Leni BreymaierSPD - Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Tribünen! Ich sehe hier einige Teenagerinnen sitzen. Ich denke mir, Mädchen, Teenagerinnen, denken an vieles: Sie denken an Musik, sie denken an Klamotten, sie denken an Zeugnisnoten, ja, auch mal an Jungs, an Sport, an ihre Social-Media-Profile, aber eher nicht ans Heiraten. Ihre Eltern machen sich Gedanken, wie es in der Schule läuft, vielleicht schon über deren Ausbildung, ob sie Corona gut überstanden haben, ob sie ihren Weg machen werden. Aber sicherlich denken Eltern von Kindern und Teenagern in Deutschland nicht an die Hochzeit ihrer Töchter. Warum nicht? Das werden die Töchter wohl selbst in die Hand nehmen, wenn die Zeit dafür gekommen ist.
Für viele Mädchen – wir haben es gehört – sieht die Welt aber ganz anders aus: Laut UNICEF werden jährlich schätzungsweise 12 Millionen Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Diese Mädchen werden minderjährig in die Rolle einer Ehefrau und sogar die einer Mutter gepresst. Für sie bestehen sehr hohe Risiken von Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen. Jedes Recht auf eine eigene Zukunft, auf Selbstbestimmtheit, jedes Recht auf körperliche Selbstbestimmung wird ihnen genommen.
Mädchenrechte sind Menschenrechte. Daraus lassen sich die universellen Rechte auf Gesundheit, körperliche Selbstbestimmung und soziale Sicherung ableiten. Das sind wesentliche Merkmale unserer feministischen Entwicklungs- und Außenpolitik.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kinderehen sind Kindesmissbrauch und dürfen in unserem Rechtssystem nicht anerkannt werden. Darum ächten wir in Deutschland Kinderehen. Wir schaffen die dafür notwendigen Rechtsnormen für Deutschland.
Die Faktoren, warum Kinderehen weltweit geschlossen werden, sind damit noch nicht beseitigt. Armut, soziale Normen, Rollenbilder, die Annahme, dass Mädchen durch eine Heirat besser geschützt sind, fehlende Bildungsmöglichkeiten für Mädchen, religiöse Bräuche und nicht ausreichende Gesetze – das sind die Punkte, die in unserer Entwicklungshilfe Beachtung finden und finden müssen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die Bundesrepublik Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht uns als Gesetzgeber im letzten Frühjahr vorgegeben, bis zum 30. Juni dieses Jahres eine Neuregelung zu verabschieden. Das werden wir tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Katrin Helling-Plahr [FDP] – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Mit welchem Inhalt denn?)
Wir werden bis zum Sommer das Gesetz beschließen und die Karlsruher Entscheidung umsetzen. Was denn sonst? Das Wohl der Kinder und jungen Frauen steht dabei im Mittelpunkt. Mit einer konsequenten Unwirksamkeit der Kinderehen, flankiert mit passgenauen Regelungen zu den Folgewirkungen der Nichtigkeit der Ehe, werden wir den Interessen der Minderjährigen am besten gerecht.
Aufhebungsregelungen im Einzelfall würden die Kinder nicht in gleicher Weise schützen; das sagt uns das Bundesverfassungsgericht. Das haben wir sorgfältig abgewogen und dabei die großfamiliären und traditionellen Einflüsse berücksichtigt. Es dient dem Kindeswohl, wenn Minderjährige Bildungschancen statt Ehepflichten bekommen. Es dient dem Kindeswohl, wenn Jugendliche Freiräume für ihre Persönlichkeitsentwicklung haben, um sich jenseits von institutionellen Zwängen ausprobieren zu können. Es dient dem Kindeswohl, wenn allen Kindern und Jugendlichen die in der UN-Kinderrechtskonvention verbrieften Rechte auf Schutz, Förderung und Beteiligung ohne Wenn und Aber garantiert werden.
Mit Ihrem Antrag zur konsequenten Bekämpfung von Kinderehen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, rennen Sie bei uns offene Türen ein. In der Koalition laufen die Arbeiten an dem von Ihnen geforderten Gesetzestext auf Hochtouren. Sie können uns gerne bei einer umfassenden Verankerung des Kindeswohls in unserem Rechtssystem – nämlich bei Kinderrechten im Grundgesetz – unterstützen. Dazu lade ich Sie und alle anderen Mitglieder des Bundestages sehr herzlich ein.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Silvia Breher für die Unionsfraktion ist die nächste Rednerin.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609183 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 160 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen |