13.12.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 143 / Zusatzpunkt 1

Ria SchröderFDP - Aktuelle Stunde: Ergebnisse der PISA-Studie 2022

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ergebnisse der PISA-Studie sind besorgniserregend; aber sie reihen sich ein in eine Reihe von Negativschlagzeilen, von Abwärtstrends – IQB, IGLU –, die wir gesehen haben, und das auch schon vor der Coronapandemie. Es ist ein Debakel mit Ansage. Die Länder müssen endlich systematisch gegensteuern!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage ganz bewusst „die Länder“, obwohl wir hier im Deutschen Bundestag stehen. Ich höre schon wieder die Bemerkungen – das kam eben schon mal auf –, der Bund ducke sich weg oder schiebe die Verantwortung ab.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das ist hilflos!)

Ich bin dieses Zuständigkeitstrara leid.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Aber Ihre eigene Ministerin hat doch die Debatte eröffnet!)

Das geht, glaube ich, uns allen so. Das Grundgesetz teilt die Aufgaben von Bund und Ländern auf, und bei der Bildung haben die Länder die Hoheit. Wir dürfen als Bund ohne die Länder also gar nichts machen, die Länder aber ohne uns. Das ist Bildungsföderalismus. Nur wenn wir diejenigen verantwortlich machen, die etwas ändern können, wird sich etwas ändern.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Jarzombek, Sie haben eben das Startchancen-Programm angesprochen und oft auf den Bund verwiesen. Aber Frau Günther-Wünsch, Herr Lorz, Frau Feller, Herr Piwarz, Frau Feußner, Frau Prien, das sind diejenigen, an die Sie Ihre Rede richten sollten, wenn Sie über Themen der frühkindlichen Bildung, über die Sprachförderung sprechen wollen. Wenn Sie wollen, dass der Viereinhalbjährigentest in Schleswig-Holstein, in NRW und in den anderen Ländern, in denen Sie die Kultushoheit haben, durchgeführt wird, dann machen Sie es doch einfach, statt hier Reden zu schwingen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir könnten natürlich auch das Grundgesetz ändern – wir als FDP wollen das –: mehr gemeinsame, bundesweite Qualitätssicherung, mehr Vergleichbarkeit, gemeinsame Koordinierung und Finanzierung bei gleichzeitiger Stärkung der Kommunen als Schulträger und der Schulen selbst. Aber – ich bin ja auch Realistin – wir haben dafür keine Mehrheit. Das ist deutlich.

Die Alternative ist, dass die Kultusministerkonferenz genau diese Aufgaben übernimmt

(Stephan Brandner [AfD]: Die Alternative sitzt hier rechts!)

und sich diesen Herausforderungen stellt. Dafür ist sie ja eigentlich auch da. – Das dachte ich zumindest und viele andere auch. Aber die Unternehmensberatung Prognos bescheinigt der KMK Ineffizienz, Strategielosigkeit, Dysfunktionalität. Man bekommt langsam eine Ahnung, wo die Bildungsmisere herkommt. Ein Neustart der KMK ist überfällig.

Ich wünsche mir an der Stelle Mut zum Schulterschluss, und zwar zum einen zwischen den Ländern. Die Länder gucken in erster Linie auf sich und sagen: Hier ist es doch gar nicht so schlecht. – Aber wenn wir am Bildungsföderalismus festhalten, was Status quo ist, dann müssen die Länder, in denen es gut läuft, Verantwortung dafür übernehmen, dass die Bildungschancen in den anderen Ländern gesichert werden, Bayern auch für Bremen, Hamburg auch für Brandenburg. Sie müssen enger zusammenarbeiten.

(Beifall bei der FDP)

Es ist zum anderen aber auch ein Schulterschluss zwischen den Bildungsakteuren auf allen Ebenen erforderlich. Bund, Länder und Kommunen müssen an einen Tisch kommen und in der KMK gleichberechtigte Partner werden. Es kann nicht länger so sein, dass Bund und Kommunen bei den wichtigen Entscheidungen vor die Tür geschickt werden und von außen die Klinke runterdrücken müssen wie die Lausbuben in der Schule, sondern sie müssen mit am Tisch sitzen. Entscheidungen müssen in Zukunft gemeinsam getroffen werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube übrigens, das hilft auch der KMK. Wenn man sich beispielsweise den DigitalPakt Schule anschaut, stellt man fest, dass die KMK, dass die Länder ganz stark davon profitiert haben. Ohne ihn wären die Folgen der Coronapandemie noch schlimmer gewesen, als sie es durch die verflixt langen Schulschließungen eh schon waren.

