Hansjörg DurzCDU/CSU - Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die letzten Tage waren sicherlich hart für einige fußballbegeisterte Kollegen; denn der FC Bundestag
(Zurufe: Oh! – Verena Hubertz [SPD]: Ich dachte, Bayern!)
ist als amtierender Europameister trotz Meistertrainer Felix Magath an der Seitenlinie bei der diesjährigen Europameisterschaft der Parlamentarierfußballmannschaften leider auf dem letzten Platz gelandet. Eine bittere Sache; aber so kann es im sportlichen Wettbewerb nun mal passieren: gestern noch Europameister, heute schon Schlusslicht.
(Tim Klüssendorf [SPD]: Das kennen Sie von der Bundestagswahl!)
Doch ich bin überzeugt, dass viele hier mit Leidenschaft weiter den Fußball verfolgen werden, insbesondere am kommenden Wochenende, am letzten Spieltag der Fußballbundesliga; denn – das muss ich als Bayer anerkennen – so spannend war es selten. Erstmals seit zehn Jahren könnte die Meisterschale nicht nach München gehen.
(Beifall der Abg. Verena Hubertz [SPD] und Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Offensichtlich gibt es zumindest eine Anhängerin bei der Ampel, eine Anhängerin des regelbasierten Wettbewerbs.
(Verena Hubertz [SPD]: Ich bin Lautern-Fan!)
Sollte Bayern nicht Meister werden
(Tim Klüssendorf [SPD]: Ist das hier „das aktuelle sportstudio“?)
– kommt gleich! –, dann wird das daran liegen, dass ein Konkurrent innerhalb des bestehenden Regelwerkes schlicht besser war, und nicht daran, dass der Schiedsrichter beschlossen hat, dass München trotz Beachtung aller Regeln in der vergangenen Saison mit zwei Toren Rückstand die Spiele beginnen musste. Doch auf dem Spielfeld der Wirtschaft wollen Sie genau ein solches Vorgehen künftig ermöglichen.
(Zuruf von der AfD: So ist es!)
Trägt ein Unternehmen zu oft die Meisterschale nach Hause, ist es zu erfolgreich, dann sollen durch eine Behörde Regeln geschaffen werden. Sie machen das Bundeskartellamt vom Schiedsrichter zum Spielmacher und schicken die soziale Marktwirtschaft damit vom Platz – ein grobes Foul. Von uns gibt es dafür glasklar die Rote Karte.
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)
Die Gesetzesnovelle als die größte Reform des Wettbewerbsrechts seit Ludwig Erhard zu bezeichnen, wie Sie das getan haben, Herr Bundeswirtschaftsminister Habeck, zeigt anscheinend, dass die Idee von Ludwig Erhard weder von Ihnen noch von vielen anderen in Ihrer Regierungskoalition verinnerlicht wurde. Denn die Spielregeln im Fußball und Erhards Regeln für die Wirtschaft sind durchaus vergleichbar. So schrieb er in seinem Bestseller „Wohlstand für alle“
(Otto Fricke [FDP]: Dass ihr das noch kennt!)
– ich zitiere –:
Da bin ich der Meinung, dass ebenso wie der Schiedsrichter nicht mitspielen darf, auch der Staat nicht mitzuspielen hat. Eines ist bei einem guten Fußballspiel als wesentliches Merkmal zu erkennen: Das Fußballspiel folgt bestimmten Regeln, und diese stehen von vornherein fest. Was ich mit einer marktwirtschaftlichen Politik anstrebe, das ist …, die Ordnung des Spiels und die für dieses Spiel geltenden Regeln aufzustellen.
Doch offensichtlich ist Ihnen das Aufstellen von Regeln hier im Parlament viel zu mühsam. Stattdessen schaffen Sie eine Generalklausel, mit der das Bundeskartellamt künftig die Spielregeln für bestimmte Sektoren einfach selbst bestimmen soll.
