16.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 91 / Tagesordnungspunkt 13

Marc HenrichmannCDU/CSU - Demokratiefördergesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An Pathos wird in dieser Debatte ja nicht gespart. Man hat den Eindruck, die Zivilgesellschaft ist ein fester Begriff, und der wird sozusagen insbesondere im Spektrum des linken Teils dieses Hauses verortet.

(Sönke Rix [SPD]: Das versuchen Sie ja immer!)

Wenn man sich mal die genannten Feuerwehren und Sportvereine anschaut, dann stellt man fest: Die kommen gar nicht in den Genuss dieses Gesetzes, jedenfalls nicht ohne Weiteres.

(Sönke Rix [SPD]: Stimmt doch gar nicht! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es kommt darauf an, was sie vorschlagen!)

So warnt denn auch ein renommiertes Politmagazin vor der „Demokratie der Lemminge“: Politische Vorfeldorganisationen linker Parteien mögen auf Kosten der Allgemeinheit abgesichert werden, von staatlicher Finanzierung abhängig gemacht und das Mitspracherecht des Parlaments ausgehebelt werden. – Ich finde, mit diesem Vorwurf muss man sich auseinandersetzen.

(Martin Gassner-Herz [FDP]: Haben Sie das Gesetz gelesen? Das steht alles gar nicht drin!)

Das hier ist wieder so ein politisches Labeling, wie wir es leider häufiger beobachten. Wer sollte schon gegen einen Begriff wie „Demokratieförderung“ sein?

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Genau!)

Man muss sich aber mal die Mühe machen, genauer hinzuschauen; denn dann stellt man fest: Wir brauchen dieses Gesetz nicht;

(Beifall bei der CDU/CSU)

denn schon mit dem bisherigen Zuwendungsrecht können die Ziele dieses Gesetzes erreicht werden, von der Umsetzung bis zur Evaluation. Die langfristige Förderung wird immer genannt. Vergessen wird, dass es auch da haushalterische Aspekte gibt. Der Finanzminister will offenbar 70 Milliarden Euro einsparen und nicht alle Wünsche seiner Kabinettskollegen erfüllen. Wird der Haushaltsansatz gekürzt, wird auch ein Teil der Projekte nicht mehr ausfinanziert sein. All das muss man berücksichtigen.

Außerdem haben wir schon jetzt Pluralismus in der politischen Bildung. Ich nenne mal die Bundeszentrale für politische Bildung mit ihrer weltanschaulichen Neutralität.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die macht doch völlig andere Arbeit als das, was hier gefördert werden soll! Meine Güte! Lesen Sie doch mal den Gesetzentwurf durch!)

Ihr obliegt die Einhaltung des sogenannten Beutelsbacher Konsenses mit dem Überwältigungsverbot. Das heißt, man lässt dem Menschen sozusagen den Weg zum Erkenntnisgewinn einigermaßen frei und zeigt alle Alternativen auf. Unsere Sorge ist, dass Sie es sich hier so einrichten, dass Sie angenehme und auch freundliche Organisationen außerhalb der parlamentarischen Kontrolle unterstützen. Das lehnen wir kategorisch ab.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: Das ist doch völliger Blödsinn! Das wissen Sie genau!)

Dann gibt es noch die politischen Stiftungen. Wir sind uns, glaube ich, hier fast alle, jedenfalls die demokratischen Fraktionen dieses Hauses, einig, dass sie einen sehr guten Job machen. Schauen wir auch auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das noch nicht einmal einen Monat alt ist und sich mit den politischen Stiftungen auseinandersetzt. Das Bundesverfassungsgericht sagt: Förderung grundsätzlich ja, aber dann muss die Einrichtung, die gefördert wird – in dem Fall die Stiftung –, dauerhaft existieren und den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Blick haben und dafür ausdrücklich eintreten. Das ist der Punkt, den Sie hier total ausblenden. Die sogenannte Extremismusklausel interessiert Sie nicht die Bohne. Es soll nur ein kleines Häkchen im Formular geben, nach dem Motto: Freiheitlich-demokratische Grundordnung, schon mal gehört, finden wir auch ganz okay. – Wir fordern eine ausdrückliche Bescheinigung, eine ausdrückliche Äußerung, dass geförderte Projekte auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Ohne die geht es nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ihr Selbstbewusstsein ist schon ein bisschen drollig. Die Gesetzgebungskompetenz wird hier kraft Natur der Sache bei der Bundesregierung gesehen. Sie bescheinigen sich und Ihrem Gesetz einen eindeutig „überregionalen“ Charakter. Das ist ein bisschen selbstermächtigend. Sie schreiben sich hier Kompetenzen zu, was andere, glaube ich, kritisch sehen.

Sie gehen mit der Brechstange an den Pluralismus in der politischen Bildung. Die Zahlen aus dem Jahr 2022 zeigen, dass Sie überwiegend Programme gegen Rechtsextremismus unterstützen – es waren 472 –, sicherlich zu Recht, aber nur 125 gegen Linksextremismus und 222 gegen islamistischen Extremismus. Auch hier sehen wir eine Unwucht. Ohne parlamentarische Kontrolle sehen wir hier ein großes Problem.

Das Problem ist: Es fehlt Vertrauen. Es wird mit niemandem offen über die Partner kommuniziert. NGOs und Förderberechtigte arbeiten offenbar an den Förderbestimmungen mit. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wäre es ein Unternehmen, würden alle „Lobbyismus“ rufen. Hier ist das ganz normal. Und da vermuten manche Menschen eben, dass eine politische Agenda dahintersteckt. Das Problem ist doch – und das sehen wir –: Es ist Misstrauen in den Rechtsstaat und in staatliche Institutionen entstanden, und das kriegen Sie nicht mit irgendeinem Programm weg, sondern in erster Linie durch das Benennen von Problemen.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Sie da machen, ist echt gefährlich!)

Ich nenne die Migrationspolitik als Beispiel. Wenn Meldungen aus der Mitte dieses Hauses kategorisch in den rechten Bereich verschoben werden, dann muss man sich nicht wundern, wenn viele Menschen da draußen, auch Landräte von Grünen und SPD, sagen: Ich fühle mich nicht mehr wahrgenommen. – Das ist doch das wahre Problem für die Demokratie in unserem Land, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Gereon Bollmann [AfD])

Das Selbstbestimmungsgesetz ist angesprochen worden. Wenn Menschen, die sich positionieren und sagen: „Ich habe da Probleme“, auch Frauenverbände oder transsexuelle Personen, von der Bundesministerin in einem Tweet pauschal als reaktionär und menschenverachtend betitelt werden, dann ist das schräg.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen sie nicht! Genau das Gegenteil! Die Stellungnahmen der Frauenverbände sind klar!)

Man hat das Gefühl, Probleme würden einfach nicht mehr benannt. Deswegen brauchen wir ziemlich sicher kein Demokratiefördergesetz, sondern erst mal ein Vertrauenwiederherstellungsgesetz. Das fehlt uns hier völlig. Eine Verbeamtung der Zivilgesellschaft – unser Parlamentarischer Geschäftsführer Thorsten Frei hat das Urheberrecht auf diese Formulierung –, die durch dieses Gesetz zu befürchten ist, wollen wir nicht. Wir lehnen es ab, sind aber durchaus bereit, über den weiteren Weg mitzudiskutieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht ein Wort zu rassistischen Anschlägen! Kein Wort zum Mord an Walter Lübcke! Nichts, nichts, nichts! Erbärmlich!)

Der nächste Redner ist Felix Döring für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551849
Wahlperiode 20
Sitzung 91
Tagesordnungspunkt Demokratiefördergesetz
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