Carolin WagnerSPD - Regulierung von Mobilitätsdaten
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Viele von uns sind über die Osterfeiertage nach Hause gefahren – vielleicht mit dem E-Scooter zum Bahnhof, dann eine weite Strecke mit der Bahn und die letzten Kilometer vielleicht mit einem Carsharing-Angebot direkt nach Hause. Diese Art zu reisen, das sogenannte multimodale Reisen, kommt ganz nah ran an das, was den Individualverkehr mit dem Pkw so attraktiv macht: Es bringt mich von Tür zu Tür, aber eben mit den Öffis oder mit Sharing-Angeboten und somit klimaschonend.
Damit das so stattfinden kann – nahtlos von A nach B –, damit das so attraktiv wird, wie wenn man sich ins Auto vor der Haustür setzt und da ankommt, wo man hinwill – dafür müssen viele Schnittstellen miteinander verbunden werden. Da müssen am besten diese vielen Anbieter meiner multimodalen Reiseetappe in einer App zusammengeführt sein, damit ich eben dort Tickets, Freischaltungen etc. pp. gebündelt vorfinde und auch aufeinander abstimmen kann. Die Grundlagen dafür sind wiederum Daten: Fahrplandaten, Echtzeitdaten von Bus- und Bahnverbindungen, die mir Verspätungen anzeigen, und Echtzeitdaten zu Auslastungen der Verkehrsmittel, um mir gegebenenfalls Alternativen zu suchen, Daten zu Standorten von Ladepunkten und Parkplätzen, zu Witterungsverhältnissen, Verkehrslagen, Baustellen usw. usf.
Dieses Beispiel ist nur eines von vielen, was mit Mobilitätsdaten zu machen wäre. Und schon heute werden Mobilitätsdaten ja auch eingesetzt für intelligente Verkehrssysteme.
Werte Union, wir sind uns ja einig in der Analyse: In diesen Daten stecken viele Potenziale, wenn wir sie nutzbar machen für eine sichere, vernetzte, smarte und digitale Mobilität. Und um diese Potenziale weiter nutzbar zu machen für einen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Mobilität – dafür wird das Mobilitätsdatengesetz sorgen. Wir schaffen mit diesem Gesetz eine Bündelung mehrerer europäischer Regelungen, nämlich etwa mehrerer Delegierten Verordnungen zur IVS-Richtlinie, mit dem Personenbeförderungsgesetz, in denen bereits jetzt vorgeschrieben ist, welche Daten an einen nationalen Zugangspunkt zu melden sind.
Dies nehmen wir aber jetzt eben auch zum Anlass, um die Verkehrsanbieter stärker in die Pflicht zu nehmen, die Daten zu teilen. Bislang müssen nach dem Personenbeförderungsgesetz nur Unternehmer und Vermittler von Linien- und Gelegenheitsverkehr, also etwa ÖPNV, bestimmte Daten teilen. Nun werden wir mit dem Gesetz auch Anbieter für Mikromobilität, Sharing-Angebote oder des Schienenpersonenverkehrs in die Pflicht nehmen, Daten über den sogenannten National Access Point, den NAP, bereitzustellen. Und davon profitieren viele: Gewinner sind insbesondere die Bürgerinnen und Bürger, die ein besseres Mobilitätsangebot nutzen können. Aber auch etwa die Forschung oder innovative Start-ups werden so auf mehr und bessere Daten zurückgreifen können. Und auch die Mobilitätsinfrastruktur wird insgesamt deutlich gestärkt – institutionell und organisatorisch.
Das Mobilitätsdatengesetz ist also richtig und wichtig, jedoch keinesfalls einfach. Es gilt, einiges zu beachten und sorgsam zu agieren:
Ja, liebe Union, der Referentenentwurf wurde für Ende 2023 angekündigt. Es ist aber auch immer ein Leichtes, als Opposition zu Beginn eines Gesetzgebungsprozesses nach einem Zeitplan zu fragen und den hinten hinaus zu kritisieren.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das dauert ja jetzt schon lange genug! Das ist ja Wahnsinn! Die Legislaturperiode ist bald rum!)
