18.01.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 147 / Tagesordnungspunkt 17

Catarina dos Santos-WintzCDU/CSU - Umsetzung des Digital Services Act

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im ersten Quartal 2023 sahen sich etwa 27 Prozent der Internetnutzer in Deutschland mit Hass im Netz konfrontiert. Das sind 15,8 Millionen Menschen im Alter zwischen 16 und 74 Jahren – diese Zahlen hat das Statistische Bundesamt noch Ende letzten Jahres veröffentlicht –, übrigens vergleichbar mit der Bevölkerung von fast ganz Nordrhein-Westfalen.

Dabei ist das Problem nicht neu. Es gab auf nationaler Ebene bereits mit dem am 1. Oktober 2017 in Kraft getretenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz den gesetzlichen Versuch, besser gegen Hass im Netz vorzugehen. Es ist gut, dass inzwischen auch die europäische Ebene bei Hassrede und Desinformation den Faden mit mehreren Initiativen aufgenommen hat. Schließlich macht dieses Problem, wie so viele andere, nicht vor Ländergrenzen halt. Das Inkrafttreten des Digital Services Act, des DSA, am 16. November 2022 ist damit ein wichtiger – und das möchte ich betonen – europäischer Erfolg.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Bei der Umsetzung dieser Verordnung, die ab 17. Februar in den Mitgliedstaaten unmittelbar Anwendung findet, in nationales Recht ist der Anpassungsbedarf insbesondere in Deutschland trotzdem hoch, und das schon deswegen, weil das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das NetzDG, in wesentlichen Teilen vom DSA überschrieben wird. Hier ist mir ein rechtlicher Punkt besonders wichtig: Überschrieben wird nämlich auch § 3 Absatz 2 NetzDG, nach dem bestimmte strafrechtlich relevante Inhalte aus dem Bereich der digitalen Hasskriminalität sowie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen von Anbietern sozialer Netzwerke an das BKA gemeldet werden müssen.

Auch wenn es sich beim DSA um eine Verordnung handelt, gibt es in der juristischen Literatur sehr gute Gründe, anzunehmen, dass wir durchaus Spielräume für eine weiter gehende Meldepflicht auch im nationalen Recht haben. Es geht nämlich im aktuellen Entwurf des DDG nur noch um Straftaten, die eine Gefahr für Leben oder Sicherheit einer Person oder mehrerer Personen darstellen. Und das beschränkt den Anwendungsbereich. Denn was ist das konkret? Wir alle kennen Beispiele, die ganz klar Hass im Netz darstellen, aber nicht zwingend eine Gefahr für Leib und Leben. Sie vergiften aber unser gesellschaftliches Zusammenleben und schaden der Demokratie. Genau das sollen DSA und DDG angehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht auch um die Praxis. Was muss überhaupt gemeldet werden? Es reicht einfach nicht, dass die Bundesregierung sich nur für eine Konkretisierung einsetzt. Jede einzelne Hochrechnung und jede einzelne Schätzung, wie viele Meldungen eingehen werden, kann nur völlig unkonkret sein, weil diese Angaben eben nicht präzisiert wurden und es keinen transparenten Katalog gibt. Das ist eine Aufgabe für das DDG.

Mein Eindruck ist, dass die Unternehmen zum großen Teil ihren Meldepflichten durchaus nachkommen wollen und auch jetzt schon mit Strafverfolgungsbehörden kooperieren. Aber das können sie nur mit klaren Anwendungsfällen. Diese nicht zu definieren, läuft der Zielsetzung des DSA völlig zuwider. Das Argument, es gebe in Deutschland ja kaum Anbieter sozialer Netzwerke und dafür sei ja sowieso die EU oder Irland zuständig, mag zwar nicht unzutreffend sein, aber der DSA umfasst auch andere Unternehmen wie beispielsweise Hosting-Diensteanbieter, und die gibt es in Deutschland sehr wohl in großer Zahl.

Zuletzt möchte ich noch ein paar ernstere Worte verlieren. Angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage sei mir eine weitere Bemerkung erlaubt: Wir beklagen völlig zu Recht die furchtbaren Videos und Bilder des Hamasterrors seit dem 7. Oktober auf allen Plattformen. Dass es nicht mal angesichts dessen möglich war – über Monate! –, eine Einigung über den Entwurf des DDGs zu erzielen, entzieht sich einfach völlig meinem Verständnis.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In der Zwischenzeit sind nämlich zum Beispiel Frankreich und Irland eine enge Kooperation mit der EU-Kommission eingegangen, um frühzeitig im Kampf gegen Hass im Netz handlungsfähig zu sein. Das hat die Bundesregierung nicht verfolgt. Wir haben dazu mehrfach auch im Ausschuss nachgefragt. Diese Haltung kann ich wirklich nicht nachvollziehen.

Aber gerade deswegen freue ich mich sehr auf die weitere inhaltliche Debatte im Ausschuss über die Vielzahl der Themen, die man im Zusammenhang mit dem DDG besprechen kann, und über die Erkenntnisse, die wir aus der Anhörung ziehen werden. Denn eines ist klar: Der Kampf gegen Hass im Netz braucht uns alle.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat Dr. Jens Zimmermann für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7605698
Wahlperiode 20
Sitzung 147
Tagesordnungspunkt Umsetzung des Digital Services Act
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