] – Stephan Brandner [AfD]: Ach, Herr Bergt! Ich glaube, Sie haben Angst vor der Wahrheit!)
Es geht Ihnen nicht um Aufklärung, auch nicht um eine funktionierende Energieversorgung. Denn eine Partei, die von Unsicherheit lebt, wird immer versuchen, Unsicherheit zu schüren. Sie werden auch nicht davor zurückschrecken, verbale Rauchbomben zu werfen. Sie von der AfD sind dafür das beste Beispiel. Mit Ihrem Antrag haben Sie das einmal mehr bewiesen.
Dieser ganze Antrag basiert auf der kruden Story von Seymour Hersh,
(Stephan Brandner [AfD]: Renommierter Journalist!)
dass die USA zusammen mit Norwegen die Pipeline gesprengt hätten. Sie genügte trotz des berühmten Namens des Pulitzer-Preisträgers nicht mal den Qualitätsmindestansprüchen aller Zeitungen, denen sie angeboten wurde.
(Karsten Hilse [AfD]: Das schätzen Sie so ein!)
Niemand hat sie gedruckt; denn die ganze Story basiert angeblich auf einem einzigen anonymen Zeugen.
(Stephan Brandner [AfD]: Erzählen Sie doch mal die Segelbootgeschichte, die danach in Umlauf gebracht wurde! Ein Segelboot und Tonnen Dynamit, zwei Taucher! Erzählen Sie mal davon!)
Selbst Bob Woodward, der einen Pulitzer-Preis für die Enthüllung der Watergate-Affäre bekommen hat, hat Hersh abgeraten, die Story zu veröffentlichen; denn sie ist reine Spekulation. Das Ding wurde auf einem privaten Blog veröffentlicht.
Sie schreiben weiter in Ihrem Antrag, die USA würden mit Deutschland versuchen, Nord Stream 2 zu verhindern. Wenn man schon eine englischsprachige Quelle verwendet, dann sollte man sie vielleicht auch verstehen. Denn entgegen Ihrem billigen Framing steht dadrin, dass die USA gemeinsam mit Deutschland – ich zitiere – bereit sind für harte Sanktionen im Falle eines Einmarsches Russlands – Zitat Ende – und Deutschland natürlich das Projekt nicht in Betrieb nimmt, wenn eines der beteiligten Länder einfach in ein anderes Land, dazu noch ein befreundetes, einmarschiert. Und so ist es ja auch gekommen.
(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Dann schreiben Sie von einem Boykott russischen Gases. Niemand boykottiert hier russisches Gas; es gab nie ein Embargo.
(Stephan Brandner [AfD]: Sie rechtfertigen hier die Sprengung! Warum machen Sie das denn?)
Ihr russischer Freund Putin liefert nicht. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Philipp Hartewig [FDP])
Ihnen ist es völlig wurscht, ob irgendwas wahr ist, solange es in Ihre Verschwörungserzählung passt, uns aber nicht! Darum lassen wir den Generalbundesanwalt ermitteln.
(Stephan Brandner [AfD]: Erzählen Sie mal die Segelbootgeschichte! – Weitere Zurufe von der AfD)
Wie schon zuvor gesagt, ist eine Auskunft bei laufenden Ermittlungen gefährlich. Nebenbei gesagt, werden Teile Ihrer ganzen komischen Partei vom Verfassungsschutz beobachtet.
(Zuruf von der AfD: Das musste jetzt auch noch kommen! – Gegenruf des Abg. Stephan Brandner [AfD]: Von den Spezialdemokraten kommt das!)
„Vertrauenswürdig“ ist definitiv anders. Sie beweisen es, indem Sie schamlos jede Gelegenheit nutzen, um von Putins Krieg in der Ukraine abzulenken. Aber das ist kein Wunder. Wer offensichtlich so tief im Sumpf der russischen Korruption steckt wie Teile Ihrer Partei,
(Lachen bei der AfD – Jörn König [AfD]: Das muss die SPD sagen! Die ganze Hannover-Connection!)
dem kann das natürlich nur recht sein. – Keine Sorge, auf Ihre Russlandverstrickungen komme ich gleich noch mal zurück.
(Stephan Brandner [AfD]: Was ist denn mit Frau Schwesig? Sagen Sie mal was dazu! Und zu der Klimastiftung in Mecklenburg-Vorpommern!)
Aber schauen wir doch mal auf die Fakten, vor allem energiepolitisch. Sie reden von der Zerstörung lebenswichtiger kritischer Infrastruktur unseres Landes.
(Karsten Hilse [AfD]: Richtig!)
