Carl-Julius CronenbergFDP - Arbeitsbedingungen von Saisonbeschäftigten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schülerinnen und Schüler von der Sekundarschule am Eichholz in Arnsberg! Wir beraten heute Abend den Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Ausbeutung von Saisonbeschäftigten verhindern“. Ich möchte mal schwer hoffen, dass diese pauschalierende Überschrift nicht der Annahme Ausdruck verleiht, dass Ausbeutung von Erntehelfern durch deutsche Landwirte die Regel ist.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Schwere Regelverstöße sind die Ausnahme; aber dass es überhaupt zu Missständen kommt, ist schlimm genug.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke, Sie stellen fest, dass Menschen mit geringen Deutschkenntnissen besonderen Ausbeutungsrisiken ausgesetzt sind, und leiten daraus ab, dass der Staat deshalb auf besondere Weise in der Verantwortung stehe. Nein! Entschiedener Widerspruch. Der deutsche Staat muss ohne Ansehen der Person oder seiner Herkunft ausnahmslos und immer geltendes Recht durchsetzen. Das gehört zur DNA unseres Rechtsstaats und der sozialen Marktwirtschaft.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bemerkenswert finde ich auch Ihre stilistische Kehrtwende, die angeblich ausbeutenden Landwirte selbst als Opfer der Lebensmittelketten zu deklarieren, um dann über Verbot und Einschränkungen in der Vertragsfreiheit zu fantasieren. Das allerdings wäre der Weg zurück in die Planwirtschaft,
(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Oh, Gott, nein!)
und Planwirtschaft führt in die Mangelwirtschaft. Die Geschichte hat es bewiesen. Solch einen Unfug brauchen wir nicht noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Ist also alles in Ordnung in der Landwirtschaft? Nein, beileibe nicht. Das zeigt ja auch der aktuelle Bericht zur Landwirtschaft von Faire Mobilität. Deshalb ist es trotz aller Kritik am Antrag völlig legitim, wenn Kollegin Ferschl hier zu Beginn der Spargelsaison auf Probleme der Saisonarbeitskräfte aufmerksam macht.
(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Ich dachte, es gibt keine Probleme!)
Die Missstände konzentrieren sich – das ist schon zur Sprache gekommen – im Wesentlichen auf zwei Punkte. Das sind die Arbeitsbedingungen und der Krankenversicherungsschutz.
Zum Ersten. Es fehlt nun wahrlich nicht an Regulierung. Alle Arbeitsbedingungen müssen laut Nachweisgesetz in Schriftform vorliegen. Tun sie das immer? Eher nicht. Die Arbeitszeit muss laut Mindestlohngesetz erfasst werden. Wird sie das immer? Eher nicht. Die Unterkünfte auf den Höfen müssen der Arbeitsstättenverordnung entsprechen, Wohnungen dürfen nicht zu Wuchermieten vermietet werden. Ist das immer sichergestellt? Eher nicht. Und das ist schlimm genug. Nur, das wahre Problem ist eben nicht die fehlende Rechtsetzung, sondern es ist die fehlende Rechtsdurchsetzung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da müssen wir ansetzen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das hatte die FDP-Fraktion schon in der Fleischdebatte kritisiert. Ein Zuständigkeitswirrwarr bei den Kontrollbehörden taugt nicht. Besser ist die Bündelung in einer Taskforce. Damit könnten wir auch Erntehelfern zu einer effektiveren Durchsetzung ihrer Rechte verhelfen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Solange die Schwarzarbeitskontrolle – Bund –, der Arbeitsschutz – Land – und kommunale Ordnungsbehörden analog arbeiten, überlastet sind und getrennt marschieren, so lange wird man den schwarzen Schafen nicht beikommen können. Koordinierung ist gefragt und vor allem Digitalisierung.
Wir Freien Demokraten sind überzeugt, digitale Arbeitsverträge mit allen relevanten Arbeitsbedingungen, gerne auch mit Pflichthinweis auf Beratungsstellen, Faire Mobilität beispielsweise, und eine automatisierte KI-gestützte Überprüfung beim Zoll wären Maßnahmen, die wirklich helfen würden. So ginge Fortschritt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP)
Das zweite Problem ist der Versicherungsschutz im Krankheitsfall. Es ist Beschäftigten schlichtweg nicht zuzumuten, Arztrechnungen im Voraus begleichen zu müssen. Diese Kosten erstattet die Kasse zu Hause übrigens eventuell nicht einmal vollständig. Deshalb sorgen wir für vollen Krankenversicherungsschutz für Saisonbeschäftigte ab dem ersten Tag. So steht es im Koalitionsvertrag, und so machen wir das, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und die ILO-Konvention 184 ratifizieren wir gleich mit.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zurück zu den Erntehelfern. Viele kommen aus Rumänien. Fühlen die sich wirklich alle ausgebeutet? Zu Hause verdienen sie in der Landwirtschaft circa 600 Euro im Monat, auf deutschen Äckern schnell das Zwei- bis Dreifache, auch nach Abzug der Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Das reicht oft schon für ein kleines Glück, einen Urlaub oder das Studium der Tochter. Rumänien hat Vollbeschäftigung. Das führt zu steigenden Löhnen. Einkommen, die in Westeuropa verdient werden, ziehen auch die Löhne in Rumänien nach oben. Die Länder in Ost- und Südosteuropa schließen auf. Das heißt ein bisschen sperrig „Aufwärtskonvergenz“. Das ist doch genau das, was wir uns wünschen. Es wäre falsch, jetzt die Voraussetzungen für das Zusammenwachsen in Europa, für die Vollendung des Binnenmarkts deshalb einzuschränken oder zu verkomplizieren, weil es uns nicht gelingen will, geltende Arbeitsschutzregeln hier durchzusetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wäre grundfalsch.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss und demnächst auf frischen Spargel von der Soester Börde, von anständigen Bauern.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für die CDU/CSU erhält das Wort Mareike Lotte Wulf.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552350 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 94 |
Tagesordnungspunkt | Arbeitsbedingungen von Saisonbeschäftigten |