09.11.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 134 / Tagesordnungspunkt 20

Katrin BuddeSPD - Finanzierung der DDR- und Kommunismus-Forschung

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Rohwer, Sie hatten ja bei der Einbringung des Antrages gefragt, warum der Kommunismus bis heute nicht als eigenständiges Forschungsfeld wahrgenommen wird und es keinen Lehrstuhl für DDR-Geschichte an einer deutschen Hochschule gibt, und fordern deshalb vermutlich in Ihrem Antrag, dass Kommunismusforschung als dauerhafte Aufgabe mit bundespolitischer Verantwortung anzusehen sei, natürlich auch mit entsprechender Finanzierung.

Seit 1990 gab es neun Legislaturperioden, davon sechs unter Unionsführung. Merken Sie was? Sie hätten das lange erledigen können.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Das ist ja unter unserer Führung aufgelegt worden, Frau Budde! – Monika Grütters [CDU/CSU]: Wir haben das Programm aufgelegt!)

– Vorsichtig, Monika! – Die letzte Chance wäre in der letzten Legislaturperiode da gewesen; aber es war in der Großen Koalition nicht möglich, mit Ihnen zusammen das Thema „DDR- und Kommunismusforschung“ auf eigenständige und verlässliche Füße zu stellen.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Wie kann man so faktenfrei argumentieren? – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Da gab es hinter vorgehaltener Hand von nicht unmaßgeblichen Leuten Ihrer Fraktion schon die Ansage: „Jetzt reicht’s aber mal mit dem Osten!“,

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Was? Das ist ja eine wüste Behauptung! – Lars Rohwer [CDU/CSU]: Was ist das?)

als wir gemeinsam in den guten, wirklich guten Gesetzesänderungen den Übergang der Stasiunterlagen in das Bundesarchiv, die Sicherung der Standorte, den Bildungsauftrag und die Einrichtung der Opferbeauftragten verankert hatten. Noch mal ein Dank an die Kolleginnen und Kollegen in Ihrer Fraktion, die das damals mit durchgesetzt haben.

(Zuruf des Abg. Lars Rohwer [CDU/CSU])

Damals war schon klar, dass die Fehlstelle Forschung ein Problem wird. Das wussten wir damals schon; das können Ihnen die Kolleginnen und Kollegen aus der letzten Legislatur sagen.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Ja, Arnold Vaatz hat sich immer gut informiert!)

Sie hätten das in den 24 Jahren nach 1990, in denen Sie regiert haben, locker mit uns oder mit der FDP regeln können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb bin ich immer wieder begeistert, dass die CDU/CSU-Fraktion in der Opposition – in der Opposition! – auf einmal Themen findet, die sie in der eigenen Regierungszeit nicht gelöst, nicht ausgestattet oder manchmal sogar blockiert hat.

(Monika Grütters [CDU/CSU]: Also, Antikommunismus haben wir nicht erst in der Opposition gefunden! – Lars Rohwer [CDU/CSU]: Wieso? Wir haben doch diese DDR-Forschung gemeinsam mit Ihnen aufgesetzt! Distanzieren Sie sich jetzt davon, oder was? – Nina Warken [CDU/CSU]: Sie lenken nur von Ihrer Untätigkeit ab! Sagen Sie lieber mal, was Sie machen wollen!)

Wir müssen natürlich auch ehrlich miteinander sein: So sehr uns, die wir hier heute stehen, und einigen mehr das Thema Forschung im Bereich „Kommunismus und DDR“ wichtig ist, so wichtig ist das nicht allen. Das liegt unter anderem auch daran, dass es nur ein Teil der Geschichte eines Teils Deutschlands ist und dass die DDR inzwischen für Generationen nur noch Stoff aus dem Geschichtsbuch ist.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Jetzt bin ich gespannt, wie das Zukunftszentrum wird!)

Trotzdem und gerade deshalb habe auch ich mit Unverständnis darauf reagiert, dass bei einigen Forschungsverbünden die zweite Förderphase nicht weiterfinanziert wurde, und ich finde dies auch falsch; das will ich ganz deutlich sagen.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Ist das Zukunftszentrum jetzt finanziert?)

Trotzdem: Forschungsförderung, Errichten von Lehrstühlen, Hochschulpolitik – das ist grundsätzlich Ländersache. Dann frage ich auch mal: Es gibt viele CDU-geführte Länder. Wo sind denn die Lehrstühle? Das könnte man komplementieren mit der Forschung, die im Bund vorgehalten wird.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Genau! Deswegen steht es ja auch in unserem Antrag!)

Gut, dass es sieben weiterführende Projekte gibt! Ich hätte gerne mehr; das sage ich ganz deutlich. Auch ich finde, dass wir einen Lehrstuhl brauchen. Dazu muss sich aber auch ein Land bekennen.

Ich finde auch, dass das Thema DDR-Forschung viel breiter gefasst werden muss, wie meine Kollegin gesagt hat, und dass es nicht nur für diejenigen wichtig ist, die die Forschung brauchen, damit klar ist, dass sie rehabilitiert werden können, dass die neuen Erkenntnisse aus der Wissenschaft uns helfen, dass angetanes Unrecht wieder gutgemacht werden muss und kann, sondern es ist für die gesamte Gesellschaft wichtig.

(Beifall der Abg. Dr. Carolin Wagner [SPD])

Zum Schluss: Die Mauer ist nicht gefallen. Ich sage es hier noch mal ganz deutlich: Sie ist nicht gefallen. Das DDR-Regime war –

Kommen Sie bitte zum Schluss.

– durch die Friedliche Revolution so geschwächt, dass es ihr nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Und die Mauer ist ausschließlich vom Osten eingedrückt worden. Der Westen hatte null Anteil daran,

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Arnold Vaatz würde Ihnen jetzt heftig widersprechen! Das wissen Sie genau! Der letzte Bürgerrechtler in diesem Parlament war Arnold Vaatz!)

und ich glaube auch, dass das eine kleine Irritation –

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

– des Kollegen war, der den Zettel damals an dem Abend vorgelesen hat, und dass anderes geplant war.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7603187
Wahlperiode 20
Sitzung 134
Tagesordnungspunkt Finanzierung der DDR- und Kommunismus-Forschung
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