Axel MüllerCDU/CSU - Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Minister Lauterbach! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Der vorgelegte Gesetzentwurf beinhaltet nur isolierte Einzelmaßnahmen, stellt keine ganzheitliche Systemverbesserung dar und auch die Versorgungssicherheit wird durch die Reform nicht verbessert.
Das sage nicht ich. Ich zitiere hier aus einer Stellungnahme des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, und der kann ich mich uneingeschränkt anschließen.
Der Gesetzentwurf ist nicht ambitioniert. Er ist ein Sammelsurium aus Einzelmaßnahmen, die in ihrer Summe nicht geeignet sind, zu einer strukturellen Verbesserung im Bereich der Pflege zu führen,
(Beifall bei der CDU/CSU)
die wir angesichts eines drohenden Pflegenotstands aufgrund leerer Kassen und mangelnden Pflegepersonals dringend benötigt hätten. Ich liefere Ihnen dafür exemplarisch fünf Belege:
Erstens. Im Entwurf wird gerühmt, dass Leistungszuschläge zur Reduzierung der von den Pflegebedürftigen zu tragenden Eigenanteile stärker angehoben werden. Solange aber beispielsweise die Umlegung von steigenden Kosten für Auszubildende zu den Pflegeleistungen gerechnet werden, kommt jede Erhöhung der Zuschüsse für die Eigenanteile nicht oder nur reduziert an. Es läuft nach dem Schema „linke Tasche, rechte Tasche“.
Zweitens. Um die beträchtlichen Kostensteigerungen bei häuslicher und stationärer Pflege abzufedern, sollen Pflegegeld und Vergütungen für Sachleistungen zum 1. Januar 2024 um 5 Prozent angehoben werden. Der Entwurf lobt sich darüber hinaus, dass ab 1. Januar 2028 – wohlgemerkt 2028! – eine Dynamisierung der Vergütung festgeschrieben wird. Diese orientiert sich allerdings an der Kerninflationsrate, das heißt ohne Lebensmittel-, ohne Energiekosten, und zwar zurückgerechnet auf die letzten drei Jahre. Damit ignoriert der Entwurf, dass die Kosten im Bereich der Pflege viel stärker und viel höher angestiegen sind. Der Minister hat das selber in seiner Rede gesagt.
Drittens. Manche Einrichtung gerät auch ins Defizit, da der gestiegene Personalbedarf oftmals und vielerorts nur noch mit Leiharbeitskräften, die weit über den üblichen Tariflöhnen eingekauft werden müssen, gedeckt werden kann. Statt nun konstruktive Vorschläge zu machen, wie man diese Auswüchse eindämmen könnte, schreibt der Entwurf fest, dass eine Vergütung nur bis zur Höhe des Tarifvertrages erfolgen kann, ändert damit aber nichts an dem Kernproblem. Er lässt die Einrichtungen damit alleine.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Viertens. Ein wichtiges Anliegen – das ist schon gesagt worden – aus dem Koalitionsvertrag der Ampel sind die Stärkung der häuslichen Pflege und die Entlastung der Angehörigen. Dies gelingt aber auch nur ansatzweise und voraussichtlich auch nur auf dem Papier. Es ist ja zu begrüßen, dass Pflegepersonen, die selbst eine Rehamaßnahme benötigen, einen Anspruch erhalten, entweder ihre Pflegebedürftigen in die Rehaeinrichtung mitzunehmen oder sie anderweitig durch die Rehaeinrichtung versorgen zu lassen. Die regelnde Vorschrift ist aber so sperrig und so bürokratisch, dass der Erfolg von vornherein fraglich ist. Der einfachere Weg – ich beziehe mich da auf die Ausführungen der Kollegin Schulz-Asche – wäre eine Verbesserung der Unterstützung bei Kurzzeit- und Verhinderungspflege gewesen, den der Referentenentwurf im Übrigen vorsah, der jetzt aber wieder gestrichen wurde.
Fünfter und letzter Punkt. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, was die Beitragsanpassungen und die Unterschiede zwischen Versicherten mit und ohne Kinder anbelangt, greift der Entwurf auf. Unter dem Strich werden dann alle Beiträge angehoben. Das verschafft der Pflegeversicherung zunächst natürlich Mehreinnahmen und auch Luft – aber nur vorübergehend. Die demografische Entwicklung und die Kostensteigerungen werden das alsbald aufbrauchen. Nach der Beitragserhöhung ist in diesem Fall vor der Beitragserhöhung, und vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum künftige Beitragserhöhungen nach diesem Gesetzentwurf durch einfache Rechtsverordnung des Ministeriums mit Zustimmung des Bundesrates vorgenommen werden sollen und nicht mehr nach der Debatte des Deutschen Bundestages mit entsprechender Beschlussfassung.
Fazit: Das Eingangszitat stimmt: Das Gesetz in seiner jetzigen Fassung bringt keine ganzheitlichen Systemverbesserungen und geht die Strukturprobleme nicht an. Ich freue mich auch auf die weiteren Beratungen. Die CDU/CSU hat das Thema Pflege schon lange entdeckt. Ich habe 2019 und 2020 mit dem damaligen Pflegebeauftragten der Bundesregierung zwei Pflegekongresse im Wahlkreis gemacht. Ich habe auch Sie, Frau Moll, eingeladen; Sie haben zugesagt, und dafür bedanke ich mich an dieser Stelle.
(Claudia Moll [SPD]: Sehr gerne!)
Ich hoffe, wir bekommen das spätestens im nächsten Jahr hin.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Heike Baehrens für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7553158 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 100 |
Tagesordnungspunkt | Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz |