Katja AdlerFDP - Vielehen, Kinderkopftuchverbot in Kitas und Schulen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste und liebe Zuschauer! Gehört das Kopftuch zum Islam als religiöses Zeichen, oder ist es vielmehr Ausdruck einer politischen Auslegung dieser Religion? Man ist sich nicht einig. Selbst Muslime oder Koranwissenschaftlerinnen und Koranwissenschaftler sind sich nicht einig. Wie soll dann eine Auseinandersetzung in Kitas und Schulen gelingen? Wie kann eine Erzieherin mit den Kindern in der Kita sprechen, wo diese Kinder doch nur das machen, was ihre Eltern, ihre Verwandtschaft, ihr Umfeld von ihnen erwarten? Wie sollen Lehrerinnen und Lehrer in die Auseinandersetzung mit ihren kopftuchtragenden Schülerinnen gehen, wenn doch nichts klar ist?
Wofür steht das Kopftuch? Schauen wir doch mal in den Iran. Jina Mahsa Amini starb, weil sie ihr Kopftuch angeblich nicht richtig trug. Meine Patin Fatemeh Harbi wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil sie ihr Kopftuch angeblich nicht richtig trug. Sie hat zwei Kinder daheim, die auf ihre Mutter warten. Armita Garawand starb, weil sie ihr Kopftuch gar nicht trug. 20 000 inhaftierte Freiheitskämpfer im Iran, von denen viel zu viele junge Menschen – Frauen wie Männer – zum Tode verurteilt sind, Todesurteile, die zum Teil auch noch klammheimlich vollstreckt werden, ohne dass sich die Familien von ihren Angehörigen verabschieden können! Hingerichtete Menschen im Kampf um Freiheit, deren Symbol das Kopftuch wurde!
So bezeichnete die iranische Fotografin Ghazal Abbollahi das Kopftuch als ein Symbol der Unfreiheit. Dabei beschrieb sie im September 2022 eindringlich ihre Gefühle aus ihrer Jugend. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin:
„Als ich ein Teenager war, etwa mit 15 oder noch jünger – dem Alter jedenfalls, in dem jedes Mädchen anfangen muss, auf der Straße den Hijab zu tragen –, lehnte nicht nur mein Verstand, sondern auch mein Körper dieses Kopftuch ab. Ich schämte mich, in der Öffentlichkeit auf der Straße damit zu erscheinen, und es dauerte lange, bis ich die Pflicht, es zu tragen, für mich akzeptieren konnte – oder zumindest so tun, als ob ich mich fügte.“
Der ersten weiblichen Generalsekretärin des nationalen iranischen Schachverbandes, Shohreh Bayat, warfen regierungstreue iranische Medien vor, das Kopftuch bei internationalen Wettbewerben zu locker zu tragen. Der Druck wurde so groß, dass Bayat nicht mehr in den Iran zurückkehren konnte und Asyl in Großbritannien erhielt. Später beschrieb sie den Hidschab als „ein Gefängnis aus Stoff“.
Es gibt in islamistischen Staaten wie dem Iran Kopftuchzwang. Das Kopftuch ist mindestens dort Ausdruck frauenverachtender Unterdrückung.
(Beifall des Abg. Lars Lindemann [FDP])
Und in Deutschland? Selbstverständlich haben wir in Deutschland Religionsfreiheit. Das ist ein grundrechtlich verbrieftes Recht eines jeden Menschen in Deutschland. Dies schließt auch das Tragen religiöser Symbole und Kleidungsstücke ein, solange das nicht im Konflikt mit anderen Grundrechten steht.
Jedes Kind hat ein Recht auf freie Persönlichkeitsentwicklung. Das ist ein grundlegendes Kinderrecht, das in der UN-Kinderrechtskonvention festgehalten ist. Deutschland hat diese Charta 1992 ratifiziert. Damit haben wir uns verpflichtet, jedem Kind jede Grundlage zu geben, dieses Recht zu verwirklichen, auch und erst recht in öffentlichen Einrichtungen wie Kitas und Schulen, wo insbesondere Mädchen entdecken sollen, welche Fähigkeiten sie besitzen.
Man kann wohl der Meinung sein, dass das Kopftuch ein religiöses Symbol ist. Man kann aber genauso gut erkennen, dass es Frauen und Mädchen unterdrückt und ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Diese Auseinandersetzung kann und muss geführt werden, nicht jedoch auf den Köpfen der Kinder in öffentlichen Einrichtungen. Aber fangen wir im Ausschuss doch mal damit an.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP und der AfD)
Für die AfD-Fraktion hat das Wort Martin Reichardt.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603698 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 137 |
Tagesordnungspunkt | Vielehen, Kinderkopftuchverbot in Kitas und Schulen |