06.07.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 115 / Zusatzpunkt 4

Melanie WeglingSPD - Wettbewerbsfähigkeit im int. Steuerwettbewerb

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Union, aus welchem Paralleluniversum stammt denn diese Anfrage? Wie kommen Sie darauf, dass Unternehmensteuern gerade das wichtigste Problem für die Betriebe in Deutschland seien?

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Weil das in der Antwort steht!)

Waren Sie mal in Ihren Wahlkreisen unterwegs? Ihre Fragen sind nämlich so weit an der Realität vorbei gestellt, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sie haben keine Antworten, dann sind die Fragen schuld!)

Der vorliegende Fragenkatalog offenbart, dass die Union nicht in der Lage ist, komplexe ökonomische Zusammenhänge zu verstehen. Vergeblich sucht man hier nach der Wirtschaftskompetenz, für die sich die Fraktion doch sonst so gerne rühmt.

Substanzlos, Herr Brehm, ist lediglich Ihre Anfrage.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Markus Herbrand [FDP] – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das steht ja in der Antwort Ihrer Bundesregierung!)

Da wird ein Bündel von Standortfaktoren aufgeführt, die die Wettbewerbsfähigkeit beeinflussen: Bürokratie, Innovationsbereitschaft, Energiekosten und Fachkräftemangel. Doch was bleibt übrig? Allein die Forderung nach Steuersenkungen, als wären sie das Allheilmittel gegen jegliche wirtschaftliche und soziale Probleme. Hier wird ganz plump ein Mythos von der Steuerhochburg Deutschland bedient, der – gucken wir uns mal beispielsweise die Erbschaftsteuer an – bei Weitem nicht der Realität entspricht.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielleicht handelt es sich aber auch um Ironie, wenn ausgerechnet die Union auf fehlende Investitionen in die Infrastruktur und steuerpolitische Reformen hinweist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Daher lassen Sie uns doch mal das Thema „Standortfaktoren und Unternehmensbesteuerung“ mit dem nötigen Blick für Komplexität und ganz ohne ideologische Verblendung und Ironie betrachten.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wie lange sitzt die SPD eigentlich schon in der Bundesregierung?)

Wenn wir über Infrastrukturinvestitionen, steuerpolitische Reformen und Standortvorteile sprechen, fällt doch Folgendes auf: Statt investieren zu wollen, will die Union meist Staatsausgaben senken. Statt eine gerechte Reform der Einkommens- und Erbschaftsbesteuerung anzuregen, wird auf die Unternehmensteuer ausgewichen. Dabei belegt der von Ihnen zitierte „Handelsblatt“-Artikel, dass in Deutschland die Gering- und Durchschnittsverdiener vergleichsweise stark und Vermögende viel zu gering besteuert werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Doch dass Deutschland für Reiche das reinste Niedrigsteuerland ist, wird in der Anfrage natürlich nicht zitiert. Diesen Trend gilt es doch eigentlich politisch umzukehren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Durch höhere Steuern, oder was?)

Ansetzen könnte man auch bei den Kommunen. Die erheben nämlich Gewerbesteuer und sind von der Höhe der Einnahmen abhängig, um ihre öffentlichen Investitionen finanzieren zu können. Wie wär’s, wenn die Union mal an einer Lösung der kommunalen Finanzausstattung konstruktiv mitarbeitet? Gehen Sie doch mal in die Wahlkreise, und sprechen Sie mit den Leuten und nicht nur mit den Klienten in Ihren Steuerkanzleien!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich mich mit Unternehmen und Organisationen in meinem Wahlkreis Groß-Gerau unterhalte, geht es immer wieder darum, was die aktuellen Herausforderungen sind. Viele möchten mehr investieren, möchten stärker wachsen. Doch was hält sie davon ab? Nicht die aktuelle Besteuerung, sondern der Fachkräftemangel. Deshalb ist es eine gute Nachricht, dass die Ampelkoalition das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen hat. Das ist ein konkreter, ein wichtiger Schritt, um die Attraktivität unseres Wirtschaftsstandorts zu verbessern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Hat die Union zugestimmt? Wohl kaum.

Beim Stichwort „Fachkräftemangel“ mache ich gerne weiter.

(Kay Gottschalk [AfD]: Sie kennen meine Rede! Danke! Schöne Vorlage!)

Außer mit mehr ausländischen Fachkräften müssen wir uns unbedingt mit einer weiteren, diesmal inländischen Reserve beschäftigen, und zwar mit den zahlreichen Frauen, die gerne mehr arbeiten würden, aber aus strukturellen Gründen darauf verzichten müssen. Mehrmals habe ich schon auf diese Problematik hingewiesen; ich mache es an dieser Stelle auch gerne noch mal. Nicht nur das DIW und die Wirtschaftsweisen sind sich einig: Stärkere Arbeitsanreize für die vielen nicht erwerbstätigen Frauen sind unverzichtbar, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und um zusätzliche Wachstumsimpulse zu generieren.

(Beifall bei der SPD)

Doch dazu brauchen wir zweierlei – und auch hier erweist sich die Union wieder als Bremsklotz –:

Erstens brauchen wir ein deutlich breiteres Angebot an Kinderbetreuung.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Sie streichen doch das Ganze gerade im Haushalt! Sie streichen das doch!)

Da sind wir wieder bei den erwähnten kommunalen Investitionen.

Zweitens brauchen wir eine seit Langem fällige Reform der Familienbesteuerung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Elterngeld weg! BAföG weg!)

Liebe Union, das wäre eine interessante steuerpolitische Stellschraube, an der man im Sinne der Verbesserung der Standortfaktoren drehen könnte. Würden Sie im Namen der wirtschaftlichen Vernunft ein solches Reformprojekt mittragen? Ich wage es zu bezweifeln.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Also bleibt es wohl dabei, dass Ihre Oppositionspolitik aus einem Paralleluniversum stammt, während wir als SPD-Fraktion und als Ampel im Hier und Jetzt sind und uns mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, mit Reformen für mehr steuerpolitische Gerechtigkeit, mit der finanziellen Entlastung von Kommunen und mit guten Investitionen in die Infrastruktur sehr viel mehr zur Stärkung des Standorts Deutschland einfällt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Markus Herbrand [FDP])

Für die AfD-Fraktion hat das Wort Kay Gottschalk.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7556135
Wahlperiode 20
Sitzung 115
Tagesordnungspunkt Wettbewerbsfähigkeit im int. Steuerwettbewerb
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