Ich möchte noch mal zwei Punkte herausgreifen, die aus unserer Sicht aus PISA folgen müssen.

Erstens. Das Startchancen-Programm muss schnell beschlossen werden. Und wenn Sie sagen: „Das kommt nicht“,

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das sagt Ties Rabe! Ich habe nur Ties Rabe zitiert! Vorsicht!)

dann muss ich Ihnen sagen: Dafür sind Ihre Ländervertreter zuständig. Die Länder müssen die Bund-Länder-Vereinbarung jetzt beschließen. Das wird im kommenden Jahr der Fall sein, wenn Sie mitmachen.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Nee, gar nicht, wenn das Konzept Mist ist! – Gegenruf des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen 20 Milliarden Euro blockieren?)

Und darauf werden wir auch Sie von der Union festnageln; denn Sie können sich nicht hierhinstellen, immer auf die Ampel weisen und nicht anerkennen, dass Sie auch Verantwortung in den Ländern tragen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Wenn das Konzept falsch ist, werden wir da ganz sicher nicht mitmachen! – Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Nein, sicher nicht! – Gegenruf des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Konzept ist doch super und schon bekannt! Sie können doch nicht 20 Milliarden Euro für Bildungschancen blockieren!)

– Okay, ich glaube, das führt jetzt hier zu weit.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Genau, wenn es ernst wird, dann ducken Sie sich weg!)

Wenn Sie konkrete Kritikpunkte haben, dann werden diese doch mit den Ländern besprochen.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Was machen Sie denn zwei Jahre lang? Zwei Jahre heiße Luft! – Gegenruf des Abg. Oliver Kaczmarek [SPD]: So, jetzt einfach mal zuhören und was lernen!)

Wir sind doch seit Monaten schon am Verhandeln, und allen ist klar, dass sie es wollen. Das Startchancen-Programm muss kommen; denn PISA hat doch gezeigt, dass sozioökonomische und auch zuwanderungsspezifische Faktoren eine ganz entscheidende Rolle spielen.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Wo ist denn der Vertrag? Der sollte doch letzte Woche beschlossen werden! – Lars Rohwer [CDU/CSU]: DigitalPakt killen, aber Startchancen ewig verhandeln!)

Insbesondere Schülerinnen und Schüler, die von zu Hause nicht viel Unterstützung bekommen, die brauchen doch mehr Förderung. Und genau da setzt das Startchancen-Programm an.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Aber Sie fokussieren nicht auf die Grundschulen, da, wo das Problem ist!)

– Doch, das tun wir. Lesen Sie vielleicht noch mal nach.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Auch! Aber nicht mit dem Fokus darauf!)

4 000 Schulen mit den größten Herausforderungen bekommen endlich mehr Unterstützung, und wir stützen uns dabei auch auf Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Ich würde es sehr gut finden, wenn sich auch die Länder voll und ganz auf das Programm einlassen und nicht nur bestehende Programme mit dem Geld des Bundes weiterführen würden; denn dann wäre das Startchancen-Programm ein echter Katalysator für Bildungschancen.

Jetzt ist meine Zeit zu Ende.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Allerdings!)

Deswegen werde ich über das Thema Lehrkräfte leider nicht mehr sprechen können. Aber auch da gibt es weiterhin großen Handlungsbedarf; das ist auch keine Raketenwissenschaft.

Und jetzt kommen wir zum Punkt, bitte.

Wir wollen die Reform des Lehramtstudiums, weniger Bürokratie für Lehrkräfte. Ich bin davon überzeugt: Wir müssen uns jetzt gemeinsam auf den Weg machen. Wir reichen den Ländern die Hand, sie müssen sie ergreifen. Es ist höchste Zeit dafür.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Vor zwei Jahren habt ihr von weltbester Bildung gesprochen! Und jetzt ist sie nur noch Länderaufgabe!)

Das Wort hat Dr. Götz Frömming für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7604894
Wahlperiode 20
Sitzung 143
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Ergebnisse der PISA-Studie 2022
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