Als Energiepolitiker habe ich mir gedacht: Okay, wenn der Anschlag jetzt so krass und so lebensbedrohlich war,
(Karsten Hilse [AfD]: „Lebenswichtig“ und nicht „lebensbedrohlich“!)
dann müsste es ja jetzt richtig schlimm aussehen. Die Lichter müssten ausgehen, wir müssten einen Blackout haben, Menschen müssten frieren, es müsste Proteste auf den Straßen geben.
(Zurufe von der AfD)
Und was ist? Nichts! Schon vor dem Anschlag haben wir Verträge mit alternativen Lieferanten geschlossen und innerhalb kürzester Zeit unsere leeren Gasspeicher bis zum Anschlag gefüllt. Die Preise haben wir gedeckelt, und im Rekordtempo haben wir LNG-Ports gebaut.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Philipp Hartewig [FDP])
Das hätte uns vor einem Jahr niemand zugetraut, meine Damen und Herren.
Vielleicht kann sich der eine oder andere noch daran erinnern, wie viel Gas wir aus Russland bekommen haben, als der Anschlag passiert ist. Weiß es noch jemand? Ich kann es Ihnen sagen: nichts. Wir waren schon auf 0 Prozent der Lieferungen runter, weil Ihr Freund Putin nicht geliefert hat.
(Tino Chrupalla [AfD]: Unsinn! Das ist doch gelogen!)
Und wir hatten bereits vorgesorgt.
Fakt ist: Putin führt Energiekrieg gegen Deutschland und Europa, und die AfD, die selbsternannte Alternative für Deutschland,
(Stephan Brandner [AfD]: Wer hat denn jetzt Nord Stream gesprengt?)
hat vor Angst die Hosen voll, das auch so zu nennen. Womit Ihre Hosen, vor allem die Taschen, gefüllt sind, lasse ich mal dahingestellt.
(Zuruf des Abg. Jörn König [AfD])
Wenn Ihnen deutsche Interessen wirklich so sehr am Herzen liegen würden, dann würden Sie aufhören, die schützende Hand über einen Kriegsverbrecher zu halten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Philipp Hartewig [FDP])
Eigentlich könnte man Sie auch „PfD“ nennen: Putin-Partei für Deutschland.
(Stephan Brandner [AfD]: Sie Spezialdemokrat!)
Am 1. März bezeichnete einer von Putins Propagandamännern, Wladimir Solowjow, deutsche Journalisten als Nazischweine. Er hat mehrfach den Abwurf von Atombomben auf NATO-Staaten gefordert. Raten Sie mal, wer einen Tag später bei dem Propagandamann war? Sie wissen es ganz genau: Steffen Kotré, seines Zeichens PfD-Abgeordneter im Bundestag.
(Stephan Brandner [AfD]: Dafür gehen wir nicht zu Böhmermann!)
Es kann nicht sein, dass eine Partei politische Realitäten verzerrt und den Eindruck erweckt, Russland würde keinen Angriffskrieg führen, sondern wäre ein armes Opfer der bösen Amerikaner. Meine Damen und Herren, Ihr Antrag ist lupenreine Kreml-Propaganda live hier im Bundestag. Da können Sie sich gleich mit Frau Wagenknecht ins politische Bett legen, wenn Sie so weitermachen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Teile der Union haben es übrigens auch noch nicht verstanden. Ihr stellvertretender Bundesvorsitzender Michael Kretschmer hat vor einigen Tagen noch mal nachgelegt und getwittert, wie wichtig doch die Nord-Stream-Pipeline bleibt.
(Stephan Brandner [AfD]: Auch ein Putin-Knecht, oder was?)
Der Tweet findet sich interessanterweise eins zu eins in dem Antrag wieder. „ Wer hat da von wem abgeschrieben?“, frage ich mich.
Russland führt Krieg gegen die Ukraine und erfüllt die Lieferverträge nicht. Es gibt kein Gasembargo.
(Zuruf des Abg. Jörn König [AfD])
Unsere Abhängigkeiten von Russland haben wir abgebaut, die Gasversorgung haben wir umgestellt. Unsere Energieversorgung stellen wir auf neue Beine.
(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
Wir kümmern uns um die Zukunft Deutschlands. Um die Nord-Stream-Ermittlungen, meine Damen und Herren, kümmert sich die Stelle, die das am besten kann, und das ist der Generalbundesanwalt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Jetzt haben Sie gar nichts zu Frank-Walter Steinmeier und seinen Russland-Connections gesagt!)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Das wird ja noch mal richtig emotional hier.
Herr Kollege Schnieder, Sie haben als Nächster das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7551680 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 90 |
Tagesordnungspunkt | Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Angriff auf Nord Stream |