Carl-Julius CronenbergFDP - Übereinkommen: Arbeitsschutz in der Landwirtschaft
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße auf der Besuchertribüne ganz herzlich die Deutsche Weinkönigin Eva Brockmann mit den beiden Weinprinzessinnen Lea und Jessica. Seien Sie uns herzlich willkommen!
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Millionen Landarbeiter und Landarbeiterinnen sowie viel zu viele Kinder arbeiten unter unwürdigen Bedingungen auf den Feldern und Plantagen der Welt. Um diese Menschen geht es heute Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen, und um diese Menschen sollte es auch Ihnen gehen, Kollege Springer.
(Beifall bei der FDP)
Wir ratifizieren die ILO-Konvention 184. Das ist nach der ILO 190 die zweite ILO-Konvention, die wir in dieser Legislaturperiode ratifizieren. Damit setzen wir den Koalitionsvertrag um und senden gleichzeitig ein Signal an die große ILO-Staatengemeinschaft. Das ist ein wichtiges Signal an die Welt, weil grundlegende Arbeitnehmerrechte überall gelten müssen und weil Freiheit und Menschenrechte nicht verhandelbar sind.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn ich für die FDP als Regierungsfraktion nun also Zustimmung ankündige, dann dürfte das wenig überraschen. Gleichwohl möchte ich daran erinnern, dass die FDP in Oppositionszeiten auch der Ratifizierung der ILO-Konvention 169 zum Schutz der Rechte indigener Völker zugestimmt hat. Wenn es um Menschenrechte geht, macht es für Freie Demokraten keinen Unterschied, ob wir auf der Oppositionsbank oder der Regierungsbank sitzen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für die ILO-Gemeinschaft macht das schon einen Unterschied; denn die ILO-Konvention 184 wurde zwar schon im Jahr 2001 von der Internationalen Arbeitskonferenz angenommen; ratifiziert haben bis heute allerdings erst 21 von 187 Mitgliedstaaten. Viele Länder zögern, ratifizieren nicht oder noch nicht. Deshalb ist die Debatte heute auch ein Appell an diese Länder, es uns gleichzutun und nachzuziehen. Das sollten sie tun.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deutschland hat einen hohen Standard im Arbeits- und Gesundheitsschutz, über alle Branchen und Betriebsgrößen hinweg. Dafür sorgen entsprechende Gesetze. Richtig gut funktioniert dieser Schutz aber erst dann, wenn er im Arbeitsalltag auch gelebt wird. Mehr noch als auf den Rechtsschutz kommt es auf die Arbeitskultur, auf die grundsätzliche Einstellung aller Sozialpartner, Betriebsräte und Beschäftigten, auf verantwortungsvolle Zusammenarbeit und auf gegenseitigen Respekt an.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Das Zusammenspiel von Regeln und Sozialverhalten schafft gute Arbeitsbedingungen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben sorgfältig geprüft und befunden, dass die Ratifizierung der ILO 184 keinen rechtlichen Anpassungsbedarf in Deutschland auslöst. Das bedeutet für mich, dass unsere Landwirte und Winzer in der überragenden Mehrheit ihre Beschäftigten ordentlich behandeln – unabhängig davon, ob fest oder saisonal, ob Vollzeit, Teilzeit oder Minijob – und dass da, wo das mal nicht der Fall ist, der Staat die Mittel hat, einzugreifen und zu sanktionieren, zum Schutz der Beschäftigten und der ehrlichen Betriebe, die sich an Recht und Gesetz halten,
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
die einen Anspruch darauf haben, dass bei uns fairer Wettbewerb herrscht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Gleichzeitig hoffe ich, dass nicht alle ILO-Staaten, die noch in der Prüfung sind, zu dem Ergebnis kommen, sie hätten keinen rechtlichen Anpassungsbedarf, sondern dass sie mit aller Ernsthaftigkeit das tun, was notwendig ist, um Gesundheitsschutz und anständige Arbeitsbedingungen zu garantieren, und so ihre originäre staatliche Verantwortung wahrnehmen, nämlich Menschenrechten in ihrem Rechtsgebiet unumstößlich Geltung zu verschaffen. Deutsche Unternehmen können das im Ausland nicht leisten. Sie können nur appellieren oder ihre Zelte abbrechen. Das eine reicht, und das andere schadet den Betroffenen im Zweifel mehr. Deswegen sage ich auch: Kein Lieferkettengesetz kann staatliche Verantwortung ersetzen oder darf staatliche Verantwortung relativieren. Das gebietet allein schon die Anerkennung staatlicher Souveränität.
Ein letzter Punkt. Schlechte Arbeitsbedingungen sind oft die Folge geringer Produktivität. Steigt die Produktivität, kann und muss Mehrwert fair verteilt werden. Wer Produktivität steigern will, muss investieren. Dafür braucht es sichere und attraktive Absatzmärkte. Wenn wir hier in Europa ernsthaft dazu beitragen wollen, dass sich Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft des Globalen Südens verbessern, dann haben wir ein einfaches Instrument: Freihandelsabkommen und fairen Marktzugang ohne Abschottung. Soziale Marktwirtschaft und freier Handel tragen mehr zur Überwindung von bitterer Armut und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen bei als alle gesinnungsethisch motivierten Fesseln, die wir geneigt sind uns und den Ländern der Welt anzulegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen wir die Staaten in die Pflicht, und schenken wir den Menschen mehr Freiheitsvertrauen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat die Kollegin Susanne Ferschl für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7604433 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 141 |
Tagesordnungspunkt | Übereinkommen: Arbeitsschutz in der Landwirtschaft |