28.04.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 101 / Tagesordnungspunkt 20

Mareike WulfCDU/CSU - Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade viele schöne Worte und Alliterationen über die „Weiterbildungsrepublik“ und den „Werkzeugkasten“ gehört. Ich glaube aber, unsere zentrale Herausforderung sind gar nicht unbedingt das Angebot an Weiterbildungen oder die Strukturen. Unsere zentrale Herausforderung ist, dass zu viele Menschen die Freude am Lernen im Laufe ihres Lebens verlieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sollte uns zu denken geben. Wir sollten uns aufraffen für ein Land und zu Zielen, für die es sich zu kämpfen lohnt. Wir brauchen keine müde Weiterbildungsrepublik, sondern wir brauchen eine Politik für eine kraftvolle Innovations- und Lernrepublik Deutschland,

(Beifall bei der CDU/CSU)

eine Republik, in der es gelingt, für jeden die Freude am Lernen und an der Weiterbildung lebenslang zu erhalten, ein Land, das Digitalisierung als Chance nutzt, ein Land, das in der Lage ist, die Folgen des Klimawandels und der demografischen Entwicklung zu bewältigen, das auch in den nächsten 70 Jahren die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt bleibt, bei Innovationen und Technologie weltweit Maßstäbe setzt und gleichzeitig die besten Bedingungen für all jene zu bieten hat, die zu dieser Leistung beitragen, und die Kraft hat, diejenigen zu unterstützen, die sich nicht aus eigener Kraft helfen können. Dafür lohnt sich der politische Einsatz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist richtig, was Sie sagen, Herr Minister. Der Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft löst schon einen erheblichen Weiterbildungsbedarf aus. Deshalb, sehr geehrter Herr Minister, müssen wir Sie nicht an schönen Worten, sondern eben an konkreten Vorhaben messen, und da zeigt sich: Gute Vorsätze sind nicht dasselbe wie gute und zielgerichtete Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jessica Tatti [DIE LINKE])

Laut World Economic Forum müssen 73 Prozent der Beschäftigten im Rahmen der digitalen Transformation umgeschult werden. Deshalb ist es richtig, dass die Große Koalition das Qualifizierungschancengesetz verabschiedet hat. Jedoch zeigt sich deutlich: Seit Beginn der Weiterbildungsförderung haben nur 120 000 Menschen daran teilgenommen. Deshalb muss die Weiterbildungsförderung dringend vereinfacht werden.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen wir ja! – Katja Mast [SPD]: Das haben wir auch mit dem Bürgergeld gemacht!)

Sie tun das auch mit diesem Gesetz, Herr Minister, aber nur in ganz kleinen Trippelschritten. Oder um es mit den Worten eines Unternehmers aus meinem Umfeld zu sagen: Jetzt sollte alles einfacher werden, aber verständlicher ist es immer noch nicht. – Hier braucht es mehr Mut, Herr Heil.

(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt das denn konkret? – Dr. Martin Rosemann [SPD]: Was schlagen Sie vor?)

Gleichzeitig schaffen Sie ein neues Instrument. Was die Einführung des Qualifizierungsgeldes angeht, bleiben viele Fragezeichen. Denn es ist überhaupt nicht klar, welche Lücke in der Förderung damit geschlossen wird. Die Bewertungen des Deutschen Gewerkschaftsbunds und der IG Metall in ihren Stellungnahmen in der Anhörung, Herr Minister, waren geradezu vernichtend.

(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Aha! So ist es!)

Die sagen: Das ist nicht nur zu komplex, sondern das ist für die betriebliche Praxis einfach auch unattraktiver als das, was wir schon haben. Das wird niemand in Anspruch nehmen. – Lieber Herr Minister, wenn Ihnen sogar die Gewerkschaften so ins Gewissen reden, dann müssen Sie nacharbeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Spannend ist auch, was nicht im Gesetzentwurf steht, so wie er im Parlament angekommen ist; denn hier ist sich die Ampel mal wieder nicht einig. Die vorgesehene Bildungszeit ist nach Intervention des Finanzministers wieder rausgeflogen wegen unberechenbarer Finanzauswirkungen.

