Aydan Özoğuz - Änderung des Onlinezugangsgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Euphorisch haben wir alle den historischen und, wie wir alle finden, sehr verdienten WM-Sieg unserer deutschen Basketballnationalmannschaft unter Nationaltrainer Gordon Herbert verfolgt. Wir haben uns alle gefragt: Wie hat dieser Mann, wie hat diese Mannschaft das eigentlich geschafft? Ich kann es Ihnen sagen: Der Trainer hat es unterlassen, seinen Spielern irgendwelche starren taktischen Ideen überzustülpen. Er hat verstanden: Es braucht eine Einheit, aber auch individuelle Stärken eines jeden Einzelnen. Darauf hat er gesetzt und hat gewonnen. Davon können wir viel lernen, wie ich finde, auch Sie, liebe Frau Faeser, die leider nicht bei der Diskussion da ist, was ich sehr schade finde.
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Die muss sich noch erholen vom Vormittag!)
Aber wir alle wissen, dass Digitalisierung nicht unbedingt in ihrer Priorität liegt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich finde, Sie sollten sich beim Thema Digitalisierung trotzdem eine Scheibe vom Trainer abschneiden.
(Zuruf der Abg. Dunja Kreiser [SPD])
Sie sollten die Voraussetzungen schaffen, damit die einzelnen Länder ihre Stärken einbringen können, um das große gemeinsame Ziel zu erreichen.
(Carmen Wegge [SPD]: Welche Stärken hat Bayern?)
Sie sollten die nötigen Infrastrukturen, Plattformen und Gelder für die Umsetzung bereitstellen und ansonsten die Stärken der Länder und der Kommunen nutzen, da, wo es nämlich umgesetzt wird.
Mit Ihrer bisherigen Strategie sind Sie jedenfalls krachend gescheitert. Es ist Ihnen nicht mal ansatzweise gelungen, das genannte Ziel – eine deutschlandweit flächendeckende Digitalisierung der wesentlichen Verwaltungsdienstleistungen – zu erreichen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Gabriele Katzmarek [SPD]: Stromleitungen in Bayern auch, gell? – Zuruf der Abg. Dunja Kreiser [SPD])
Das Bundesministerium wird seiner Rolle als Koordinator des OZG nicht gerecht.
Frau Ministerin, –
Ja, bitte?
– erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der FDP?
Nein, ich bin gerade so gut im Flow.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der AfD – Stephan Brandner [AfD]: Flow im Text sozusagen! Ja, ja, ja! – Gegenruf des Abg. Mike Moncsek [AfD]: Das kennt sie nicht!)
Meine Damen und Herren, die Aussage von gerade eben, dass das Bundesinnenministerium seiner Rolle als Koordinator des OZG nicht gerecht wird, ist keine Feststellung der Opposition, sondern des Bundesrechnungshofes.
Mit diesem schwachen Gesetz, das wir heute hier besprechen, dürfen wir leider nicht auf Besserung hoffen. Dabei geht es hier in der Tat um etwas Großes, nämlich um nichts weniger als die Leistungsfähigkeit unseres Staates. Unternehmen brauchen schnelle Entscheidungen. Die Bürgerinnen und Bürger brauchen einfache Prozesse. Die Kommunen brauchen dringend Entlastung. Es gibt keine Ausreden mehr; wir müssen hier ins Handeln kommen, liebe Bundesregierung. Sie müssen dieses wichtige Thema endlich ernst nehmen – als sogenannte Fortschrittskoalition.
In Bayern haben wir genau das getan: Digitalisierung hat für uns höchste Priorität.
(Gabriele Katzmarek [SPD]: Oh! Jetzt aber! Der Flow! – Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Realität in Bayern schaut anders aus! Kommen Sie mal nach Niederbayern! Dann zeige ich es Ihnen!)
Wir haben das mit der Gründung eines eigenständigen Digitalministeriums gezeigt, des ersten seiner Art in Deutschland,
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Sehr gut!)
und – das ist ja nicht alles – mit Investitionen von 5,5 Milliarden Euro, die wir in die Hightech Agenda, in Forschung und Technik gesteckt haben und damit über Bayern, über Deutschland hinaus ein großes Ausrufezeichen gesetzt haben.
