16.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 91 / Tagesordnungspunkt 8

Jens SpahnCDU/CSU - Stromversorgungssicherungsgesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir legen dem Deutschen Bundestag heute den Entwurf für ein Stromversorgungssicherungsgesetz vor. Dabei geht es in diesen Beratungen auch um die Frage, ob Sie eine konstruktive Regierung sind. Dazu eine kleine Rückschau.

Ziemlich genau vor einem Jahr, am 17. März 2022, haben wir hier ein Konzept für eine sichere, bezahlbare und souveräne Energieversorgung in der Krise vorgelegt. Wir haben Sie damals zum Weiterbetrieb der Kernkraftwerke aufgefordert, dazu, die Umsatzsteuer auf Gas zu senken, dazu, den Spitzenausgleich zu verlängern und die Bioenergie zu nutzen. Für fast alle diese Vorschläge haben Sie uns hier erst heftig kritisiert; viele davon haben Sie dann aber später umgesetzt – nur leider zu spät, zu langsam und zu halbherzig. Ich hoffe, dieses Mal machen Sie es anders, um Deutschland gut für den nächsten Winter vorzubereiten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Kruse [FDP]: Sie war gut!)

Doch ich habe da so meine Zweifel; denn Sie scheinen dem Präventionsparadox zu erliegen: Weil die Vorsorge einmal geklappt hat, war sie vielleicht gar nicht nötig. Was Sie für den nächsten Winter nicht sehen oder nicht sehen wollen, ist, wie schnell sich die Lage wieder ändern kann: beim Wetter, beim Verbrauch, bei den französischen Kernkraftwerken, bei dem Volumen der chinesischen Nachfrage nach LNG, bei den Gaspreisen am Weltmarkt. In der Krise gilt: Haben ist besser als Brauchen. Für LNG-Gas beherzigen Sie diesen Ansatz, das ist richtig, da sind Sie pragmatisch – an anderer Stelle nicht.

Daher wird diese Beratung auch ein Testfall für Ihre Klimapolitik. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Kollegin Dröge hat gerade gefragt, wo denn unsere Vorschläge sind. Es gibt viele. Ein konkreter Vorschlag für klimaneutrale Stromversorgung in der Krise ist es, die klimaneutralen Kernkraftwerke länger laufen zu lassen. Kernkraft ist Klimakraft in dieser Zeit. Sie dagegen wollen lieber die Kohlekraftwerke länger laufen lassen. Das ist ein entscheidender Unterschied.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die drei Kernkraftwerke, die 2021 abgeschaltet worden sind, sind zum großen Teil durch fossile Energieträger ersetzt worden.

(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Am Thema vorbei!)

Die Wahrheit ist: Genauso wird es bei den drei Kernkraftwerken sein, die am 15. April abgeschaltet werden. Sie werden durch Kohle und Gas ersetzt werden. Ab dem 15. April 2023 ist diese Koalition endgültig die Kohlekoalition, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist die Wahrheit, wenn wir uns die Lage anschauen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kathrin Henneberger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat noch mal die Erneuerbaren ausgebremst?)

Das ist eigentlich ein Treppenwitz: Der grüne Klimaminister wird zum Kohleminister; der grüne Klimaminister, diese angebliche Klimakoalition brechen seit Monaten das Klimaschutzgesetz. Sie halten seit Monaten nicht die gesetzlichen Grundlagen für den Klimaschutz ein. Wenn wir das machen würden, würden Sie hier jeden Tag vor dem Reichstag demonstrieren.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Zu Recht!)

Und jetzt, in dieser Zeit, in der Sie die Regeln sowieso schon nicht einhalten, halten Sie an der Entscheidung – Atomausstieg zum 15. April – fest. Wenn es Ihnen wirklich um das Klima ginge, würden Sie in der jetzigen Krise die drei Kernkraftwerke länger laufen lassen, mindestens bis Ende 2024, statt immer mehr dreckige Kohlekraftwerke zurück ans Netz zu holen. Selbst alte DDR-Kohlekraftwerke holen Sie zurück ans Netz. Sie ändern das Bundesimmissionsschutzrecht, damit diese Werke wieder größere Mengen an Kupfer, Blei, Quecksilber, CO2 in die Luft pusten können.

(Widerspruch bei der SPD)

Lassen Sie lieber die Kernkraftwerke länger laufen statt dreckiger Kohlekraftwerke. Das wäre echter Klimaschutz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Ampel hat ein Bremsenproblem, und zwar ein doppeltes. Die Strompreisbremse bremst nicht, wo sie soll: beim Preis. Aber andersrum bremst sie Investitionen da, wo sie es nicht soll. Die Bedingungen sind so ausgestaltet, dass weite Teile der Wirtschaft, der Industrie, der Unternehmen die Strompreisbremse nicht in Anspruch nehmen können oder wollen. Dann werden Nachbesserungen angekündigt, dann gibt es eine Absage aus Brüssel. Deswegen braucht es kurzfristige Entlastungen beim Strompreis.

Wir haben von Frau Dröge gerade gehört, dass alles mit Strom betrieben werden soll, etwa Wärmepumpe, Elektromobilität. Vielleicht sollte Strom dann auch bezahlbar sein, damit die Menschen überhaupt eine Chance haben, diesen Weg mitzugehen.

(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen doch alles teurer machen!)

Deswegen ist es das Mindeste, jetzt, in dieser Krise, bei den hohen Strompreisen die Mehrwertsteuer auf Strom und damit die Stromsteuer zu senken, damit Strom bezahlbarer wird für die Verbraucher, aber auch für die Industrie in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU – Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie mal zurzeit in Strompreisvergleichsportale!)

Außerdem – das ist ein letzter, wichtiger Punkt in unserem Gesetzentwurf – scheitert Ihre Abschöpfung von sogenannten Zufallsgewinnen. Die Energieerzeuger klagen; die Umsetzung funktioniert nicht; die Einnahmen werden minimal. Vorsichtshalber sagt der Minister schon mal, diese Maßnahme werde nicht verlängert. Gleichzeitig aber herrscht so viel Verunsicherung bei Investoren, dass gerade kaum jemand in Erneuerbare oder in Gaskraftwerke investiert.

(Timon Gremmels [SPD]: Durch die Laufzeitverlängerung wächst die Unsicherheit noch mehr!)

Alle Ausschreibungen für Erneuerbare sind im Moment massiv unterzeichnet, weil Sie mit Ihrer Abschöpfung von Erlösen für viel Verunsicherung gesorgt haben. Deswegen: Diese Strombremse muss weg. Diese Bremse für Erneuerbare muss weg. Und deswegen schlagen wir in unserem Gesetzentwurf vor, diesen Absatz einfach zu streichen, damit wieder Sicherheit für Investitionen in die Stromerzeugung entsteht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt sollen wir die Strompreisbremse abschaffen?)

Jetzt ist die Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland auf den nächsten Winter vorzubereiten. Wir bitten Sie dieses Mal um konstruktive Beratungen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Dr. Nina Scheer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551716
Wahlperiode 20
Sitzung 91
Tagesordnungspunkt Stromversorgungssicherungsgesetz
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