21.02.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 153 / Zusatzpunkt 1

Norbert RöttgenCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Folgen aus dem Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Alexej Nawalny ist in einem russischen Straflager grausam ermordet worden. Diese Ermordung war selbstverständlich Chefsache. Putin ist der Täter auch dieses Mordes. Für Putin blieb Alexej Nawalny auch dann noch der gefährlichste Mann im Land, als Putin ihn in ein Loch in einem sibirischen Straflager gesteckt hatte. Denn es war in diesem Fall mit der Angst genau andersherum: Alexej Nawalny hatte die Angst überwunden, und Putin hatte Angst. Und aus Angst hat er ihn ermorden lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich möchte hier – ich glaube, damit spreche ich für die allermeisten hier; leider wahrscheinlich nicht für alle – meine unermessliche Bewunderung ausdrücken für Alexej Nawalny, seinen Mut, seine Opferbereitschaft, sein Leben hinzugeben nach einer quälenden, jahrelangen Folter – ein Mord auf Raten. Diese Bewunderung gilt auch seiner Frau Julija Nawalnaja, und sie gilt auch den anderen Mitstreiterinnen und Mitstreitern.

Wladimir Kara-Mursa ist hier genannt worden. Ich habe über Jahre mit ihm in Kontakt gestanden. Ich werde das Gespräch, das wir wenige Wochen vor seiner Verhaftung in Russland in meinem Büro geführt haben, nie vergessen. Auch er wusste, wessen er sich aussetzt, wenn er zurück in sein Land geht. Er hat mir gesagt: Wir müssen es tun für die Freiheit unseres Landes. – Ich habe gesagt: Ich bewundere dich dafür. – Und er hat gesagt: Nein, es ist kein Heldenmut. Wir Russen müssen manchmal nur stur sein. – In dieser Bedrohungslage diesen Humor aufzubringen, auch das ist bedrohlich für Putin, weil es menschliche Größe ausdrückt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Alle diese Widerstandskämpfer verdienen mehr als unsere Bewunderung, so berechtigt sie ist. Sie verdienen mehr als nur Worte; denn Worte beeindrucken Putin nicht. Dafür nimmt er uns nicht ernst. Wie wir handeln und reagieren, ist eben auch ein Signal an Putin und hat entweder Konsequenzen für ihn oder nicht.

Alexej Nawalny wurde im Jahr 2020 vergiftet, auf Putins Anordnung hin. Auch damals war die Betroffenheit enorm groß; aber damals ist nichts passiert. Anstatt Konsequenzen zu ziehen, etwa als Reaktion den Bau von Nord Stream 2 endlich einzustellen, wie es gefordert wurde, passierte damals nichts; der Bau von Nord Stream 2 ging weiter. Business as usual war die Konsequenz. In der Tat: Die Worte waren ergreifend.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Putin nimmt ein solches Verhalten nur als eines wahr, nämlich als Schwäche. Wir dürfen uns diese Schwäche nicht erneut leisten; es muss dieses Mal Konsequenzen geben.

(Beifall bei der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Einbestellung des Botschafters ist nichts, was Putin auch nur annähernd beeindruckt. Wir brauchen Konsequenzen! Das ist das, was die grausamen Verbrechen verlangen.

Konsequenzen zu ziehen, ist in erster Linie die Verantwortung der Bundesregierung; ich kann bei dieser Debatte immerhin ein Mitglied der Bundesregierung begrüßen. Ich möchte Ihnen vier Vorschläge machen, wo und wie wir Konsequenzen ziehen können und müssen, die Putin beeindrucken werden:

Erstens. Putin muss diesen Krieg verlieren, und das muss als Ziel der deutschen Politik benannt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das muss von der gesamten Bundesregierung, von allen Mitgliedern der Bundesregierung unter Einschluss des Bundeskanzlers so als Ziel deutscher Politik formuliert werden, meine Damen und Herren. Das beeindruckt Putin.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Michael Roth [Heringen] [SPD])

Zweitens. Die Unterstützung der Ukraine mit Munition und Waffen muss jetzt hochgefahren werden. Es gibt Staaten, die das tun: Dänemark stellt seine gesamte Artilleriemunition der Ukraine zur Verfügung. Der tschechische Präsident kann 800 000 Schuss Artilleriemunition beschaffen; er sucht nur noch eine Finanzierung. Wir müssen diese Finanzierung hinbekommen, meine Damen und Herren. Wir müssen jetzt Waffen und Munition liefern,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

damit die Ukraine sich verteidigen kann. Das muss jetzt geschehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen keine innenpolitische Taktik und auch keine Gesichtswahrung, von wem auch immer. Es ist eine Frage von Krieg und Frieden, und der müssen wir gerecht werden. Das ist der moralische Ernst der Stunde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Drittens. Wir müssen endlich die bekannten Lücken und Löcher im europäischen Sanktionssystem schließen. Wir wissen es: Es ist unzureichend in der Konzeption und in der Umsetzung. Bis zum heutigen Tag werden russische Waffen von westlichen Firmen, amerikanischen, aber auch europäischen Firmen, mit Technik und Technologie ausgestattet, damit sie in der Ukraine töten. Das muss beendet werden. Auch das ist eine politische Konsequenz.

Viertens. Westliche Länder haben 300 Milliarden Dollar russisches Staatsvermögen eingefroren. Dieses Geld muss eingezogen werden, um damit die Verteidigung und den Aufbau der Ukraine zu finanzieren. Das ist eine schwierige völkerrechtliche Frage, eine Frage elementarer Gerechtigkeit. Wir müssen dieser Gerechtigkeit Genüge tun. Ich schlage vor, dass wir die Gesetze, die dieses Einziehen erlauben, „Nawalny-Gesetze“ nennen, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Das wären vier Konsequenzen. Wir sollten darüber debattieren. Wir sollten zu Taten und Konsequenzen kommen, so wichtig und gut Worte sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frank Schwabe für die SPD-Fraktion ist der nächste Redner.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7607112
Wahlperiode 20
Sitzung 153
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Folgen aus dem Tod des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny
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