21.04.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 98 / Zusatzpunkt 10

Julia KlöcknerCDU/CSU - Wirtschaftsstandort Deutschland - Bürokratieabbau

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Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gegen zu viel Bürokratie sind wir ja irgendwie alle. Aber die Klagen der Wirtschaft nehmen ernsthaft zu. Es ist ja nicht so, dass Unternehmen grundsätzlich gegen jede Regulierung sind. Aber wie bei einer Schraube kommt nach „fest“ dann irgendwann „ab“.

Für jede Dokumentationspflicht hat der Gesetzgeber natürlich auch seine Begründung. Aber wir müssen doch viel mehr auch vom Anwender her denken, vom einzelnen Unternehmer. Die Addition von immer mehr Aufgaben, Auflagen, Dokumentationen und Bürokratie führt zum Kollaps, zum Wettbewerbsnachteil. Überregulierung nimmt Freiraum, Kreativität – das kostet Geld, kostet Nerven, kostet Personal und am Ende auch Wettbewerbsfähigkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so darf und so kann es nicht weitergehen. Deshalb muss diese Bundesregierung jetzt endlich ein neues Bürokratieentlastungsgesetz vorlegen. Sie haben es im Koalitionsvertrag versprochen, aber bisher ist überhaupt nichts geschehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Im Gegenteil!)

– Im Gegenteil. – Die Dichte der Regelungen, der Dokumentationen, der Doppelmeldungen wird ja nicht ohne Grund systematisch erfasst. Aber diese Erfassung muss dann auch Folgen haben.

Es ist doch absurd, wenn zum Beispiel die Salzgitter AG ganze drei Jahre und elf Mitarbeiter braucht, um einen Förderantrag überhaupt einreichen zu können. Kleine und mittlere Unternehmen können sich diese Bürokratie und diesen Aufwand überhaupt nicht leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Oder das Beispiel – vielleicht noch absurder – Temperaturmessung im Gastronomiebereich: Täglich müssen per Hand die Temperaturen von Kühlschränken erfasst und ein Jahr aufbewahrt werden, auch wenn das Ganze mit digitaler Messung möglich wäre. Das ist Praxisferne pur; das ist nur noch kleinkarierte Gängelei. Denn das Gastgewerbe muss zusätzlich ja 125 Bürokratiepflichten erfüllen. Das kostet einen Unternehmer bis zu 60 000 Euro im Jahr, 14 Überstunden pro Woche.

(Zuruf der Abg. Leni Breymaier [SPD])

Dass Unternehmer immer mehr Buchhalter brauchen und kaum noch zu ihrem Kerngeschäft kommen, liebe Kollegen, das kann und das darf so einfach nicht weitergehen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Bartz [SPD]: Wo kommt das denn alles her?)

Ich erwarte von einem Bundeswirtschaftsminister, dass er sich genau dieser Frage annimmt. Aber der Bürokratieabbau ist in der Ampel keine Chefsache, sondern zur Nebensache degradiert worden. Denn der Normenkontrollrat und seine Koordinierungsstelle, die vorher im Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramts waren, sind mit Beginn dieser Legislaturperiode zum Bundesjustizministerium abgeschoben worden.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo ist der Justizminister überhaupt?)

Im Übrigen hat das schwerwiegende Folgen. Nach offiziell messbaren Angaben – das sind nicht unsere Zahlen; das sind die Zahlen des Normenkontrollrates –

(Leni Breymaier [SPD]: Handgemessen!)

hat der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft bereits in der kurzen Zeit seit Amtsantritt der Ampelregierung um Milliarden zugenommen. Der Anstieg fällt deutlich höher aus als in den Jahren zuvor. Es gibt immer neue, maßlose Belastungen. Beispiel Energieeffizienzgesetz: Fast in jedem Paragrafen stecken neue Dokumentations- und Meldepflichten. Und laut Statistischem Bundesamt gibt es insgesamt 12 000 Informationspflichten für die Wirtschaft, darunter 1 000 Verpflichtungen von Unternehmen, an Behörden zu berichten. Die meisten Pflichten gibt es im Energiebereich.

Wer aber die Energie- und die Klimawende dermaßen staatlich verordnen und lenken will, wer Wirtschaft und Gesellschaft in unrealistische Jahrespläne zwängt, wer laufend verbietet und Freiräume einschränkt, der braucht halt viel Verwaltung und viel Bürokratie, um seine Planerfüllung dann zu überprüfen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Wie in der Ostzone!)

Die Einzigen, die sich darüber freuen, sind die Wettbewerber im Ausland, die es nur noch amüsiert, welche Fesseln eine Bundesregierung der eigenen Wirtschaft anlegt. Deshalb kommt der Antrag der Unionsfraktion zum Bürokratieabbau genau zur richtigen Zeit.

(Stephan Brandner [AfD]: 15 Jahre zu spät!)

Unternehmen und Bürger brauchen spürbare Entlastungen gerade jetzt. Konkrete Gesetzesinitiativen der Ampelregierung? Fehlanzeige. Statt einer grundsätzlichen Überprüfung werden die Regelungen – Stichwort „Sozialgesetzbücher“ – immer komplexer. Jeden Einzelfall will diese Ampel gesetzlich regeln.

Der Staat selbst muss sich hingegen in die Pflicht nehmen. Schauen wir uns mal die Verwaltungsleistungen an. Sie müssen endlich konsequent digitalisiert werden. Das birgt erhebliches Entlastungspotenzial für die Wirtschaft. Wie sieht es aus? Ende 2022 war die Digitalisierung von erst 33 von 575 Verwaltungsleistungen flächendeckend umgesetzt.

(Maik Außendorf [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn das BMI geführt die letzten Jahre?)

Und jetzt kommt es aber: Jetzt kommt das Onlinezugangsgesetz dieses Innenministeriums. Statt Tempo zu machen, wird Druck rausgenommen. Die Umsetzungsfristen werden für den Staat gestrichen – für den Staat, nicht für den Unternehmer.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wahnsinn!)

Das ist unverschämt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit unserem Unionsantrag knüpfen wir an unsere Erfolge der vergangenen Legislatur an.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben eine Bürokratiebremse eingeführt,

(Zurufe von der AfD: Oh!)

drei Bürokratieentlastungsgesetze und ein Maßnahmenpaket für Bürokratieentlastung. Der Normenkontrollrat hatte die Höhe der Entlastungen damals mit 2 Milliarden Euro beziffert. Heute schlagen wir 22 sehr konkrete, spürbare Entlastungen vor: Aufbewahrungsfristen, Arbeitszeiterfassung, A1-Bescheinigungen, Experimentierräume, Verwaltungsleistungen, Planungsbeschleunigung. All dies steht sehr konkret in unserem Antrag. Sie reden darüber, wir legen konkret etwas vor. Das ist ein kostenloses Konjunkturpaket für unsere Wirtschaft. Machen Sie das auch! Keine Belastungen mehr, sondern „One in, two out“. Unsere Wirtschaft ist es wert, dass sie hier gefördert und nicht aus dem Land getrieben wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Sebastian Roloff.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7552914
Wahlperiode 20
Sitzung 98
Tagesordnungspunkt Wirtschaftsstandort Deutschland - Bürokratieabbau
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