Christian DürrFDP - Gebäudeenergiegesetz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich nach der Rede des Kollegen Alexander Dobrindt den Eindruck hatte, dass die Gedanken noch nicht ganz zu Ende geführt sind, auch nicht bei der Union.
(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Die eigenen!)
Ich könnte den „Economist“ zitieren, der die Technologieoffenheit des deutschen Gebäudeenergiegesetzes lobt. Ich könnte den Präsidenten von Haus & Grund zitieren, der sagt, welch fairer und richtiger Ausgleich zwischen Mietern und Vermietern hier getroffen worden ist.
(Zuruf des Abg. Josef Oster [CDU/CSU])
Aber, ich glaube, wir müssen in dieser Stunde der Auseinandersetzung zwischen Regierungsfraktionen und Opposition auch über den Parlamentarismus reden.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, Herr Dobrindt, hatten acht Wochen Zeit, Änderungsanträge zu erarbeiten.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Thomae [FDP]: Wo sind die eigentlich?)
Herr Heilmann hat das in seiner Antwort gerade sehr richtig gesagt; Kollege Miersch hat ihn ja zitiert. Er hat gesagt: Es könnte sein, dass, wenn wir im Plenum Änderungsanträge stellen, die Regierungsfraktionen nicht zustimmen. – Ja, das kann passieren.
(Stephan Thomae [FDP]: Wenn sie nicht gut sind!)
In den letzten vier Jahren mit der FDP-Fraktion in der Opposition hat die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD auch nicht allen Änderungsanträgen der FDP-Fraktion zugestimmt.
(Timon Gremmels [SPD]: Ihr habt trotzdem welche gestellt!)
Aber als Opposition muss man trotzdem arbeiten!
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Man kann sich doch nicht zurücklehnen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist doch kein Konzept! Was ist das für eine Opposition geworden, Herr Dobrindt?
(Zuruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])
Die Empfehlung der CDU/CSU lautet: Keine Änderung des Gebäudeenergiegesetzes in Deutschland.
(Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU]: Sie haben ja nicht mal gehört, was die Experten gesagt haben!)
Die Empfehlung der CDU/CSU lautet, die Menschen mit einem alten, überholten Gesetz von vor vielen Jahren alleine zu lassen. Die Empfehlung der Union lautet beispielsweise, sich gegen Technologieoffenheit zu entscheiden. Ich weiß, dass es umstritten ist; ich will nur ein Beispiel nennen.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Totaler Unsinn!)
Kollege Dürr, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Heilmann?
Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht. Gerne, Herr Heilmann.
(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Einschätzung hinsichtlich der guten Erfahrung würde ich nicht uneingeschränkt teilen. Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
Ich wollte Sie fragen, ob Sie die insgesamt 90 inhaltlichen Fragen, die wir der Bundesregierung zu diesem Heizungsgesetz gestellt haben, überhaupt gelesen und zur Kenntnis genommen haben und ob Ihnen aufgefallen ist, dass die Bundesregierung an vielen Stellen nicht nur ausweichend geantwortet hat, sondern in einem Maße nicht geantwortet hat, dass die Bundestagspräsidentin ihre Bedenken geäußert hat. Aber noch mehr: Sie haben ausdrücklich gesagt, Sie sagen zu der neuen Vorlage nichts. Daran hätten Sie schon erkennen können, dass wir zum einen gearbeitet haben – das ist das Gegenteil von dem, was Sie uns gerade vorgehalten haben –, und zwar sehr im Detail,
(Zuruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und dass wir zum anderen die Schwachpunkte thematisieren wollen.
So funktioniert der Parlamentarismus nicht. Nicht die Mehrheit entscheidet, ob die Vorschläge der Opposition gut genug und ausreichend sind, damit es Sitzungen gibt, sondern der Parlamentarismus sieht vor, dass es solche Sitzungen gibt
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gibt es hier gerade! – Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Sitzung, an der Sie gerade teilnehmen!)
und wir uns in diesen Sitzungen – übrigens im Austausch mit Ihnen – im Detail Meinungen bilden können. Es ist nicht so, dass das Grundgesetz sagt: Erst wenn die Opposition irgendwelche Formalia einhält, müssen Sie das machen.
Nehmen Sie zur Kenntnis, dass der Ausschuss zu diesem Gesetzentwurf in der Fassung, über die wir heute abschließend beraten,
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie nehmen hier gerade an einer solchen Sitzung teil! Das hier ist eine Sitzung!)
insgesamt nur 30 Minuten getagt hat und danach nie wieder. Herr Kollege Miersch hat meine Frage nicht beantwortet, warum Sie das Verfahren so gewählt haben und warum es nicht möglich war, dass wir mehr darüber beraten können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Heilmann. Das gibt mir die Gelegenheit, der Öffentlichkeit noch mal deutlich zu machen, dass sich der Fachausschuss in zwei Anhörungen damit beschäftigt hat.
