Rita Schwarzelühr-Sutter - Änderung d. BND-Gesetzes u. Nachrichtendienst-Rechts
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der demokratische Verfassungsstaat und das friedliche Zusammenleben in Deutschland werden immer wieder bedroht. Wir, die Bundesregierung, treten dem entschieden entgegen. Im vergangenen Monat haben wir beispielsweise zwei rechtsextreme Vereinigungen verboten, und das sind wichtige Erfolge. Das ist ein echter Gewinn für die Sicherheit in Deutschland.
Grundlage für solche Verbote und andere Maßnahmen ist die gute Zusammenarbeit unserer Sicherheitsbehörden im Bund und auch in den Ländern. Unsere Nachrichtendienste sind dabei unverzichtbar, und das hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatzurteil im letzten Jahr bestätigt.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Welches von den beiden?)
Ja, die gegenwärtige Sicherheitslage ist herausfordernd: Noch nie gab es so viele extremistische Straftaten. Das gilt vor allem beim Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus; aber auch andere Phänomenbereiche entwickeln sich dynamisch.
Deutschland ist keine Insel. Die aktuellen weltpolitischen Ereignisse wirken natürlich auch hier. Der verbrecherische russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Sicherheitslage verschärft; ich nenne Spionage, Desinformation und Cyberangriffe. Der abscheuliche Angriff auf Israel, aber auch die völlig inakzeptablen Reaktionen auf deutschen Straßen unterstreichen, dass wir uns weiter deutlich und konsequent gegen jeglichen Antisemitismus stellen müssen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Dazu müssen unsere Sicherheitsbehörden Bedrohungen rechtzeitig erkennen; dann können wir entschlossen dagegen vorgehen. Ohne nachrichtendienstliche Aufklärung und Weitergabe von Erkenntnissen an die zuständigen Stellen geht das nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, um uns zu schützen, benötigen die Nachrichtendienste einen angemessenen Rechtsrahmen, einen, der wirksam und zeitgemäß ist. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gehen wir genau diesen Weg.
Wir gehen zuerst den zeitlich vordringlichsten Teil an: Wir passen die Übermittlungsregelungen an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts an, sowohl im Bundesverfassungsschutzgesetz als auch im Gesetz über den Militärischen Abschirmdienst. Damit fassen wir die Übermittlungsvoraussetzungen deutlich enger. Die Übermittlungen bleiben dort zulässig, wo sie wirklich wichtig sind: dann, wenn eine Gefahr so weit konkretisiert ist, dass die Polizei einschreiten kann, aber auch dort, wo Ordnungsbehörden bereits vorbeugend gefordert sind. Beispiele sind der Extremist, der keine Waffenerlaubnis erhalten soll, oder die extremistische Veranstaltung, die unterbunden werden muss.
Möglich bleibt auch die analytische Zusammenarbeit, wenn etwa Vorgehensmuster ausgewertet oder Lagen eingeschätzt werden. Zulässig bleibt die Übermittlung zur Strafverfolgung in dem engen Rahmen, den das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat, also bei besonders schweren Straftaten und verdichteten Verdachtserkenntnissen. Insgesamt sind die neuen Regeln praktikabel. Wir haben eine gute Balance gefunden.
Wir wollen natürlich auch Regelungen zum Eigenschutz einführen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst müssen sich vor gegnerischen Nachrichtendiensten und Innentätern ausreichend schützen können.
Für den Bundesnachrichtendienst hat die Bundesregierung entsprechende Regelungen in einem eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Sie folgen den gleichen Strukturprinzipien, gestalten sich aber aufgabenspezifisch natürlich anders aus. Der BND braucht eigene, zu seinen Aufgaben passende Regelungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die beiden Gesetzentwürfe sind nicht der Schlusspunkt einer notwendigen Reform; vielmehr muss das Nachrichtendienstrecht insgesamt rechtsklarer und systematischer werden. Das gilt auch für die nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung.
Heute startet die parlamentarische Beratung zur vordringlichen Anpassung der Übermittlungsregelungen. Maßgabe sind dabei die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Diese Regelungen müssen noch in diesem Jahr in Kraft treten, damit die notwendigen Übermittlungen möglich bleiben; sonst droht eine Lücke, die nicht akzeptabel ist und die auch nicht zu verantworten wäre.
Meine Erfahrung sagt mir natürlich auch, dass gerade bei dieser hochpolitischen Materie das Struck’sche Gesetz gilt: Kein Gesetzentwurf verlässt den Bundestag unverändert. Wichtig ist, Herr Kuhle, dabei natürlich die Balance zwischen Sicherheit und Grundrechten zu finden.
Nachrichtendienste sind ein tragender Pfeiler unserer Sicherheitskultur. Und wenn wir sie regulieren, geht es nicht einfach abstrakt um unsere Sicherheit. Es geht ganz konkret um den Schutz der Menschen, um den Schutz unserer Freiheit. Und ich glaube, es war nicht deutlicher als in diesen Tagen, wie wichtig das für unsere Demokratie und für unsere Freiheit ist. In diesem Sinne hoffe ich auf konstruktive Beratungen und freue mich darauf.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für die CDU/CSU hat Dr. Stefan Heck jetzt das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7601836 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Änderung d. BND-Gesetzes u. Nachrichtendienst-Rechts |