Stefan NackeCDU/CSU - Aktuelle Stunde: Tarifverträge in der Windradbranche
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der von der Linken beantragten Aktuellen Stunde sind drei Themenfelder verknüpft. Es geht erstens um die Energiewende und den Prozess der Transformation unseres Wirtschaftens, zweitens um das Thema der nicht ausreichenden Tarifbindung und schließlich drittens um den nun schon über 100 Tage andauernden Streik beim dänischen Windkraftunternehmen Vestas um einen Haustarifvertrag.
Zwei Anmerkungen vorweg: Zum einen finde ich es schon ein wenig fragwürdig – das ist auch schon zum Ausdruck gekommen –, dass wir in diesem Hause über einzelne Firmen debattieren. Zum anderen war die Stärke der alten Bundesrepublik die Sozialpartnerschaft in der damals dominanten Montanindustrie. Die Transformation unserer Wirtschaft unter den Vorzeichen von Dekarbonisierung, Digitalisierung und demografischem Wandel wird nur dann dauerhaft erfolgreich sein, wenn die Technologie nachhaltiger wird und zugleich die Arbeitsprozesse auf Vertrauen, Verlässlichkeit und konstruktive Zusammenarbeit ausgelegt werden. Tarifverträge sind dafür das zentrale Instrument.
Erstens zur Energiewende und zum aktuellen Transformationsprozess. Natürlich brauchen wir den Ausbau der regenerativen Energien. Dabei besteht Einigkeit, dass der Ausbau der Windenergie drei Dinge erfordert: mehr Fläche, schnellere Genehmigungsverfahren und natürlich ausreichend Fachkräfte, die die Anlagen entwickeln, herstellen, aufstellen und warten. Studien sprechen von mehreren Zehntausend Menschen, die für die Arbeit an der Energiewende gebraucht werden. Damit die Wärmepumpen von Herrn Habeck keine indirekten CO2-Schleudern bleiben, muss der Kohlestrom dringend ersetzt werden, und zwar nicht durch Importe von Atom- oder Kohlestrom aus dem europäischen Ausland.
Zweitens: Tarifbindung. Meine Damen und Herren, gerne weise ich darauf hin, dass am letzten Wochenende der Bundesausschuss der CDU Deutschlands – das ist der kleine Parteitag – einen gemeinsamen Antrag von Mittelstandsvereinigung und Sozialausschüssen angenommen hat, in dem die Stärkung der Sozialpartnerschaft und der Tarifbindung erneut gefordert werden.
(Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir kommen darauf zurück!)
Dass Tarifverträge passgenaue Vereinbarungen in den unterschiedlichen Lagen ermöglichen, dass ihre Allgemeinverbindlichkeit gestärkt werden soll, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Bieter sich an allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge halten müssen, dass wir mehr gesetzliche Öffnungsklauseln schaffen wollen, damit die Tarifpartner mehr eigene Gestaltungsmöglichkeiten haben, und vieles mehr, ist brandaktuell und erneut die Beschlusslage der CDU, der Partei der sozialen Marktwirtschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Viele Sozialpolitiker der Union haben maßgeblich an der bundesdeutschen Kultur der Sozialpartnerschaft mitgearbeitet. Und wenn seit 2016 die Genossenschaft als Idee und Praxis der Organisation gemeinsamer Interessen auf die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes genommen wurde, wird es Zeit für einen Antrag, der das in Deutschland besonders gepflegte und zu schützende Kulturgut der Sozialpartnerschaft berücksichtigt. Das wäre mal einen Vorschlag.
Gutes Beispiel ist, dass es bei Siemens Gamesa, einem Konkurrenten von Vestas, einen Flächentarifvertrag gibt und dass die Arbeitnehmerseite beim Zusammenschluss des deutschen Unternehmens Siemens mit dem spanischen Unternehmen Gamesa diesen Tarifvertrag zur Bedingung gemacht hat. Er setzt wichtige Standards in der noch jungen Windbranche. Man sieht: Es geht eben doch.
Damit drittens zum dänischen Unternehmen Vestas, das seit 1979 Windräder baut. Laut Informationen der Website unternehmer.de von gestern liegt der Unternehmenswert von Vestas bei 27 Milliarden Euro. Bei Vestas Deutschland arbeiten rund 1 700 Menschen. 15 Prozent dieser Belegschaft streiken seit Monaten für einen Haustarifvertrag, der zwischen IG Metall und dem Unternehmen ausgehandelt werden soll. Es stehen der Vorwurf einer unzuverlässigen Verhandlungsführung seitens des Unternehmens im Raum wie auch die Klage, dass das Unternehmen Streikbrecherprämien zahle. Das will ich nicht weiter kommentieren. Ich will aber festhalten, dass die neue Windenergiebranche und auch ausländische Investoren die Vorteile unserer Kultur einer verlässlichen Sozialpartnerschaft erkennen sollten. Nur gemeinsam werden Unternehmen, Belegschaften und andere regionale Stakeholder nachhaltig profitieren. Bei allem entstehenden Goldfieber gilt weiter: In der Transformation der deutschen Energiewirtschaft ist eben mehr zu leisten als bloßes Monopoly-Spiel.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion hat nun Sebastian Roloff das Wort.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7555934 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 113 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Tarifverträge in der Windradbranche |