Schon jetzt hat sich das Investment ausgezahlt: Bei der Verwaltungsdigitalisierung in der Fläche stehen wir in Bayern bundesweit auf Platz eins. Und keine Sorge, diese Quelle ist keine Statistik der Bayerischen Staatsregierung – die würden Sie ja sofort anzweifeln –, sondern des Bundesinnenministeriums selbst.
(Nina Warken [CDU/CSU]: Hört! Hört! – Stephan Brandner [AfD]: Die zweifele ich aber auch an, die Statistiken, die da herkommen! – Gabriele Katzmarek [SPD]: Da gibt es ja auch Gründe für! – Zuruf der Abg. Dunja Kreiser [SPD])
Denn eins ist leider sicher: Mit dem aktuellen Gesetzentwurf für die Reform des OZG werden wir in Deutschland keinen Spitzenplatz belegen.
Bei vielen Digitalisierungsprojekten ist die Finanzierung unklar oder erst gar nicht gegeben. Was macht eigentlich das Digitalbudget von Minister Wissing?
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Wer ist das?)
Keine Ahnung! Jedenfalls streichen Sie die Gelder für die gemeinsame föderale Digitalisierung der Verwaltungsdienstleistungen. Darüber reden wir ja heute.
(Carmen Wegge [SPD]: Nein! Wir reden über das OZG!)
Für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes sind im Haushalt 2024 die Mittel von 377 Millionen Euro auf 3 – ich betone: 3 – Millionen Euro runtergekürzt worden.
(Nina Warken [CDU/CSU]: Unfassbar! Unglaublich! – Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Skandal! – Dunja Kreiser [SPD]: Wo haben Sie das denn abgerufen, das Geld?)
Ein Minus von 99 Prozent ist das.
Es hilft eben auch nicht, wenn der Bundesfinanzminister meint: Es gibt ja noch Ausgabenreste. – Tja, niemand weiß ja, wie viel am Ende dabei übrig bleibt, und vor allem, wo das dann hinkommt und was damit finanziert wird.
(Dunja Kreiser [SPD]: Ja, man muss es auch abrufen, das Geld!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Digitalisierung braucht keine Restewirtschaft, sondern Planungssicherheit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Bund muss seine Aufgabe beim OZG wirklich überdenken. Für mich ist klar: Er muss die Infrastruktur, er muss die finanziellen Mittel bereitstellen, um den Ländern und Kommunen die Umsetzung zu ermöglichen. Wir in Bayern haben mit dem Unternehmenskonto und in naher Zukunft mit der Unternehmensplattform Deutschland sehr gute Lösungen und Vorschläge entwickelt und gehen da mit gutem Beispiel voran.
Aber auch Sie im Bund müssen Ihre Arbeit machen, liebe Bundesregierung, liebe Frau Faeser.
(Zuruf der Abg. Dunja Kreiser [SPD])
Sie müssen die Wirtschaft endlich stärker in den Blick nehmen. Gerade Unternehmen – das sind die Poweruser von Verwaltungsleistungen – ächzen unter der Last überbordender Melde- und Dokumentationspflichten. Sorgen Sie für einen Bürokratieabbau, der auch in der Praxis ankommt, –
Frau Ministerin, kommen Sie bitte zum Schluss.
– sonst hilft die ganze Technik gar nichts! Lassen Sie vor allem die Länder machen! Reden Sie uns nicht ständig rein!
(Dr. Volker Redder [FDP]: Reden Sie uns nicht ständig rein! Meine Güte!)
Eine Politik von oben herab bringt uns nicht weiter.
Frau Ministerin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Sie demotiviert nur diejenigen, die die moderne Verwaltung vorantreiben wollen.
Sagen Sie bitte einen letzten Satz.
Dazu wollen wir in Bayern unseren Beitrag leisten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf: Aufhören! Das ist doch kein Bierzelt hier! – Weitere Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Das kennen wir sonst nur von Herrn Farle!)
Für eine Kurzintervention erhält das Wort der Kollege Funke-Kaiser.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7578581 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 121 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Onlinezugangsgesetzes |