Künftig soll eine Beschlusskammer des Bundeskartellamts darüber entscheiden, ob eine Störung des Wettbewerbs vorliegt, welches Unternehmen dafür verantwortlich ist und was einem Unternehmen für Auflagen gemacht werden, damit der Wettbewerb wieder funktioniert. Von der Vorgabe über Vertragsbeziehungen bis hin zur Zerschlagung von marktmächtigen Unternehmen ist alles designt vom Bundeskartellamt – und das, ohne dass das Unternehmen gegen irgendein Gesetz verstoßen hat. Das ist ein nie dagewesener Paradigmenwechsel.
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)
Ich schätze das Bundeskartellamt sehr; aber das ist eine nie dagewesene Machtballung beim Bundeskartellamt. Sie wollen Marktmacht mit Staatsmacht bekämpfen und verschließen dabei die Augen davor, dass es nicht nur Marktversagen, sondern auch Staatsversagen geben kann. Nur so lässt sich erklären, warum die Bundesregierung auf jegliche Checks and Balances, auf jegliche Kontrollinstrumente im Gesetzestext verzichten will.
(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Das regeln die in der Familie! – Sebastian Roloff [SPD]: Das wird auch durch Wiederholung nicht wahrer!)
Doch wie viele Mitarbeiter beim Bundeskartellamt sollen eigentlich darüber entscheiden? Wie viele Mitarbeiter sind in solch einer Beschlusskammer? Ich kann es Ihnen sagen: drei.
(Verena Hubertz [SPD]: Können ja mehr werden!)
Drei Beamte sollen künftig besser wissen, wie einzelne Wirtschaftssektoren zu funktionieren haben, als der freie Wettbewerb, und das ohne jede Kontrollinstanz. Das ist anmaßend, das ist Staatsdirigismus.
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)
Dass die Grünen so ticken, überrascht nicht so sehr. Dass sich aber ausgerechnet die FDP dem auch anschließt, macht sprachlos. Wir sind sehr gespannt, wie Sie sich insbesondere im parlamentarischen Verfahren verhalten.
(Otto Fricke [FDP]: Wenn Sie sprachlos sind, ist die Rede ja jetzt zu Ende!)
Es wird immer offensichtlicher, dass es nur noch eine Stimme der sozialen Marktwirtschaft hier im Parlament gibt, und das ist die Union.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir trauen diesem Parlament außerdem deutlich mehr zu als Sie. Bisher ist es nämlich Aufgabe von uns Politikern, Spielregeln für Wirtschaftssektoren aufzustellen, in denen es keinen funktionierenden Wettbewerb gibt; so ist es beispielsweise bei den ehemaligen Staatsmonopolisten Post und Telekom der Fall. Dabei gilt eine strikte Arbeitsteilung: Wir als Parlament stellen die Regeln auf, und die Behörde setzt sie um und setzt sie durch.
Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Bundeskartellamt jetzt die Funktion des Regelsetzers mit übernehmen. Damit verlagern Sie Regelungskompetenz vom Parlament in die Exekutive. Sie schlagen hier nichts Geringeres vor als eine Teilenteignung des Parlaments. Doch Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik gehören nicht auf den Schreibtischen von drei Beamten entschieden, sondern in der Mitte dieses Hauses.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Minister Habeck spricht von der größten Reform des Wettbewerbsrechts seit Ludwig Erhard. Diese Bedeutung lässt sich aber nicht ansatzweise in der Genese dieses Gesetzes ablesen. Während die Vorgängerregierung ihre Änderungen noch mithilfe einer Wettbewerbskommission und international anerkannten Experten intensiv erarbeitet und übrigens auch öffentlich zugänglich gemacht hat, kann es der jetzigen Regierung gar nicht schnell genug gehen. Für die Verbändeanhörung nahm man sich ganze acht Tage Zeit, und hier im Bundestag soll die angeblich größte Reform der sozialen Marktwirtschaft in einem Monat durchgepeitscht werden.
