29.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 126 / Tagesordnungspunkt 27

Katrin ZschauSPD - Ausbildungsoffensive und Sondervermögen für Bildung

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kein Unternehmen würde so um Fachkräfte werben: Wir liegen am Boden. Die Arbeitsbedingungen und dein Arbeitsort sind so schlecht, dass du deinen Job nicht gut ausführen kannst. Es gibt keine Zuversicht. Aber bitte fang trotzdem bei uns an!

Um Lehrkräfte zu gewinnen, sind die Länder mit bundesweiten Kampagnen unterwegs, und sie geben sich damit viel Mühe. Ich will sagen: Eben weil wir als Bund nicht dafür zuständig sind und damit auch nicht die Last der Verantwortung tragen, ob die Schulen am Ende genügend pädagogisches Personal gewinnen können, sollten wir die Debatte so führen, dass Menschen weiterhin Lust auf den Lehrerberuf haben.

Liebe geschätzte Kollegin Gohlke, ich will im Folgenden nicht über die angezeigten Probleme hinweggehen. Das tun wir hier im Übrigen nie. Wir haben die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des neunten Nationalen Bildungsberichts hier im Parlament beraten. Und wir wissen, dass der Mangel an Lehrerinnen und Lehrern, Erzieherinnen und Erziehern eine der zentralen Herausforderungen für das Bildungssystem in den kommenden Jahren ist.

Ich frage mich jedoch, ob es ratsam ist, die Schule andauernd mit einem Katastrophengebiet zu vergleichen. Ich weiß, Sie tun das vor dem Hintergrund, dass Sie sagen: Schulische Bildung ist in Deutschland bezogen auf die einzelnen Landeshaushalte nicht ausreichend finanziert. – Das sehe ich auch so. Deshalb werbe ich auch für die Vermögensabgabe,

(Zurufe von der CDU/CSU)

weil wir eine kontinuierliche Finanzierung von Personal, Ausstattung und Schulbau in den Ländern brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf der Abg. Katrin Staffler [CDU/CSU])

Wir können aber keine Debatte führen und so tun, als ob gar nichts geht. Das stimmt zum einen nicht, und es hilft nicht bei der Werbung für diesen schönen Beruf. Ich halte es vor allem nicht für hilfreich, wenn die Umsetzung des politischen Wunsches Teil der Lösung in einem Antrag ist. Sie fordern in Ihrem Antrag eine Änderung des Grundgesetzes, um das Kooperationsverbot aufzuheben. Sie fordern die Bundesregierung auf, koordinierend einzugreifen, weil die Länder angeblich versagen.

Aber so einfach können wir uns das nicht machen. Erstens gibt es derzeit keine politischen Mehrheiten für eine Grundgesetzänderung, und zweitens können wir nicht, weil Ersteres nicht geht, die Hände in den Schoß legen. Nein, wir können und sollten die von den Ländern vorgeschlagenen Maßnahmen in den Blick nehmen. Und ja, das ist aufwendig, weil wir beachten müssen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen in der Regel nicht für alle Verhältnisse passend sind, und weil wir es mit verschiedenen Schularten, Bildungsgängen, regionalen Unterschieden oder Schulen mit besonderen pädagogischen Anforderungen zu tun haben.

Die Länder können es sich gar nicht leisten, zu versagen. Sie haben gemeinsame Maßnahmen angekündigt, um auf den bundesweiten Lehrkräftemangel zu reagieren. Darüber hinaus arbeitet die Ständige Wissenschaftliche Kommission im Auftrag der KMK an einem umfangreichen Gutachten zur Lehrkräftebildung und -gewinnung; spätestens Anfang 2024 soll es vorliegen. Die Länder haben jedenfalls sehr deutlich ihre eigene Zuständigkeit – sowohl verfassungsrechtlich und fachlich als auch finanziell – betont.

