21.02.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 153 / Tagesordnungspunkt 31

Sebastian RoloffSPD - Postrechtsmodernisierungsgesetz

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann das schiere Entsetzen, das ich hier spüre, direkt kanalisieren: Die werde ich nicht ausschöpfen, bei Weitem nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Reinhard Houben [FDP]: Och, Sebastian! Bitte!)

Ich gucke, dass ich mich beeile.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir befassen uns heute mit dem Postrechtsmodernisierungsgesetz – ich möchte sagen: endlich. Es ist schon darauf hingewiesen worden: Nach 25 Jahren, in denen sich der Markt selbstverständlich ganz gravierend verändert hat, braucht es eine Anpassung des rechtlichen Rahmens. Wir müssen uns ja nur alle selber mal fragen, wie oft wir jetzt online bestellen, wie oft wir irgendwas zurückschicken, wie oft wir tatsächlich noch Briefe oder Postkarten schreiben und wie viel Post wir bekommen. Dass die Digitalisierung die Briefmengen massiv und schnell zurückgehen lässt und der Onlinehandel das Paketaufkommen steigen lässt, ist ganz offensichtlich und führt zu Herausforderungen, die wir mit Reformen angehen müssen.

Wir müssen den Universaldienst, der weiterhin zeitgemäß ist, sicherstellen und ausfinanzieren. Der starke Anstieg der Paketmenge in der Pandemie hat uns aber auch gezeigt, dass eine flächendeckende, qualitativ hochwertige und bezahlbare Versorgung kein Nice-to-have, sondern Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge ist und einen wichtigen Beitrag zur Versorgung und Teilhabe der Menschen leistet. Es ist ein Aufwand, wenn jemand von Sylt bis auf die Zugspitze innerhalb gewisser Fristen Postdienstleistungen anbieten möchte und dafür die entsprechende Infrastruktur sicherstellen muss. Dafür braucht es einen gesetzlichen Rahmen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ökologische Kriterien müssen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das Aufkommen an Paketen steigt, es gibt immer mehr Zustellfahrzeuge, und zwar gerade in den Städten, da, wo wir wohnen und arbeiten. Klar ist natürlich auch, dass das entsprechende Folgen hat.

Und wir brauchen weiterhin faire Wettbewerbs- und Arbeitsbedingungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Beschäftigten in der Branche leisten viel. Der Applaus kommt völlig zu Recht. Es ist wirklich harte Arbeit. Bei Wind und Wetter sind sie unterwegs. 30 Kilo schwere Pakete müssen bis in den sechsten Stock getragen werden. Der Wettbewerbsdruck ist groß. Dementsprechend ist klar, dass wir hier regulieren müssen.

Es wird niemanden überraschen, dass die SPD einen fairen Wettbewerb will und es niemals duldet, dass Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Genau das erleben wir aber in Teilen der Branche. Der Zoll zum Beispiel spricht bei Paketdienstleistungen von Fällen schwerer und organisierter Kriminalität; das muss man mal sagen. Dementsprechend gibt es hier Regulierungsbedarf.

Die Ausfinanzierung des Universaldienstes sichert tariflich bezahlte und mitbestimmte gute Arbeitsplätze. Die sind in der Branche leider nicht in jedem Fall der Standard.

Wir nehmen mit der Reform nicht zu akzeptierende Auswüchse gerade im Paketbereich in den Blick. Es ist nicht akzeptabel, wenn Kontrollen regelmäßig Verstöße gegen die Zahlung des Mindestlohns, gegen Aufzeichnungspflichten nach dem Mindestlohngesetz oder dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz oder Fälle von Scheinselbstständigkeit, gefälschte Ausweisdokumente von Drittstaatsangehörigen etc. aufdecken. Es ist aus Sicht der Beschäftigten schlicht nicht zu akzeptieren, dass die übergroße Zahl ordentlicher Paketdienstleister hier von schwarzen Schafen unfair unter Wettbewerbsdruck gesetzt wird. Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Reinhard Houben [FDP])

Die Regelungen zur Berechnung des Portos werden wir so anpassen, dass die Bezahlbarkeit gesichert ist und Preissprünge, wie sie im europäischen Ausland schon zu sehen waren, verhindert werden.

Die Paketdienstleister werden ihre Treibhausgasemissionen zukünftig an die BNetzA melden, damit wir einen Überblick bekommen und entsprechend gegensteuern können.

Außerdem wird es ein Umweltsiegel für die Branche geben, damit Kunden sich aktiv für die umweltschonendste Variante der Beförderung entscheiden können.

Und – darüber sind wir sehr froh – schon in diesem Jahr wird es aller Voraussicht nach keine innerdeutschen Nachtflüge für Post- oder Paketdienstleistungen mehr geben.

Mit Blick auf den Arbeitsmarkt haben wir in dem Entwurf viel geschafft, müssen aber die eine oder andere Diskussion noch führen. Die Ausweitung des schon bestehenden Lizenzsystems vom Brief- auf den Paketbereich ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das neue Anbieterverzeichnis schafft mehr Transparenz.

Und es ist gut und richtig, dass der Marktzugang daran gekoppelt wird, dass der Anbieter die wesentlichen Regelungen zu den Arbeitsbedingungen einhält. Wer sich nicht an die Spielregeln unserer hier verabschiedeten Gesetze hält, verliert den entsprechenden Zugang nach einer Kontrolle. Das ist gut und richtig.

Genauso richtig ist es, dass die Auftraggeber die von ihnen beauftragten Subunternehmer auf Zuverlässigkeit überprüfen müssen. Abgesehen von noch zu klärenden Fragestellungen, wie diese Regeln in der Praxis am besten und möglichst wirksam umsetzbar sind, muss das Problem aber an der Wurzel angegangen werden. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls stellt in ihren Prüfungen regelmäßig fest, dass Sub- und Sub-Subunternehmerstrukturen besonders anfällig für Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben sind. Wir müssen uns überlegen, wie wir diese Verstöße abstellen können und wie wir möglichst effizient regulieren.

Ich bin sehr dankbar, dass sich der Bundesrat länderkoalitionsübergreifend und durchaus auch auf Initiative der CDU hin für ein Subunternehmerverbot im Bereich der Zustellung ausspricht.

(Beifall des Abg. Pascal Meiser [Die Linke] – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Recht hat er! Sehr gut!)

Das ist erstens richtig. Zweitens müssen wir uns damit spätestens im Vermittlungsverfahren befassen. Dementsprechend glaube ich, dass der Weg dahin schon mal gut aufgezeigt ist.

Ebenso müssen wir sicherstellen, dass die Beschäftigten ihre Rechte kennen. Das ist gerade für ausländische Beschäftigte und Geringqualifizierte, die in der Branche natürlich präsent sind, eine Herausforderung.

Mit Blick auf die Arbeitsbedingungen wird es auch wichtig sein, sicherzustellen, dass Zustellerinnen und Zusteller 30-Kilo-Pakete, wie ich es gerade schon gesagt habe, nicht mehr alleine in den sechsten Stock schleppen müssen. Das Two-Man-Handling, wie es heißt, sollte hier der Standard sein.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Pascal Meiser [Die Linke])

Das regeln wir auch, allerdings mit dem Ausnahmevorbehalt „Wenn es geeignete technische Hilfsmittel gibt, geht es anders“. Das werden wir uns noch mal sehr genau angucken, damit das auch sinnvoll ist. Es bleibt aber dabei: ab 20 Kilogramm zwei Personen. Und vieles wird auch von der Arbeit der Bundesnetzagentur abhängen, deren Kompetenzen deutlich erweitert werden.

Am Ende muss dieses Gesetz drei Gewinner haben: die Bürgerinnen und Bürger, die weiterhin eine bezahlbare und qualitativ hochwertige Dienstleistung bekommen, die Beschäftigten, die einen interessanten und abwechslungsreichen Job haben, den sie gesund und unter guten Arbeitsbedingungen ausüben, und faire Unternehmer, die nicht aufgrund von kriminellen Konkurrenten einem Dumpingwettbewerb ausgesetzt sind. Daran werden wir das Ergebnis der Debatte messen.

Ich darf zum Abschluss, weil es, glaube ich, meine letzte Gelegenheit ist, noch dem Kollegen Meiser danken. „ Zusammenarbeit“ kann man es nicht nennen; aber ich würde mal sagen, zumindest „Diskussionen“ waren es. Ich wünsche dir – in dem Fall darf ich „du“ sagen – alles Gute für deine weitere politische Arbeit. Ich hoffe, die Linke schickt uns nicht wieder so einen harten Hund in den Wirtschaftsausschuss,

(Janine Wissler [Die Linke]: Aber hallo!)

und freue mich, dass du uns gleich wieder erklärst, warum das alles Quatsch ist, was wir machen – manchmal ja auch nicht ganz zu Unrecht, aber manchmal schon. Ich freue mich auf die weitere Debatte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der Linken)

Vielen Dank, Herr Kollege Roloff. – Nächster Redner ist der Kollege Bernd Schattner, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7607198
Wahlperiode 20
Sitzung 153
Tagesordnungspunkt Postrechtsmodernisierungsgesetz
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta