15.11.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 136 / Tagesordnungspunkt 4

Maja WallsteinSPD - Strukturwandel in den ostdeutschen Kohleregionen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher, schön, dass Sie da sind. Sie können hier tatsächlich eine Debatte erleben, wie sie exemplarischer kaum sein könnte.

Ich muss Ihnen von der Union ehrlich sagen: Das Thema ist wichtig und richtig. Ihren Antrag finde ich persönlich sehr dünn. Ich finde, er ist auch ganz weit weg von der Region, aus der ich zum Beispiel komme, der Lausitz, wo der Strukturwandel das bestimmende Thema ist. Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass die bisher gemachten finanziellen Zusagen abgesichert werden müssen, um die Reviere nachhaltig zu transformieren. Alles andere würde die Menschen verunsichern. Das ist Ihre Antwort auf die Probleme in der Lausitz? Was die Leute verunsichert, sind doch nicht die angeblich fehlenden Fördermittelzusagen. Die sind doch da. Es ist unübersehbar, dass die Union, seit sie in der Opposition ist, populistische Stimmungsmache für ein geeignetes Mittel

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

– ja – der politischen Auseinandersetzung hält. Und das verunsichert doch die Menschen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Wallstein, ich habe die Uhr angehalten. Der Kollege Abraham aus der CDU/CSU-Fraktion würde gern eine Bemerkung machen oder eine Frage stellen.

Der Kollege Abraham ist ein unglaublich sympathischer Kollege.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Hannes Walter [SPD] und Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber ich brauche jetzt tatsächlich mal – – vielleicht im Nachgang. Wir können uns ja im Nachgang unterhalten.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Bitte? Ich habe das nicht verstanden.

Nein. – Also, was die Leute verunsichert, ist tatsächlich eher Ihre Stimmungsmache. Sie schreiben in Ihrem Antrag weiter – ich zitiere –, dass die „Diskussionen der Bundesregierung zur Beschleunigung des Kohleausstiegs die Bemühungen zur Gestaltung des Strukturwandels in den ostdeutschen Kohleregionen konterkarieren“ und „die angespannte Fachkräftesituation dort weiter verschärfen“ würden. Bitte was? Ernsthaft?

Na klar, der Fachkräftemangel – da haben Sie recht – ist wirklich ein Riesenthema. Mein hochgeschätzter Kollege Hannes Walter hat das ausführlich hier in der Debatte dargestellt. Der Fachkräftemangel ist ein großes Hemmnis für das Gelingen des Strukturwandels bei uns im Osten, bei uns in der Lausitz, wo gerade in nahezu jeder Ecke Zukunft gestaltet wird, wo es gerade wieder richtig losgeht, wo die Luft zu vibrieren beginnt wie zu Bundesligazeiten von Energie Cottbus, weshalb ich gern und vollkommen zu Recht auch von der „Wowsitz“ spreche.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ja, bei uns fehlen die Leute für die großen Dinge, die wir gerade auf den Weg bringen. Aber ich hoffe doch, liebe Union, dass wir uns einig sind: Diese Situation wird nicht von Diskussionen demokratischer Parteien über die Zukunft der Region verschärft, sondern von gesichert rechtsextremen und vermutlich bald überall gesichert rechtsextremen Umtrieben und der dazugehörigen Rhetorik.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Karsten Hilse [AfD]: Das haben Sie gerade schon in der letzten Rede erzählt!)

Das ist doch das Drama. Ein Drama ist es, wenn junge, gut ausgebildete Brandenburger/-innen weggehen, weil sie es zu Recht bedrohlich finden, dass die Lügen der AfD verfangen und sie hohe Zustimmungswerte hat,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD]: Es macht auch nichts, wenn junge, gutaussehende Parlamentarierinnen in Brandenburg Fuß fassen!)

wenn Unternehmen sich eben nicht ansiedeln, weil sie sagen: „Das kann ich meinen internationalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das kann ich meinen Handelspartnern überhaupt nicht zumuten“ – wie ich es in einer IHK-Runde gehört habe –, wenn Frauen die Region verlassen oder meiden, weil es da eine Partei gibt, die Frauen das Selbstbestimmungsrecht abspricht mit einem Gleichstellungsbild aus den 50ern, eine Partei, die nichts, aber wirklich gar nichts für junge Menschen anzubieten hat,

(Martin Reichardt [AfD]: Das wissen Sie doch überhaupt nicht! Sie sind doch von Jugendlichen ganz weit weg!)

außer, wie es der Kreisverband der AfD in meiner Region macht, rechtsextreme Jugendkultur mit großer Leidenschaft zu unterstützen. Das gefährdet das Gelingen des Strukturwandels bei uns im Osten, und zwar massiv.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn ein gelingender, ein erfolgreicher Strukturwandel braucht genau das: Unternehmen, die Lust haben, sich anzusiedeln, Frauen, die gestalten, junge Menschen und vor allem eine Willkommenskultur. Die Zeit ist reif. Die Zeit ist reif, dass wir alle verstehen, dass wir – –

(Karsten Hilse [AfD]: Bei den jungen Menschen sind wir auch vorn dran!)

– Ich sage es Ihnen noch mal: Ich bin Fußballschiedsrichterin. Nur weil einer schreit, ändere ich nicht meine Meinung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Zeit des Zuguckens, die Zeit des Ab-und-zu-Kommentierens, die Zeit des In-die-Zukunft-Verschiebens, die ist vorbei; denn wir haben alle Verantwortung, dass nicht das passiert, was wir hier schon wieder an Geschrei hören.

(Martin Reichardt [AfD]: Nicht einmal ein Lächeln bringen Sie zustande!)

Und wir dürfen niemals, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach rechts rücken. Das geht uns alle an. Gehen Sie raus, reden Sie mit Nachbarinnen und Nachbarn,

(Martin Reichardt [AfD]: Und dann sagen die: Nie wieder SPD!)

mit Freunden, mit Verwandten, und klären Sie auf, sagen Sie, was Sie fühlen, erklären Sie, dass Sie diese unfreie, unsolidarische, menschenverachtende Gesellschaft, die die extreme Rechte anstrebt, nicht wollen.

(Karsten Hilse [AfD]: „Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten!“ Das ist der Leitspruch in Sachsen!)

Der Erfolgsfaktor für den Strukturwandel, auch für unser gesamtes Land, sind wir, wir gemeinsam. An alle, die da mitziehen und auch in Zukunft mitziehen wollen, geht: Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Abraham das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7603578
Wahlperiode 20
Sitzung 136
Tagesordnungspunkt Strukturwandel in den ostdeutschen Kohleregionen
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