Zurück zur Frage der Bildungsfinanzen. Ich hoffe und gehe davon aus, dass die Länder, wenn sie zu der gemeinsamen Einschätzung gelangen sollten – Stichwort „Bundesratsinitiative“ –, nicht über ausreichend finanzielle und Steuerungsmöglichkeiten zu verfügen, das auch anzeigen werden. Warum ist das wichtig? Wir sehen, dass Schulpolitik und Verwaltung jetzt kurzfristige und mittelfristige Maßnahmen auf den Weg bringen müssen. Das entlastet jedoch nicht davon, längerfristige Strategien für Reformen des Berufs und der Lehrkräftebildung vor dem Hintergrund notwendiger Schulreformen zu entwickeln.

Eigentlich müsste zuerst klar sein, welche Schule man will; danach müsste sich die Ausbildung richten. Dafür braucht es jedoch politischen Spielraum und eine stabile Öffentlichkeit. Allein die Debatte über das Modell, das die Lehrkräftearbeitszeit in Deutschland regelt, zeigt, wie weit Positionen auseinanderliegen. Da muss man schon mutig sein, als Land allein loszulegen.

Wir sind auf Bundesebene mit dem Startchancen-Programm mutig. Warum sage ich das? Wir fordern die Länder auf, zeitnah dem Ergebnis der gemeinsamen Verhandlungsgruppe des BMBF und der Länder zuzustimmen; denn Teil dessen ist auch das ambitionierte Programmziel. Bis zum Ende der Programmlaufzeit soll die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards in Mathematik und Deutsch verfehlen, an den Startchancen-Schulen halbiert werden. Es ist neu, dass es derart konkret wird. Das muss es auch; das zeigen die aktuellen nationalen und internationalen Bildungsstudien.

Um das Programmziel zu erreichen, zeichnen sich die Startchancen-Schulen in besonderer Weise durch folgende Merkmale aus – die sind nicht überall Standard in Deutschlands Schulen –: das Bekenntnis zu datengestützter, problembewusster und lösungsorientierter Schul- und Unterrichtsentwicklung, individuelle Diagnostik und adaptive Förderung. Das meint, dass Lehrkräfte sich zu Fortbildungen verpflichten und professionelle Lerngemeinschaften gründen. Das heißt auch, dass Schulleitungen gestärkt werden. Ja, die Selbstständigkeit der einzelnen Schule soll ausgebaut und die Entscheidungsräume der Einzelschule sollen erweitert werden. Um das zu ermöglichen, gibt es das sogenannte Chancenbudget. Es braucht eine kontinuierliche und ausreichende Finanzierung von schulischer Bildung. Da sind wir noch nicht am Ziel.

Das Instrument des Sondervermögens wurde bereits genutzt, und deshalb finde ich eine Debatte dazu auch nicht abwegig. Was regeln wir derzeit bereits unter anderem auf diesem Weg? Zur Vorbereitung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung wurde ein Sondervermögen eingerichtet. Wir regeln den DigitalPakt Schule, ebenso die Sanierung, den Umbau und die Erweiterung von Schulgebäuden auf diesem Weg.

Der Haushaltsausschuss hat jedoch klargemacht, dass ein Sondervermögen in dieser Höhe derzeit nicht finanzierbar ist. Wenn überhaupt, bräuchte es hier eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Nicht alle wollen weitere Schulden aufnehmen; es geht auch um die Frage der beschränkten Steuerungs- und Kontrollrechte im Unterschied zum Sondervermögen, das nur für Aufgaben des Bundes möglich ist, wie zum Beispiel beim Sondervermögen für die Bundeswehr.

Wir lehnen aus diesen Gründen beide Anträge ab, sind uns aber im Ziel einig,

(Zuruf von der LINKEN: Entzückend!)

Mehrheiten für mehr Geld für die Bildung in diesem Land auf die Beine zu stellen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Götz Frömming, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und man weiß schon, was er sagt!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7591390
Wahlperiode 20
Sitzung 126
Tagesordnungspunkt Ausbildungsoffensive und Sondervermögen für Bildung
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