(Beifall der Abg. Franziska Mascheck [SPD] – Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU]: Nicht gelernt, nichts mitgenommen!)
Davon abgesehen sind Sie der Einzige in der CDU/CSU-Fraktion, der sich inhaltlich mit dem Gebäudeenergiegesetz beschäftigt hat.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das erkenne ich an.
Ich habe die Fragen gelesen, und ich habe mich eines selbst gefragt: Welches marktwirtschaftliche Verständnis hat eigentlich die Union? Die Herangehensweise bei den Fragen ist ja wie folgt: Herr Bundesminister, sagen Sie uns ganz genau, in welchem Jahr in welchem Sektor, Teilsektor der Gebäudeenergie wie viel CO
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das machen Sie ja! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Genau den gehen Sie gerade!)
Diese Koalition hat sich aber für Technologieoffenheit entschieden.
(Beifall bei der FDP)
Die Ziele des Gebäudesektors sind ganz klar; die sind nämlich gedeckelt. Wir werden sie nur durch Technologieoffenheit erreichen und nicht, indem klar ist, ob Frau Müller in der A-Straße in Zukunft so und so viel CO
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das glauben Sie ja selber nicht!)
Und das gibt mir, Herr Heilmann, die Gelegenheit, die Empfehlung, die Sie dem Deutschen Bundestag heute geben, noch einmal auszuführen. Die Empfehlung lautet ja, das Gebäudeenergiegesetz der Großen Koalition nicht zu ändern, es beim alten Stand zu lassen; Herr Dobrindt hat das deutlich gesagt. Ich glaube, Sie in persona haben eine etwas andere Position; aber Herr Dobrindt hat für die Unionsfraktion gesprochen. Ich will nur sagen, was das bedeutet – Kollege Miersch hat das bereits angedeutet –: Das heißt, dass wir die Menschen einfach untechnologisch und untechnologieoffen
(Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU]: „Untechnologisch“! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Was ist denn das für ein Quatsch?)
in den alten Technologien festzementieren, und das ist schlicht unsinnig. Wir dürfen die Menschen mit steigenden CO
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Was Sie erzählen, ist Unsinn! – Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht! Es gibt doch eine Förderung! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das ist wirklich humoristisch hier!)
Nur ein einziges Beispiel – das wollte ich vorhin ausführen –: In Bayern heizen über 30 Prozent der Menschen heute mit Ölheizungen. Ihre Mehrheit hat seinerzeit beschlossen, diese Heizungsform komplett zu verbieten.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Nein! Das stimmt nicht! – Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!)
Ich weiß nicht, wie in 15 Jahren die einzelnen Technologien in Deutschland aussehen. Aber ich weiß eines: Der Deutsche Bundestag sollte sich nicht die Kompetenz anmaßen, ganz genau zu wissen, in welchen Keller welche Heizung gehört. Das wissen die Menschen besser.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jens Spahn [CDU/CSU]: Richtig! Richtig! Genau! Stimmt absolut!)
Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Das ist der Unterschied!
(Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU]: Lachende Gesichter bei der SPD! – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das ist schizophren, was hier passiert!)
– Jetzt regen Sie sich nicht so auf!
Wenn man das zusammenfasst – die gleiche Debatte haben wir doch geführt, als Markus Söder seinerzeit das Verbrenner-Aus gefordert hat usw. usf.;
(Stephan Thomae [FDP]: Ja! Hat er! Genau!)
wir haben das von Ihnen alles gehört –: Sie sind nicht in der Lage, hier Änderungsanträge zu stellen.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ein sehr humoristischer Auftritt, Herr Dürr!)
Ihre Regierungszeit und das, was Sie in der Vergangenheit angestellt haben, spricht Bände: Klimaschutzziele gerissen, und technologieoffen waren Sie an der Stelle auch nicht. Diese Koalition geht nach den Änderungsanträgen aus den Regierungsfraktionen einen anderen Weg bei der Gebäudeenergieversorgung in Deutschland.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ohne Expertenberatung! Ohne Beratung im Parlament! Ohne dem Verfassungsgericht nachzukommen!)
Wir wollen Klimaschutz erreichen, wir wollen das marktwirtschaftlich machen, wir wollen das technologieoffen machen. Kurzum: Die Heizung muss zum Haus passen und nicht umgekehrt. So sollte sich der Deutsche Bundestag entscheiden.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Die Regierung muss zum Land passen! Wie wäre das denn? – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Der erzählt das Gegenteil von dem, was sie machen!)
Das Wort hat der Kollege Dr. Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7557158 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 120 |
Tagesordnungspunkt | Gebäudeenergiegesetz |