Zudem scheint es zwei Konzepte zu geben. Die FDP möchte gerne ein Lebenschancen-BAföG, und die Grünen möchten gerne die sogenannte Bildungszeit. Ich kann Ihren Ansatzpunkt da durchaus nachvollziehen. Natürlich ist es sinnvoll, darüber nachzudenken, wie der einzelne Arbeitnehmer direkt zu seiner Weiterbildung beitragen kann. Aber bei aller Liebe: In einer Ära des Fachkräftemangels dem Arbeitsmarkt bis zu einem Jahr lang junge Menschen im besten Berufsalter, mit besten Qualifikationen zu entziehen, das ist Fehlsteuerung und hat mit seriöser Arbeitsmarktpolitik nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jessica Tatti [DIE LINKE])

Der Bildungszeit fehlen die Zielorientierung und der Arbeitsmarktbezug, und sie privilegiert bereits besonders gut ausgebildete Menschen. Das ist gerade keine Politik für Meisterinnen und Meister. Das ist eine Politik, um es den Mastern noch bequemer zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sehr geehrter Minister, es ist Ihnen ein liebes Ritual geworden: Sie stellen sich überall hin und erzählen, dass wir nicht nur Master, sondern auch Meister brauchen. In Ihrem Gesetzentwurf kommt die berufliche Bildung aber viel zu kurz. Und das ist nun mal unsere drängendste Herausforderung. Die Unterstützung für die duale Berufsausbildung braucht dringend ein Update. Rund 2,5 Millionen junge Erwachsene, je nachdem, welche Zahl man jetzt hier heranzieht, haben keine Berufsausbildung. Das ist erschreckend; die Zahl ist deutlich zu hoch. Gleichzeitig gab es im letzten Ausbildungsjahr für jede fünfte Stelle keinen Bewerber. Da ist doch klar: Der Staat kann weder eine Azubi-Garantie für Betriebe ausstellen noch eine Ausbildungsplatzgarantie für junge Menschen. Der Staat, der das behauptet, betreibt Etikettenschwindel. Denn der persönliche Erfolg setzt immer die Anstrengung des Einzelnen voraus. Darauf haben wir als Staat eben keinen Einfluss. Das wird auch immer so bleiben.

Ihre sogenannte Ausbildungsgarantie, Herr Minister, ist ein Bündel von Einzelmaßnahmen mit einem schönen Etikett drauf, aber ohne Konzept. Den jungen Leuten und den Betrieben wird das wenig nutzen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

zumal – das muss uns ein besonders wichtiges Anliegen sein – diese Einzelmaßnahmen nicht in der Gänze inklusiv ausgestaltet sind. Hier müssen Sie dringend nachbessern, Herr Minister. Darum bitte ich ausdrücklich.

Den Erfolg des Einzelnen kann der Staat nicht garantieren. Aber wir können denjenigen den Rück stärken, die aus eigener Anstrengung bisher keinen Erfolg haben. Und wir müssen denjenigen Mut machen, die auf dem Ausbildungsmarkt vielleicht schon den Mut verloren haben; denn jeder junge Mensch wird gebraucht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau darum geht es bei der Ausbildungsplatzgarantie!)

Lassen Sie uns deshalb ein Unterstützungsversprechen abgeben, das wir auch halten können, zu Neudeutsch eine Art Supportzusage, und zwar einen Support im Bereich der beruflichen Bildung, der Jugendliche und Betriebe wirklich unterstützt, der duale Berufsausbildung attraktiver macht, wie zum Beispiel ein systematisches Übergangsmanagement von der Schule in den Beruf, gerade auch für die schwächeren Jugendlichen und auch für diejenigen, die vielleicht eine zweite oder dritte Chance benötigen.

Lassen Sie uns dafür sorgen, dass es eine bessere Mobilität gibt, und zwar nicht nur bei der Heimfahrt, Herr Minister.

(Zuruf des Bundesministers Hubertus Heil)

– Ja, das steht drin, aber die Finanzierung einer Heimfahrt im Monat macht die duale Berufsausbildung nicht attraktiver. Das steht übrigens auch in zahlreichen Stellungnahmen zu Ihrem Gesetzentwurf.

Lassen Sie uns das Azubi-Wohnen stärker unterstützen. Bei den bisherigen Bemühungen, Ihre Bau- und Ausbauziele beim Wohnraum zu erreichen, bin ich mir nicht sicher, ob das reicht, was Sie derzeit auf die Straße gebracht haben.

Zum Abschluss nur noch ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt und, ich glaube, uns allen jenseits von parteipolitischen Reibereien am Herzen liegen sollte. Wir dürfen den jungen Menschen nicht vermitteln, dass es eine Wertigkeit oder Hierarchie bei verschiedenen Ausbildungsgängen gibt. Keine akademische oder berufliche Bildung ist besser als die andere. Jeder wird in diesem Land gebraucht. Wenn Sie hier etwas Sinnvolles auf den Weg bringen, stehen wir gerne an Ihrer Seite.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die nächste Rednerin ist schon da: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Beate Müller-Gemmeke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7553316
Wahlperiode 20
Sitzung 101
Tagesordnungspunkt Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung
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