26.05.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 107 / Tagesordnungspunkt 31

Tim KlüssendorfSPD - Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist das erste Mal, dass ich als Steuerpolitiker in einer wirtschaftspolitischen Debatte spreche. Zwischendurch dachte ich, ich bin im „aktuellen sportstudio“ gelandet. Aber wir sind ja doch zurück zu den Inhalten gekommen, auch wenn Sie, Herr Durz, bei den Fußballanekdoten besser aufgehoben gewesen wären.

Ich muss aber zur Kenntnis nehmen: Sie kennen sich mit Wettbewerbsstörungen aus. Nicht zuletzt deswegen haben wir das Wahlrecht verändert: damit in Bayern die CSU wieder auf die Mandate kommt, die ihr eigentlich zustehen. – Das vielleicht als kleine Anmerkung am Rande.

Nichtsdestotrotz wollte ich heute eigentlich zum DMA sprechen, weil es in der Debatte ein bisschen zu kurz gekommen ist. Wir setzen nämlich mit dieser GWB-Novelle auch den DMA um, das Gesetz der digitalen Märkte auf EU-Ebene. Das ist schon ein sehr wichtiger Fortschritt. Wir halten in der GWB-Novelle fest, dass das Bundeskartellamt nun die EU-Kommission bei der Durchsetzung der neuen Regeln unterstützen kann und dass auch die private Durchsetzung des DMA erleichtert wird. Das ist ein ganz wesentlicher Schritt, damit das Kartellrecht auch auf den digitalen Märkten handhabbar wird und der aktive Staat dort im Notfall eingreifen kann.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

Vom DMA profitieren natürlich zunächst einmal gewerbliche Nutzer, weil diejenigen Unternehmen, die auf Plattformen angewiesen sind, um ihre Produkte und Dienstleistungen anzubieten, jetzt auf ein faireres Geschäftsfeld treffen. Das ist wichtig, um marktwirtschaftliche Prinzipien überhaupt erst zu ermöglichen und hier den Wettbewerb zu stärken. Natürlich profitieren auch Start-ups – der Minister hat es gesagt –, die im Umfeld von Onlineplattformen konkurrieren und innovativ sein wollen, ohne sich dabei an unfaire Bedingungen halten zu müssen – auch ein wichtiger Schritt –, und nicht zuletzt natürlich die Verbraucher/-innen. Denn die Wahl zwischen mehr Dienstleistungen, besseren Dienstleistungen, der leichtere Wechsel von Anbietern und der direkte Zugang zu Dienstleistungen und fairen Preisen sind besonders wichtig. Auch das verstehen wir unter Verbraucherschutz.

Wichtig ist dabei: Der DMA ersetzt natürlich nicht unsere nationalen Regeln und Instrumente aus dem GWB, sondern ergänzt diese; ich glaube, das ist auch deutlich geworden. Das Kartellamt führt ja bereits Verfahren gegen digitale Plattformen auf Basis des GWB. Das ist also eine gute nationale Umsetzung, die wir hier haben.

Es ist schon viel darauf eingegangen worden, warum der mangelnde Wettbewerb tatsächlich ein Problem ist und warum wir Handlungsbedarf haben. Es wurde ja auch schon diverse Mal Ludwig Erhard zitiert. Da es möglicherweise zu antizipieren war, dass er in dieser Debatte eine Rolle spielt, habe ich das Buch des Kollegen mitgebracht, weil er aus meiner Sicht häufig falsch verstanden wird.

(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: In der SPD zum Beispiel!)

Wer jetzt der Ampelkoalition vorwirft, dass wir die soziale Markwirtschaft mit dieser GWB-Novelle beerdigen würden, den möchte ich doch noch mal an zwei Zitate erinnern, die ich Ihnen mitgebracht habe. Mit Erlaubnis des Präsidenten lese ich also vor:

Angelpunkt dieser Kartellauffassung ist meine Überzeugung, daß nur über den freien Wettbewerb die Kräfte lebendig werden, die dahin wirken, daß jeder wirtschaftliche Fortschritt und jede Verbesserung in der Arbeitsweise sich nicht in höheren Gewinnen, Renten oder Pfründen niederschlagen, sondern daß alle diese Erfolge an den Konsumenten weitergegeben werden. Das ist der soziale Sinn der Marktwirtschaft, daß jeder wirtschaftliche Erfolg, wo immer er entsteht, daß jeder Vorteil aus der Rationalisierung, jede Verbesserung der Arbeitsleistung dem Wohle des ganzen Volkes nutzbar gemacht wird

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Deswegen senken die SPD-Verlage die Abopreise!)

und einer besseren Befriedigung des Konsums dient.

(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU])

Das ist tatsächlich der zentrale Punkt der Marktwirtschaft und vor allem der sozialen Markwirtschaft, der in vielen Märkten eben nicht mehr gegeben ist, weswegen wir ja genau diese Eingriffsmöglichkeiten brauchen. Dass nach einer Sektoruntersuchung nun nicht mehr nur ein einfacher Bericht geschrieben wird, sondern dass das Kartellamt auch in die Lage gesetzt wird, dort zu handeln, ist ein ganz wichtiger Schritt, um Ludwig Erhard und seinen Gedanken gerecht zu werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Er konkretisiert das natürlich. Ich habe dazu ein zweites Zitat mitgebracht, weil ja manchmal angezweifelt wird, dass der Staat dabei eine starke Rolle spielen soll. Diesbezüglich hat Ludwig Erhard gesagt:

Der Gesetzgeber muß also dem Problem der wirtschaftlichen Macht als einem möglichen Störungsfaktor des marktwirtschaftlichen Gleichgewichts seine besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Der Wettbewerb und die durch ihn bedingte Leistungssteigerung und Fortschrittsförderung müssen durch staatliche Ordnungsmaßnahmen sichergestellt

(Zuruf von der SPD: Aha!)

und gegenüber allen Störungselementen abgeschirmt werden.

(Verena Hubertz [SPD]: Läuft!)

Ich glaube, dieses Verständnis ist auch die Basis für die aktuelle GWB-Novelle, weil wir nämlich genau das sicherstellen: Wir stellen sicher, dass staatliche Ordnungsmaßnahmen im Notfall in Kraft treten können,

(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])

um die Leistungssteigerung und Fortschrittsförderung im Sinne des Wettbewerbs zu unterstützen. Deswegen ist diese GWB-Novelle nicht nur angesagt, sondern sie erweitert auch tatsächlich das Grundgesetz der sozialen Marktwirtschaft, das, was Ludwig Erhard in seinem Buch „Wohlstand für Alle“ schon niedergeschrieben hat. Denn am Ende dient die gesamte Wirtschaft doch einem Ziel: dass tatsächlich alle davon profitieren und nicht nur die großen Unternehmen, die ihre Gewinne an die Aktionäre weitergeben.

Dafür sorgen wir. Deswegen bitte ich Sie auch um weiter positive Begleitung dieser GWB-Novelle und wünsche uns allen viel Erfolg bei der weiteren Beratung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554676
Wahlperiode 20
Sitzung 107
Tagesordnungspunkt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
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