Carmen WeggeSPD - DÜV-Anpassungsgesetz, Bezahlkartengesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich rede jetzt zum Datenschutz, fange aber trotzdem mit den Ausländerbehörden an. Die Ausländerbehörden sind überlastet; ich glaube, darüber sind wir uns hier im Saal einig. Es gibt aber unterschiedliche Herangehensweisen an dieses Problem. Natürlich kann man monatelang unsägliche Migrationsdebatten im Tenor „Das Boot ist voll“ lostreten. Das hilft ausgelasteten Behörden aber kein Stück weiter. Vor allem würde man dann bewusst gegen eines der zentralen Menschenrechte auf dieser Welt verstoßen wollen, das Recht auf Asyl.
Viel wichtiger ist daher, sich die Probleme genau anzuschauen und dann praxistaugliche Lösungen zu finden. Dann wird man feststellen: Das Problem sind gar nicht die Menschen, die zu uns kommen, sondern veraltete und bürokratische Verfahren.
(Lachen des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])
Manuelle Abfragen zwischen Behörden, Einzelfallrecherchen, unnötige Behördengänge und zeitintensive behördeninterne Kommunikationsprozesse –
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ach! Das ist das Problem? Sie haben aber was Wesentliches nicht verstanden, oder?)
all das führt zu Verzögerungen und bindet Kapazitäten. Die Arbeit der beteiligten Behörden muss endlich digitaler werden. Und genau das machen wir mit diesem Gesetzentwurf. Der digitale Datenaustausch ersetzt künftig Brief, Fax und sogar die Mail.
Das Ausländerzentralregister ist bereits jetzt die zentrale Informationsdrehscheibe im Ausländer- und Asylrecht. Hierüber tauschen die verschiedenen Behörden Informationen aus und halten so ihre Datenbestände aktuell. Wir machen nun das automatisierte Verfahren zum Abruf von Daten zum neuen Regelfall. Außerdem erweitern wir die abrufberechtigten Behörden und vergrößern den Datenkranz. All das soll die Behörden entlasten und ihre Arbeit beschleunigen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Da dies Wünsche der MPK waren, die auch wir hier im Parlament für sinnvoll erachtet haben, haben wir sie durch dieses Gesetz selbstverständlich gerne umgesetzt. Trotzdem muss ich als Parlamentarierin sagen, dass es kein Gesetz geben kann, das nicht auch ein Gesetz des Parlaments ist. Schließlich sind wir der Gesetzgeber in diesem Land. Daher freue ich mich besonders, dass wir dieses Gesetz dazu genutzt haben, nicht nur das Arbeiten zwischen den Ausländerbehörden und Leistungsbehörden zu existenzsichernden Leistungen zu verbessern, sondern auch den Schutz der Menschen, die im Ausländerzentralregister zu finden sind. Denn Datenschutz gilt nicht nur für Deutsche, sondern für alle, die sich in unserem Land befinden.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Stephanie Aeffner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Stephan Thomae [FDP])
Mit rund 26 Millionen personenbezogenen Datensätzen ist das Ausländerzentralregister eines der größten automatisierten Register der öffentlichen Verwaltung. Tausende öffentliche Stellen von Bund, Ländern und Kommunen haben Zugriff. Es ist also sehr wichtig, dass Missbrauch von Daten bestmöglich verhindert wird und die Datenflüsse transparent sind. Wir möchten größtmögliche Transparenz herstellen bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Deshalb ist es richtig, dass wir nun ein Ausländerzentralregister-Datenschutzcockpit schaffen. Immer wenn die Daten einer Person zwischen Register und Behörden übermittelt werden, kann die betroffene Person das im AZR-Datenschutzcockpit nachverfolgen. Ein solches Datenschutzcockpit kennen wir bereits aus der Verwaltungsmodernisierung, wie wir es zum Beispiel im Onlinezugangsgesetz für deutsche Staatsbürger/-innen geschaffen haben. Die Lösung in diesem Gesetz wird allerdings zunächst eine rechtlich und technisch eigenständige Lösung sein und vom BfDI begleitet werden.
Neben mehr Transparenz schaffen wir aber auch effektive Vorsorge, um Datenmissbrauch zu verhindern. AZR-Zugriffe sind nur unter bestimmten technischen Voraussetzungen möglich, und jede Behörde kann nur auf Daten zugreifen, die sie auch wirklich braucht. Alle Zugriffe im automatisierten Verfahren werden außerdem protokolliert und lassen sich im Nachhinein nachvollziehen. Das BAMF überprüft durch regelmäßige Stichprobenkontrollen die ordnungsgemäße Nutzung des automatisierten Abrufverfahrens, und diese Stichprobenkontrollen intensivieren wir nun durch diesen Gesetzentwurf.
Doch auch das ist noch nicht alles. Neben besserer Transparenz und effektiver Prävention von Datenmissbrauch erleichtern wir auch die Ahndung, wenn es dennoch zu einem Missbrauch kommt. Mit der Möglichkeit, für alle öffentlichen Stellen am automatisierten Abrufverfahren teilzunehmen, wird der Kreis der zugriffsberechtigten Behörden steigen. Bisher wird Datenmissbrauch allerdings nur auf Antrag hin verfolgt. Das ändern wir nun zu einem Offizialdelikt. Für eine effektive Ahndung datenschutzrechtlicher Verstöße wird das Antragserfordernis gestrichen. Verstöße sind dann von Amts wegen zu verfolgen.
Aber auch das ist noch nicht genug. Wir gehen noch einen Schritt weiter. Wir nehmen auch die Kritik auf, dass die Speicherung von Asylbescheiden und aufenthaltsrechtlichen Gerichtsentscheidungen im AZR im Volltext erfolgen kann. Aus diesem Grund werden wir in Zukunft bei stattgebenden Asylbescheiden und gerichtlichen Entscheidungen nur noch den Tenor im AZR zugänglich machen. Asylbescheide, die eine Rückkehrentscheidung enthalten, werden zwar weiterhin im Volltext gespeichert, aber in diesen Fällen schränken wir den Kreis der zugriffsberechtigten Behörden stark ein und gewährleisten so einen verfassungskonformen Datenschutz.
Jetzt merken vielleicht die Zuhörerinnen und Zuhörer, dass es im Saal ein bisschen ruhiger geworden ist.
(Rasha Nasr [SPD]: Zum Glück! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Nein! Das ist ganz spannend!)
Dass wir den Datenschutz stärken, erhitzt die Gemüter nicht so sehr. Ich kann Ihnen aber versichern: Das bewirkt sehr viel für die Menschen, die im Ausländerzentralregister stehen. Ich als Datenschützerin finde: Dieses Gesetz ist herausragend gelungen. Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit. Ich kann diesem Gesetz heute guten Gewissens zustimmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Detlef Seif.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609780 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 164 |
Tagesordnungspunkt | DÜV-Anpassungsgesetz, Bezahlkartengesetz |