Sie sollten ja selbst aus Ihrer Regierungsverantwortungszeit wissen, dass komplexe Themen gegebenenfalls mehr Zeit brauchen. Wir nehmen uns die für einen breit angelegten Abstimmungsprozess, wie er auch hier vom BMDV mit Verbänden und Interessenvertretungen stattgefunden hat. Außerdem muss man beachten, dass wir in diesem Bereich keine Doppelstrukturen schaffen und eine Zersplitterung der Aufsichten vermeiden wollen. Mit einer klugen Personalpolitik wollen wir auch hier im Rahmen der aktuellen Haushaltslage Lösungen finden.
Datensouveränität und Datensicherheit – das ist uns ja auch besonders wichtig. Die müssen gleichermaßen geschützt werden. Die Daten dürfen nicht personenbezogen rückführbar sein. Dies gilt als Grundsatz für alle Themenbereiche, die durch Datenräume neue Anwendungsfälle erhalten sollen. Die Sicherheit der Daten hat höchste Priorität. Digitalisierung und Datenteilen – da ist eine gewisse Vorsicht, die sich Bürgerinnen und Bürger ins Gewissen rufen, auch richtig. Eine forsa-Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentrale hat gezeigt, dass verlässliche Informationen in Echtzeit für 83 Prozent der Befragten wichtig sind für das Planen von Mobilitätsfahrten. Jedoch nur jeder Sechste ist dazu bereit, seine Mobilitätsdaten weiterzugeben, jeder Dritte, wenn es der Allgemeinheit dient, und ein Drittel ist generell nicht bereit, Daten zu teilen. Diese Skepsis kann nur reduziert werden, wenn Vertrauen geschafft wird. Deshalb stehen für uns Sicherheit und Datenschutz im Mittelpunkt dieser Anwendungen.
(Zuruf von der CDU/CSU)
Auch für neue Anwendungen, die auf KI basieren – und genau hier haben wir die innovativsten Fortschritte zu erwarten –, brauchen wir Mobilitätsdaten. Dabei ist es wichtig, dass sie von guter Qualität sind und nach einheitlichen Standards bereitgestellt werden. „ Masse statt Klasse“ klappt auch hier nicht.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist aber auch kein Geheimnis, dass wir von der SPD-Fraktion gerne die Fahrzeugdaten im Mobilitätsdatengesetz gesehen hätten. Denn auch hier macht sich ein Bereich auf, der einen hohen Regelungsbedarf hat im Hinblick auf die Nutzung des Potenzials dieser Daten. Wegen fehlender Regelungen haben sich bei den Fahrzeugherstellern riesige Datensilos aufgebaut. Und ehrlicherweise: Wirklich etwas damit anstellen können die Hersteller auch nicht. Im Teilen und Zugänglichmachen dieser Daten liegt aber ihr Wert für innovative Anwendungen. Im Vergleich zu den Mobilitätsdaten – der Kollege von der Union hat es gesagt – haben wir bei den Fahrzeugdaten in Sachen Datenschutz und Sicherheit einen weitaus höheren Regelungsbedarf.
Es war lange logisch, auf die sektorspezifische Regelung vonseiten der EU-Ebene zu warten, die im Zuge des Data Acts angekündigt war. Jetzt wird sie wohl nicht mehr kommen, und in der Zwischenzeit werden die Fahrzeughersteller ihre Datensilos weiter ausbauen und auf ungenutzten Datenschätzen sitzen bleiben. Deshalb mein Appell an das BMDV: Lassen Sie uns hierbei in dieser Legislaturperiode auf jeden Fall noch weiter voranschreiten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Wagner. – Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Kollege Eugen Schmidt.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7609830 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 164 |
Tagesordnungspunkt | Regulierung von Mobilitätsdaten |