Sonja EichwedeSPD - Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!
(Stephan Brandner [AfD]: Der deutschen demokratischen Altfraktionen meinen Sie, oder?)
Durch die heutige Reform unseres Strafprozessrechts wird den Verfahrensbeteiligten in den so wichtigen Strafprozessen vor den Land- und Oberlandesgerichten in Zukunft erstmals eine einheitliche Dokumentation der Hauptverhandlung zur Verfügung stehen. Das ist bereits in einer Vielzahl europäischer Länder der Fall. Dort funktioniert es gut; es wird auch bei uns gut funktionieren.
Man muss sagen, dass schon in der letzten Legislaturperiode eine Arbeitsgruppe aus der Praxis, bestehend aus Vertretern der Anwaltschaft, der Justiz und der Wissenschaft, im Bundesjustizministerium zusammengesessen hat,
(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Die Justiz will’s doch nicht!)
um hierfür einen Vorschlag zu erarbeiten. Wir sind sehr froh, dass dieser Vorschlag jetzt umgesetzt wird. Wir haben in den letzten Monaten durchaus kontrovers über das Ob und das Wie diskutiert. Wir haben uns bei den Beratungen des Gesetzentwurfs auch sehr stark mit den Argumenten aus der Sachverständigenanhörung, dem Für und Wider aus der Praxis, auseinandergesetzt und im parlamentarischen Verfahren einen deutlich verbesserten Entwurf vorgelegt, der einerseits auf die Sorgen aus der Justiz eingeht, aber auf der anderen Seite auch dem nachvollziehbaren Interesse der Anwaltschaft, der Verteidiger Rechnung trägt, auch in Deutschland eine objektive, einheitliche Dokumentation im Strafprozess zu haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Lassen Sie mich ein paar inhaltliche Punkte herausstellen, um mit einigen Mythen, die in der Debatte teilweise angesprochen worden sind und vielleicht weiterhin eine Rolle spielen, aufzuräumen.
Durch dieses Gesetz schaffen wir insbesondere mit dem Transkript, der Dokumentation ein Hilfsmittel. Dieses Hilfsmittel ist kein Protokoll.
(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Ein Hilfsmittel schafft auch Rechtstatsachen!)
Es ist einfach die technische Abschrift mittels einer Transkriptionssoftware, wie wir sie auch auf den Telefonen haben, die wir alle in unseren Hosentaschen tragen. Diese moderne Technik sollten wir nicht von unseren Gerichten fernhalten. Es ist einfach zeitgemäß, auch hier mit der entsprechenden Technik zu arbeiten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE] – Zuruf des Abg. Dr. Martin Plum [CDU/CSU])
Das wird nicht dazu führen, dass nachts in Gerichten Transkripte korrigiert werden müssen,
(Zuruf des Abg. Axel Müller [CDU/CSU])
weil wir nämlich bestimmte Fehler, die entstehen könnten, in Kauf nehmen. Herr Ullrich, Sie sagen, es gebe eine Fehlerquote von 20 bis 30 Prozent. Wir sind jetzt aber viel weiter als die Kommission, die vor drei Jahren
(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Zwei Jahre! Zwei Jahre!)
einen Vorschlag unterbreitet hat. Dieses Gesetz wird flächendeckend in Kraft treten, und die Software und die Transkription werden im Jahre 2030 eingeführt. Bis dahin sind ganz bestimmt auch die letzten Fehler ausgeräumt. Und mit den Fehlern, die dann noch existieren, können die Verfahrensbeteiligten ganz bestimmt umgehen. Es ist doch nicht so, dass ein Mikrofon mitten im Gerichtssaal hängt und dadurch nichts mehr zu verstehen ist. Schon heute ist es im Gerichtssaal so, dass an jedem Platz ein Mikrofon steht, in das der Zeuge oder der Richter sprechen. Von daher wird die Tonaufnahme gut verständlich sein. Wir sind absolut davon überzeugt, dass technische Mittel dafür existieren, und nach dem Austausch in der Sachverständigenanhörung wissen wir das auch. Andere europäische Partnerstaaten haben gute Lösungen gefunden. Auch in Deutschland werden wir eine Lösung finden, um ein gutes Transkript zur Verfügung zu stellen. Es ist ein Ammenmärchen, dass da nachts etwas korrigiert werden müsste.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin sehr froh, dass es schon Einigung darüber gibt, dass die Entwicklung einer entsprechenden Software durch Bundesmittel gefördert werden soll.
(Zuruf des Abg. Dr. Martin Plum [CDU/CSU])
Dass es bundesweit eine einheitliche Software gibt, daran haben wir ein sehr großes Interesse. Das vermindert die Fehlerquote; das schafft keine Sollbruchstellen. Wir werden gemeinsam mit den Ländern und dem Bundesjustizministerium sicherlich einen guten Weg finden, um eine einheitliche Software zu entwickeln.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Philipp Hartewig [FDP])
Es gibt folglich keine Sprengkraft durch das entsprechende Transkript.
Was mir sehr wichtig ist – das war auch ein wichtiger Punkt sowohl in der Sachverständigenanhörung als auch in unseren Beratungen –, ist die Frage des Opferschutzes. Es war sehr wichtig, dass wir noch einmal intensiv darüber nachgedacht haben, wann von einer Aufzeichnung abgesehen werden kann. Zusätzlich zu den bereits bestehenden Ausnahmen hinsichtlich Fragen der Staatssicherheit und besonders sensibler Rechtsgüter der Verfahrensbeteiligten – bei Organisierter Kriminalität, Staatsschutzsachen und in Teilen auch Völkerstrafverfahren –, bei denen schon vorher klar war, dass die Möglichkeit besteht, von einer Aufzeichnung abzusehen, haben wir im parlamentarischen Verfahren erreicht, dass dies auch bei Opfern von Sexualstraftaten und Minderjährigen möglich sein muss.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das sind besonders sensible Personengruppen. Wir haben hier die Abwägung der Persönlichkeitsrechte anders zu treffen. Das Gericht vor Ort kann im Einzelfall entscheiden, dass der Fall so sensibel ist, dass von einer Aufnahme abgesehen wird. Das muss es nicht tun, das kann es tun. Es muss im Einzelfall entschieden werden. Hier ist richtig, dass diese Entscheidung bei den Gerichten liegt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Es ist mir zudem wichtig, herauszustellen, dass wir insgesamt hoffen, unsere Justiz mit dieser technischen Möglichkeit, dem Einsatz dieses Hilfsmittels etwas mehr in die Zukunft zu führen. Ich hätte es als Richterin gerne zur Verfügung, wenn ich nicht mehr im Bundestag sitze.
(Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Das geht schneller, als man denkt!)
Ich finde es erst mal sehr schön, hier zu sein; aber ich freue mich auch, stolz zu sagen, Angehörige der Justiz zu sein und diese Möglichkeit mitentwickelt zu haben.
Die Verfahren werden nicht in die Länge gezogen; denn wenn die Transkriptionssoftware ausfällt, dann ist dem Beschleunigungsgrundsatz Vorrang zu geben. Auch das ist richtig. Es wird auch weiterhin eintägige Verhandlungen geben können. Selbst wenn die Aufzeichnung nicht am selben Tag versandt werden kann, kann ein Verfahren selbstverständlich abgeschlossen werden.
Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir unsere Strafprozessordnung auf die Höhe der Zeit bringen, dass wir mit den Sachverständigen an Verbesserungen und guten Lösungen gearbeitet haben, dass wir bei den tiefgreifenden Eingriffen in die Rechte der Angeklagten eine gute Abwägung für ein faires Verfahren getroffen haben. Wir alle haben ein großes Interesse an Transparenz und Objektivität und daran, unseren Rechtsstaat zu stärken –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– und in Zukunft ein modernes Verfahren zu gewährleisten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Thomas Seitz für die AfD-Fraktion hat das Wort.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7603968 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 138 |
Tagesordnungspunkt | Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz |