Carmen WeggeSPD - Binnenmarkt für digitale Dienste
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Zahlreiche Internetseiten, soziale Plattformen, Onlinemarktplätze und Hostingdienste formen unsere digitale Welt, in der wir heute wie selbstverständlich unterwegs sind.
Ähnlich wie es am Anfang des vergangenen Jahrhunderts, als nur wenige Autos auf den Straßen unterwegs waren, noch keine Straßenverkehrs-Ordnung gab, gab es auch für unser digitales Umfeld lange noch keine Regulierung. Aber je mehr wir uns darin bewegen, unser Leben ins Netz verlagern, Geschäfte dort abschließen, Reisen buchen, uns dort informieren und Medien lesen, uns sozial engagieren und mit Freundinnen und Freunden und Fremden politisch diskutieren, umso wichtiger wurde es, diese Infrastruktur nach unseren Regeln zu gestalten. Das gilt umso mehr, weil digitale Gewalt in Form von Beleidigung oder Bedrohung im Netz nichts weniger als unsere Demokratie gefährdet: Menschen beteiligen sich weniger an Diskussionen auf Plattformen, bringen sich weniger ein, weil sie Angst vor Hass und Hetze haben. Das können wir nicht akzeptieren!
(Beifall bei der SPD)
Mit dem Digital Services Act haben wir endlich eine europäische Verordnung, um digitale Dienste in ihre Verantwortung zu nehmen. Manche sprechen vom Grundgesetz des Internets. Ich würde eher sagen: Der DSA ist quasi die Straßenverkehrs-Ordnung des Internets. Gut, dass wir sie jetzt haben.
Wir wollen den Nutzerinnen und Nutzern Instrumente an die Hand geben, um ihre Grundrechte auch im digitalen Raum ausleben zu können. Was ist dabei wichtig?
Erstens. Ich als Nutzerin, ich will eine wirksame Meldung machen können. Alle Anbieter müssen Meldewege einrichten, über die Nutzer/-innen Hass oder illegale Inhalte melden können.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Das betrifft zum Beispiel beleidigende und bedrohende Kommentare, aber auch gefälschte Produkte auf Onlinemarktplätzen. Die Anbieter müssen diese Meldung nach dem DSA zeitnah, sorgfältig, frei von Willkür und objektiv bearbeiten und eine Entscheidung treffen: Ist dieser Inhalt illegal, und muss er gelöscht werden, oder darf er stehen bleiben? Auch das wäre eine Möglichkeit.
Der Digital Services Coordinator bei der Bundesnetzagentur wird die Pflichterfüllung für die deutschen Anbieter kontrollieren. Wir haben mit dem Änderungsantrag festgelegt: Wenn die Anbieter wiederholt keine Entscheidung treffen, dann kann ein Bußgeld fällig werden. Das ist gut.
Zweitens. Ich als Nutzerin, ich will jemanden auch erreichen können. Wir legen im Gesetz heute fest:
(Zurufe von der AfD)
Ein Anbieter mit einem Sitz außerhalb der EU muss einen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland bestimmen, der gerichtliche Schreiben annimmt.
Wir wollen in Zukunft aber gerne alle Plattformen, auch die großen Plattformen mit einem Sitz in Irland, wie Youtube oder Meta, dazu verpflichten, Rechtsdokumente von Betroffenen von digitaler Gewalt auch in Deutschland entgegenzunehmen. Das hatten wir im NetzDG bereits eingeführt, und das war für die Nutzer/-innen ein voller Erfolg.
Die Vorteile einer Stelle innerhalb des Landes liegen natürlich auch auf der Hand: Die Betroffenen von digitaler Gewalt können schnell und ohne große Hürden ihre Beschwerden einreichen, haben eine klare Kontaktmöglichkeit, es entstehen keine Kosten für Übersetzungen, und die Zustellung geht schneller, als wenn sie erst ins Ausland geschickt oder sogar gefaxt werden muss. Deshalb bin ich froh, dass die bisherigen Eckpunkte des BMJ für das digitale Gewaltschutzgesetz die Verpflichtung zur Benennung einer solchen Stelle auch beinhalten. Wir prüfen gerade intensiv, wie dies mit den europarechtlichen Vorgaben auch weiterhin möglich sein wird.
Drittens, aber nicht zuletzt. Ich als Nutzerin, ich will nicht gefährdet werden in der analogen Welt. Jetzt wissen wir: Das Internet funktioniert nicht wie die analoge Welt, sondern kann alles potenzieren. Gutes und Schlechtes wird online schneller und für viel mehr Menschen zugänglich gemacht als offline.
Deshalb macht es einen Unterschied, ob meine private Wohnadresse nur in einem Register auf dem Amt steht oder in einem öffentlichen Blog, in dem ich, zum Beispiel als Journalistin, über Rechtsextreme schreibe. Aber: Alle Betreiberinnen und Betreiber von Internetseiten müssen gemäß Europarecht ein Impressum haben. Die Wohnadresse im Impressum ist ein Einfallstor für digitale Gewalt wie Stalking, Identitätsdiebstahl bis hin zu Bedrohung.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Die harmlosere Form ist, dass da jemand Pizzas auf meinen Namen und zu meiner Adresse bestellt, die ich zahlen muss.
(Zuruf des Abg. Jörn König [AfD])
Die schlimmere Form ist, dass mir jemand vor der Haustür auflauert. Wir bitten deshalb die Bundesregierung, zu prüfen, welche europarechtlichen Möglichkeiten es gibt, eine Kontaktierbarkeit auf anderem Wege als durch die Angabe der Wohnadresse sicherzustellen.
Insgesamt sind wir also auf einem sehr guten Weg, der aber noch lange nicht zu Ende ist. Ich freue mich, auch mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Rechtsbereich in den nächsten Wochen diesen Weg weiterzugehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als Nächste hat das Wort für die Gruppe Die Linke Anke Domscheit-Berg.
(Beifall bei der Linken)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Electoral Period | 20 |
Session | 160 |
Agenda Item | Binnenmarkt für digitale Dienste |