Andreas RimkusSPD - Anpassung des Energiewirtschaftsrechts
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Wasserstoffbeauftragter meiner Fraktion ist heute für mich – das können Sie sich vorstellen – ein ganz besonderer Tag; denn neben einer Vielzahl von Verbesserungen in der Netzregulierung, deren Kommentierung ich meinen hochgeschätzten Kolleginnen und Kollegen überlasse, legen wir mit der EnWG-Novelle den Grundstein dafür, dass in wenigen Jahren große Mengen an Wasserstoff durch die ganze Bundesrepublik fließen können. Die Schaffung der rechtlichen Grundlagen für ein Wasserstoffkernnetz ist gleichzeitig ein Meilenstein für die Energiewende.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Manfred Todtenhausen [FDP])
Wie es einer so fundamentalen Aufgabe wie der Energiewende angemessen ist, denken wir dabei groß. Zwar steht noch nicht im Detail fest, wie der konkrete Netzplan aussehen wird, aber es zeichnet sich ab, dass das Kernnetz 10 000, 11 000 Kilometer umfassen könnte. Diese Größenordnung habe ich bereits gefordert, da haben mich viele noch dafür belächelt. Aber ich war immer der Überzeugung, dass wir diese Größenordnung brauchen. Und ich sage Ihnen auch, warum.
Erlauben Sie mir, ein paar Zahlen anzuführen. Keine Sorge, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch in der ersten Reihe der CDU,
(Manfred Todtenhausen [FDP]: Die hören nicht zu!)
es wird nicht langweilig. Veranschaulichen Sie sich: Eine durchschnittliche HGÜ-Leitung erbringt heute eine Leistung von 1 bis 4 Gigawatt. Lassen Sie uns mal mit 2 Gigawatt im Schnitt rechnen. Zum Vergleich: Eine große Wasserstoffpipeline wird eine Leistung zwischen 12 und deutlich über 20 Gigawatt liefern können. Wenn wir das grob überschlagen, landen wir bei einem Faktor 10. Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich möchte hier keineswegs ein Gegeneinander aufmachen. Bekanntlich bin ich nicht nur Wasserstoffbeauftragter, sondern vor allem Elektromeister. Ich habe mein Leben lang Stromnetze gebaut. Ich bin deswegen gleichermaßen ein Fan der Elektronen und der Moleküle.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ein Mann, der was Praktisches kann!)
– Ja, das kommt noch hinzu, in der Tat. – Ich weiß, dass wir beides zusammendenken müssen.
(Beifall des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])
Was ich Ihnen mit diesen Zahlen verdeutlichen möchte, ist, dass wir auf die Moleküle als zweites Standbein angewiesen sind. Wir dürfen in der Transformation darauf nicht verzichten. Nur wenn alle zur Verfügung stehenden Optionen genutzt werden, kann die Integration der erneuerbaren Energien gelingen. Denken Sie an die großen Energiemengen, die wir zukünftig allein an windreichen Standorten erzeugen und durch das Land transportieren wollen! Im EEG haben wir ein Ausbauziel festgelegt von 560 Gigawatt installierter Leistung an Erneuerbaren bis 2040.
Kollege Rimkus, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung aus der AfD-Fraktion?
Nein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Das ist aber sehr schade!)
Heute stehen uns allerdings nur 90 Gigawatt Übertragungsleistung spitzenlastmäßig im Stromnetz zur Verfügung. Vielleicht schaffen wir durch Digitalisierung 100, 110 oder 120 Gigawatt, mit ein paar Zubauten; wir wollen mal großzügig sein. Wir glauben daran, dass wir auch da vorwärtskommen. Übrigens: Im EnWG legen wir die Grundlagen dafür, dass wir da was hinkriegen.
Aber klar ist, dass die maximale Spitzenlast eigentlich bedeutet: Wir müssten das Stromnetz verdrei- oder vervierfachen, wenn wir dann alle Eier in ein Körbchen legen würden. Machen wir aber nicht. Deswegen wollen wir zukünftig einen großen Teil unserer Energie in Form von Wasserstoff speicherbar und transportierbar machen. Ein Wasserstoffkernnetz bildet dafür die unentbehrliche Grundlage.
Auch auf EU-Ebene wird das Tempo der Energiewende weiter angezogen. Das Europäische Parlament hat im September die Überarbeitung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie – RED III und RED IV – beschlossen. Damit wird der Anteil der Erneuerbaren bis 2030 auf 42,5 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs steigen. Zudem gibt es in der EU nachgeordnete Unterquoten für einzelne Bereiche. Ich freue mich schon auf die Diskussion über die nationale Umsetzung dieser Richtlinie. Fest steht: Die europäische Quotensystematik wird ausgebaut.
In Deutschland lag der Anteil an Erneuerbaren im Strommix letztes Jahr bei rund 46 Prozent. Okay, damit haben wir allerdings nur etwa 17 Prozent des gesamten Primärenergieverbrauchs abgedeckt. Hier liegt noch ein gutes Stück vor uns. Übrigens: Da sind wir lange Zeit ausgebremst worden, wie hier schon gesagt worden ist, nämlich 16 Jahre lang. Ich weiß, wovon ich rede; denn ich habe acht Jahre davon mitgemacht und das ertragen müssen. Mit dem Startschuss für das Kernnetz legen wir heute die Grundlage für den großen Schritt in die richtige Richtung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Manfred Todtenhausen [FDP])
Ich kann Ihnen außerdem versichern: Wir werden beim Kernnetz als Stufe eins des Infrastrukturausbaus nicht stehen bleiben. Wir werden weitermachen mit einer ordentlichen, regulierten Wasserstoffnetzplanung und einem integrierten Netzentwicklungsplan für Erdgas und Wasserstoff. Wir werden die Finanzierungsgrundlage für das Kernnetz sichern und mit dem Wasserstoffbeschleunigungsgesetz die Rahmenbedingungen für den nationalen Hochlauf erheblich verbessern. Wir werden die Energiewende entschieden nach vorne bringen.
Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen der Ampel, aber auch der anderen demokratischen Fraktionen dieses Hauses zumindest für den konstruktiven Teil der Diskussion, auch wenn es schade ist, dass Sie heute aus Prinzip gegen das Gesetz stimmen. Ich freue mich allerdings auf die weitere Debatte.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Bleiben Sie gesund!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, hat das Wort zu einer Kurzintervention aus der AfD-Fraktion Dr. Spaniel.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603377 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 135 |
Tagesordnungspunkt | Anpassung des Energiewirtschaftsrechts |