Wenn Sie die Zeit für die Debatte zu diesem Gesetz schon so einschränken, wenn Sie von Ihrer Idee so überzeugt sind, dann bekennen Sie sich doch dazu! Stehen Sie doch dazu! Es schleicht sich nämlich der Verdacht ein, als wollten Sie die Debatte zu diesem Gesetz ganz bewusst gering halten.
Der Regierungsentwurf wurde wenige Tage vor Ostern durchs Kabinett gepeitscht und erst ganz kurz vor der Kabinettssitzung auf die Tagesordnung gesetzt.
(Verena Hubertz [SPD]: Ja, Mensch!)
Heute debattieren wir das Gesetzeswerk als allerletzten Punkt
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist ganz wichtig! Wichtige Tagesordnung!)
einer langen Sitzungswoche am Freitagnachmittag. Auch das zeigt die Bedeutung dieses Gesetzes für Sie.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Jede Minute Plenum ist gleich wichtig! – Zuruf von der SPD: Bei Ihnen ist keiner sprachfähig außer Ihnen!)
Zumindest bei Teilen hier in diesem Hohen Hause scheint dieses Gesetz gewisses Unbehagen auszulösen.
(Otto Fricke [FDP]: Deswegen sind ja auch so viele CDU-Abgeordnete da!)
Versteckt wird übrigens auch das eigentliche Problem, das Sie mit diesem Gesetz angehen wollen; denn das hat bis heute keiner gefunden. Wir erinnern uns: Im letzten Sommer kündigten Sie, Herr Habeck, ein Kartellrecht „mit Klauen und Zähnen“ an, weil Sie die Mineralölbranche in Verdacht hatten, dass der Tankrabatt nicht weitergegeben wird. Mittlerweile haben Wissenschaftler festgestellt, dass dies wohl nicht der Fall war. Auch das Bundeskartellamt hat keine Hinweise darauf gefunden.
(Tim Klüssendorf [SPD]: Hä? Bis zu 10 Cent nicht weitergegeben!)
Kein Vertreter der Bundesregierung, kein Vertreter der Ampelfraktionen konnte bisher eine Branche benennen, in der es derart rigide Eingriffsmaßnahmen braucht, wie Sie sie jetzt vorgeschlagen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nicht einmal für die Durchsetzung künftiger Tankrabatte ist dieses Gesetz geeignet. Der Verbraucher spart mit diesem Gesetz an der Zapfsäule keinen Cent. Die Machtballung beim Bundeskartellamt wird dem Land hingegen noch teuer zu stehen kommen; denn wir sind damit das einzige Land der Europäischen Union mit einem Kartellrecht, bei dem die Spielregeln für den Wettbewerb nicht von vornherein feststehen. Mehr Investitionsunsicherheit kann man gar nicht schaffen, und das in Zeiten einer Rezession.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich würde mich freuen, wenn wir uns am Ende der Beratung dieses Gesetzes darauf verständigen könnten, dass wir künftig so wirtschaften, wie hierzulande auch Fußball gespielt wird:
(Otto Fricke [FDP]: O Gott!)
mit klaren Regeln für einen fairen Wettbewerb, mit einem durchsetzungsstarken Schiedsrichter,
(Otto Fricke [FDP]: Und wer das meiste Geld hat, kauft alle Talente! Ist schon klar! – Gegenruf des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Und Dortmund wird Meister!)
aber nicht mit Unparteiischen, die als verdeckte Spielmacher fungieren. Als Mutterpartei der sozialen Marktwirtschaft fühlen wir uns dem Kampf für einen fairen Wettbewerb verpflichtet. Dazu braucht es ein Kartellrecht –
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
– mit Klauen und Zähnen, ja.
(Beifall der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])
Kommen Sie zum Schluss.
Aber keines mit Hammer und Sichel.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554667 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 107 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen |