Alexander ThromCDU/CSU - Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Thomae, Sie wollen sich den 8. Juni im Kalender anstreichen, der Tag, an dem der Beschluss gefasst wurde. Doch der Beschluss ist nicht gefasst worden wegen der deutschen Bundesregierung, sondern trotz der deutschen Bundesregierung, trotz Frau Faeser.
(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Sie haben in der Koalition eine Verhandlungsstrategie dazu festgelegt, wo Sie den Vorschlag der Kommission abschwächen wollen, verwässern wollen. Keinen einzigen dieser Punkte konnte Frau Faeser auf EU-Ebene durchsetzen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch gut so!)
Dieser Beschluss ist zustande gekommen, weil die anderen europäischen Länder hartnäckig geblieben sind gegen die deutsche Bundesregierung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie waren und sind in der Migrationspolitik auf europäischer Ebene isoliert. Das hat man spätestens daran gemerkt, dass Frau Faeser noch an dem Abend, als dieser Kompromiss gefunden wurde, gesagt hat, man werde ihn wieder auflösen, wieder aushöhlen, wieder abschwächen. Das ist keine verantwortungsvolle Politik. Und man erarbeitet sich auch kein Vertrauen bei den anderen europäischen Staaten, wenn man das, was man gerade beschlossen hat, hinterher wieder auflösen will.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen, weil Sie Ihre Positionen auf EU-Ebene nicht durchgesetzt bekommen haben,
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind im Verfahren auf europäischer Ebene! Das haben alle Mitgliedstaaten gesagt!)
haben Sie jetzt auch wieder Krach in der Koalition. Dieses Mal ist aber nicht die FDP der Störenfried, die Grünen sind seit dem vergangenen Donnerstag geradezu paralysiert, sie sind ja fast in Auflösung begriffen. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dann war das die Rede des Kollegen Pahlke hier gerade.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen haben wir ein spannendes Wochenende bei den Grünen vor uns; ich werde es sehr genau beobachten.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schalten Sie ein!)
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie hier von Haft sprechen, dann übertreiben Sie, dann überziehen Sie und lenken in der Tat die Menschen auf einen falschen Pfad. Wenn Herr Kollege Pahlke uns Unchristlichkeit vorwirft, dann überschreitet er die Gepflogenheiten zwischen demokratischen Parteien.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Diese Äußerung hier war unverantwortlich.
Und, Herr Kollege Pahlke, es gibt noch Vernünftige bei den Grünen, sogar einen Ministerpräsidenten. Ministerpräsident Kretschmann, der bis vorvergangenes Jahr im Zentralkomitee der Katholiken war,
(Zuruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
war gestern Abend bei Herrn Lanz und hat dort gesagt: „Die Leute können ja zurück. Das ist doch keine Haft.“
(Beifall bei der CDU/CSU – Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das gefällt Ihnen!)
Das ist vielleicht ein bisschen zynisch, aber in schwäbischer Nüchternheit ist diese Aussage schlicht richtig.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Und das Außengrenzverfahren, ja, es kann ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung irregulärer Migration sein; denn es gibt kein Völkerrecht, das irreguläre Migration schützt. Bei den Personen, die Sie jetzt in dieses Außengrenzverfahren bringen wollen, handelt es sich um Personen aus Ländern mit einer Anerkennungsquote von bis zu 20 Prozent, also Fälle, bei denen eine Wahrscheinlichkeit von mindestens – Herr Kollege Pahlke, das ist Mathematik – 4 : 1 besteht, dass sie kein Einreiserecht nach Europa haben. Und um nichts anderes geht es in dem Außengrenzverfahren. Dann gibt es ein rechtsstaatliches Verfahren, das klärt, ob diese Wahrscheinlichkeit als Beweis des ersten Anscheins tatsächlich gegeben ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Warum machen wir das überhaupt? Wir machen das deshalb, weil wir Leid mindern wollen, weil wir nicht wollen, dass die Menschen im Mittelmeer oder in der Sahara sterben.
(Zuruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])
Wir wollen, dass es langfristig einen Lerneffekt gibt, dass man, wenn man keine Chance hat, nach Europa einzureisen, sich auch nicht auf diesen gefährlichen Weg macht.
Jetzt wollen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, Familien mit Kindern hier generell aus diesem Kompromiss herausverhandeln. Dadurch entsteht doch aber ein anderer Lerneffekt bei den Menschen: Ich muss mit Kindern diese gefährliche Reise machen, dann habe ich eine Chance, nach Europa einzureisen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Und das können Sie doch nicht wirklich ernsthaft wollen. Wer Ordnung und Steuerung, auch Schutz von Menschen will und Leid mindern will, der muss das Außengrenzverfahren möglichst effektiv anwenden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage von Frau Bünger zulassen?
Von wem bitte?
Von Frau Bünger von der Linken.
Ja, immer. Gerne.
Die Jungs hier in der ersten Reihe bei den Linken – wenn ich das mal so sagen darf –:
(Zuruf: Was ist das für eine Wortwahl?)
Eure Kollegin braucht freie Bahn. – Das darf ich wahrscheinlich nicht so sagen. „ Die Herren“, wollte ich eigentlich sagen.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das war sexistisch!)
Frau Bünger, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wir haben ja auch schon sehr viel im Innenausschuss darüber gesprochen. Und ich war sehr erschüttert, als ich die Position der Union wahrgenommen habe. Sie haben sich wirklich vehement dafür eingesetzt, dass die Koalition doch dafür sorgen soll, dass auch Kinder regelmäßig in Haft an den Außengrenzen kommen sollen. Ich weiß nicht, ob Sie auch Familie mit Kindern haben, aber ich frage Sie, wie Sie das in Einklang mit der UN-Kinderrechtskonvention bringen wollen, dass Kinder in Haft kommen,
(Thomas Ehrhorn [AfD]: Das ist doch Unsinn!)
wo doch die UN-Kinderrechtskonvention ganz klar regelt, dass man Kinder aus migrationspolitischen Gründen nicht inhaftieren darf.
(Beifall bei der LINKEN – Thomas Ehrhorn [AfD]: Verdrehung der Tatsachen! So ein Unsinn!)
Liebe Frau Kollegin Bünger, ich versuche es ein zweites Mal: Erstens. Das sind keine Hafteinrichtungen, das sind Zwischeneinrichtungen, wo für eine gewisse Zeit geprüft wird, ob eine Einreisemöglichkeit, eine Einreiseberechtigung besteht oder nicht für den Personenkreis, der von diesem Außengrenzverfahren umfasst wird. Und das sind nun mal Menschen, die aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von maximal 20 Prozent kommen.
(Clara Bünger [DIE LINKE]: Es sind trotzdem Menschen!)
– Das sind Menschen.
(Clara Bünger [DIE LINKE]: Und Kinder!)
Noch mal: Aber wie bei jedem anderen Grenzverfahren auch, wenn Sie in ein anderes Land reisen, nicht gerade innerhalb der Europäischen Union,
(Clara Bünger [DIE LINKE]: Die Kinderrechtskonvention gilt für alle! – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn sie aus einem sicheren Drittstaat kommen, dann ist das unabhängig von der Anerkennungsquote!)
müssen Sie nachweisen, dass sie einen berechtigten Grund haben, in dieses Land einzureisen – sei es als Tourist, sei es beruflich oder eben auf Dauer.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch falsch!)
Diese Menschen wollen auf Dauer nach Europa. Insofern ist es das gute Recht auch der Europäischen Union und jedes Staates, zu klären, ob dieses Einreiserecht besteht.
(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Ja!)
Jetzt sprechen wir über Familien, insbesondere solche mit Kindern. Wir machen dies auch – ich habe es gerade erklärt –, um zu verhindern, dass Menschen sich auf einen gefährlichen Weg begeben. Wir haben es erst diese Woche leider wieder erleben müssen vor den griechischen Inseln. Deswegen muss es dort einen Lerneffekt geben. Das wollen wir doch alle, dass sich Menschen nicht auf diesen gefährlichen Weg machen, wenn sie eigentlich keine Bleibeperspektive in Europa haben.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer entscheidet das denn? Sie? Oder die Anerkennungsbehörde?)
Deswegen machen wir dieses Verfahren. Nur, wenn wir jetzt wieder einzelne Personen – auch Kinder – davon ausnehmen, dann ist der Lerneffekt in den Herkunftsstaaten,
(Clara Bünger [DIE LINKE]: Der Lerneffekt, aber die Kinderrechtskonvention gilt ja trotzdem! Sie können doch nicht auf dem Rücken der Kinder Ihre Politik betreiben!)
wo es keine Bleibeperspektive oder Einreiseperspektive nach Europa gibt, genau der umgekehrte: Man nimmt ein Kind und macht sich auf diesen Weg. – Das kann wirklich niemand, der Menschlichkeit will, wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])
Es gibt aber noch einen zweiten großen Baustein in diesem Paket. Der heißt: verpflichtender Solidaritätsmechanismus. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist wirklich Lug und Trug gegenüber der Bevölkerung und allen, die das interessiert. Ich habe die Pressemitteilung des Rates hier im Original vom 8. Juni – ich zitiere –:
Es liegt im uneingeschränkten Ermessen der Mitgliedstaaten, welche Form der Solidarität sie leisten. Kein Mitgliedstaat wird jemals verpflichtet sein, Übernahmen vorzunehmen.
Es gibt keine Verpflichtung zur Verteilung. Es gibt kein angemessenes System, das zum Schluss Deutschland entlasten wird. Und diesem Kompromiss –
Herr Kollege.
– haben Sie als Ampel zugestimmt. Das schadet Deutschland und nützt nicht Deutschland.
Herr Kollege.
Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als Nächstes redet die Kollegin Gülistan Yüksel für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554856 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 109 |
Tagesordnungspunkt | Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems |