Jan DierenSPD - Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes
Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete der demokratischen Fraktionen! Liebe Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben und Unternehmen! Betriebs- und Personalräte engagieren sich für ihre Kolleginnen und Kollegen. Sie helfen bei Konflikten am Arbeitsplatz, sorgen dafür, dass Einstellungen, Versetzungen und Eingruppierungen fair ablaufen. Sie achten darauf, dass Regelungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eingehalten, nicht zu viele Überstunden gemacht und Unternehmen familienfreundlicher werden. Das alles machen sie ehrenamtlich, oft neben ihrer eigentlichen Arbeit, häufig in der Freizeit.
Diese Arbeit im Betriebsrat ist häufig nicht unbedingt ein Karrierevorteil, zum Beispiel bei Samuel Atuegbu. Samuel war bei Amazon in Wunstorf beschäftigt, sachgrundlos befristet. Zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen gründete er dort gegen den Widerstand der Geschäftsführung einen Betriebsrat. Samuels Vertrag wurde daraufhin nicht verlängert. Es gibt zwar keine Beweise, dass es daran lag, dass er unbequem war und einen Betriebsrat gegründet hat. Aber zum gleichen Zeitpunkt wurden die Arbeitsverträge von 16 anderen befristet Beschäftigten verlängert. Den Schluss daraus zu ziehen, ist jetzt nicht schwer.
Oder nehmen wir das Beispiel Tesla. Elon Musk macht keinen Hehl daraus, dass er Gewerkschaften verachtet und aus seinen Betrieben raushalten will. Der einen oder anderen Gewerkschafterin bzw. dem einen oder anderen Gewerkschafter wurde genau deswegen gekündigt. Das hat die Kolleginnen und Kollegen von der Gewerkschaft IG Metall bei Tesla in Grünheide aber nicht im Mindesten beeindruckt. Bei der Betriebsratswahl diese Woche haben sie einen Wahlsieg errungen und stellen nun den größten Anteil der Sitze im Betriebsrat.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ihnen, dem neu gewählten Betriebsrat bei Tesla, und allen anderen Betriebsräten sowie Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, die auch nicht klein beigeben, wenn sie mit den Reichen und Mächtigen dieser Welt in Konflikt geraten, gelten unser Glückwunsch und unsere Hochachtung!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Betriebsräte verstecken sich nicht. Sie machen sich angreifbar. Durch ihr Engagement, durch ihr Ehrenamt gehen sie ein hohes, auch persönliches Risiko ein. Im Betriebsverfassungsgesetz steht: Sie dürfen wegen dieser Arbeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. – Das ist bei der Lohnentwicklung freigestellter Betriebsräte gar nicht so einfach. In Betrieben ab 200 Beschäftigten wird ein Betriebsratsmitglied freigestellt, weil die ehrenamtliche Arbeit so umfangreich ist, dass sie neben der eigentlichen Arbeit gar nicht mehr zu bewältigen ist. Betriebsratsmitglieder, die freigestellt sind, bekommen aber keine Extravergütung, sondern den Lohn fortgezahlt, den sie auch bisher bekommen haben.
Jetzt stellen Sie sich vor: Jemand fängt in einem großen Unternehmen an, wird in den Betriebsrat gewählt, nach ein paar Jahren freigestellt und arbeitet dann über mehrere Wahlperioden 20 oder 30 Jahre im Betriebsrat, verhandelt mit den Managern und Managerinnen, setzt sich für seine Kolleginnen und Kollegen ein, stellt bei Entlassungen Sozialpläne auf, und nach 20 oder 30 Jahren würde diese Person immer noch dasselbe verdienen wie am Anfang ihrer Betriebsratstätigkeit. Andere Kolleginnen und Kollegen haben in derselben Zeit aber natürlich Karriere gemacht, verdienen längst deutlich mehr. Wäre das gerecht? Nein, das wäre ein Nachteil. Und genau den verbietet aber das Gesetz. Es gab bislang eine klare Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die besagt, dass sich die Löhne freigestellter Betriebsratsmitglieder dann so weiterentwickeln sollen wie die vergleichbarer Kolleginnen und Kollegen im Durchschnitt, also genauso wie sich die Karriere entwickelt hätte, wenn das Betriebsratsmitglied nicht in den Betriebsrat gegangen wäre. Diesen Grundsatz, der sehr klar war, hat nun der Bundesgerichtshof durch ein Urteil im letzten Jahr – der Minister hat es angesprochen – infrage gestellt und damit einen Widerspruch ausgelöst zwischen zwei obersten deutschen Gerichtshöfen. Diesen Widerspruch lösen wir jetzt auf. Wir stellen damit klar: Die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern soll sich an der Lohnentwicklung vergleichbarer Beschäftigter orientieren. Und wenn sich Unternehmensleitungen und Betriebsräte auf Grundsätze dafür einigen, die übrigens transparent in Betriebsvereinbarungen festgelegt werden, dann ist das rechtmäßig. Das sorgt für rechtliche Klarheit für die Betriebsräte, aber auch für die Unternehmensleitungen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Klarstellung ist wichtig, aber wir wollen dabei nicht stehen bleiben; denn Betriebsräte sind unverzichtbar, um den Wandel der Arbeitswelt im Sinne der arbeitenden Menschen zu gestalten. Sie brauchen zeitgemäße Rechte, um die Digitalisierung und künstliche Intelligenz gestalten zu können und angemessen damit umgehen zu können. Betriebsräte sorgen aber auch für mehr Gerechtigkeit und mehr Demokratie in der Arbeitswelt. Wir werden sie dabei weiter unterstützen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Carl-Julius Cronenberg [FDP])
Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Wilfried Oellers.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609254 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 161 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes |