15.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 90 / Tagesordnungspunkt 6

Volker UllrichCDU/CSU - Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Angriff auf Nord Stream

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Artikel 44 des Grundgesetzes gibt dem Deutschen Bundestag das Recht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, und auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Deutschen Bundestages haben wir die Pflicht, einen solchen einzusetzen. Die Prüfung könnte hier bereits beendet sein, weil erkennbar kein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gestellt hat.

Gleichwohl hat der Deutsche Bundestag neben der förmlichen Pflicht auch die Aufgabe, die Verfassungskonformität der jeweiligen Beschlüsse zu prüfen. Das Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist keines, welches die Minderheit selbst hat. Vielmehr gibt es nur einen Anspruch an den Deutschen Bundestag, einen entsprechenden Untersuchungsausschuss einzusetzen, wenn das Quorum erfüllt ist und wenn er inhaltlich, also materiell-rechtlich zulässig ist. Beides ist hier nicht der Fall. Deswegen – es wird Sie nicht überraschen – wird dieser Antrag auch abgelehnt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich will aber darauf aufmerksam machen, dass Sie auch formal keinen richtigen Antrag stellen. Ein Untersuchungsausschuss hat weder rechtsprechende Funktionen, noch dient er der Debatte aktueller Ereignisse. Vielmehr dient er der nachträglichen Kontrolle abgeschlossener Sachverhalte mit einer gewissen Relevanz, indem er Fehlverhalten von Behörden oder Institutionen aufzudecken gedenkt. Ein solches Anliegen tragen Sie weder vor, noch ist ein solches überhaupt erkennbar.

Im Übrigen machen Sie auch den formalen Fehler, dass Sie wertend vorwegnehmen, was das angebliche Ergebnis der beantragten Untersuchung sein sollte. Warum? Es geht Ihnen um die Frage des Anschlags auf die Nord-Stream-Pipeline bzw. deren Sabotage. Sie insinuieren selbst in Ihrem Beschluss, dass Sie den Täter schon kennen. Ich zitiere aus Ihrem Einsetzungsbeschluss:

Zum jetzigen Zeitpunkt weisen Indizien darauf hin, dass der NATO-Partner USA oder ein anderer Verbündeter den Angriff verübt hat.

Zitat aus ihrem Einsetzungsantrag! Wenn Sie aber das Ergebnis angeblich schon kennen, dürfen Sie keinen Untersuchungsausschuss beantragen. Das ist rechtsfehlerhaft!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Karsten Hilse [AfD]: Sie wissen doch selber, dass Indizien Indizien sind!

Im Übrigen – jetzt komme ich zum eigentlichen Thema – durchzieht Ihr Antrag eine bittere Spur Antiamerikanismus. Das will ich hier im Deutschen Bundestag mit der ganzen Kraft unserer Fraktion – vielleicht auch des übrigen Hauses – zurückweisen. Warum?

(Zuruf des Abg. Andreas Bleck [AfD])

Zum einen haben Sie, Herr Weyel, in Ihrer Darstellung der Einsetzung eine Entscheidung von de Gaulle aus dem Jahr 1959 referiert, welche schon abstrus genug ist. Aber es unterstreicht letztlich Ihre antiamerikanischen Ansichten; denn es geht hier um den Entzug des Oberkommandos über die französische Flotte.

Viel entlarvender ist, dass Sie den Anschlag auf die Nord-Stream-Pipeline wie folgt verglichen haben – ich zitiere Sie –: „Es ist ein vertikales Nine-Eleven-Ereignis.“ Das haben Sie eben im Deutschen Bundestag gesagt.

(Karsten Hilse [AfD]: Er hat ja extra gesagt: „Keine Toten“! – Dr. Harald Weyel [AfD]: „Keine Toten“ habe ich gesagt! – Jörn König [AfD]: Das hat er aber auch extra gesagt! Das ist völlig unrealistisch!)

Bei Nine Eleven sind fast 3 000 Menschen gestorben. Das mit diesem Anschlag in der Ostsee zu vergleichen, ist eine Verhöhnung der Opfer von Nine Eleven. Das dürfen wir hier nicht stehen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. André Hahn [DIE LINKE])

Dass es um Antiamerikanismus geht, hat Ihr Kollege Steffen Kotré ja schon klargemacht – das hatten auch schon andere Kollegen angesprochen –, der im russischen Fernsehen am 2. Februar – ich zitiere – die Ukraine als „Aufmarschgebiet der USA“ und „Bild“-Zeitung und „Stern“ als „deutsche Goebbels-Presse“ bezeichnet hat. Er war zu Gast beim Kreml-Propagandisten Wladimir Solowjow.

Ich kann Ihnen nur sagen: Mit einem Antrag, mit dem Sie sich im Geiste an die Seite Russlands und Putins stellen, mit dem Sie Ihre antiamerikanische Haltung hier in die Mitte des Parlaments tragen, entfernen Sie sich vom demokratischen Diskurs. Sie haben aber auch keine Gründe, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. Ihr Antrag ist materiell und formell falsch, und deswegen wird dieses Haus Ihren Antrag zurückweisen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Sehr gut erklärt! Aber, ich glaube, das Fußballbeispiel haben sie eher verstanden!)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Ullrich. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Zanda Martens, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551685
Wahlperiode 20
Sitzung 90
Tagesordnungspunkt Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Angriff auf Nord Stream
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