25.04.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 166 / Zusatzpunkt 8

Bernd RützelSPD - 14 Euro gesetzlicher Mindestlohn

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute, Gott sei Dank, wieder einmal über den Mindestlohn sprechen, dann denke ich zuerst an eine Veranstaltung, die diese Woche Dienstag stattgefunden hat, nämlich die Geburtstagsfeier, der Festakt zu 75 Jahren Tarifvertragsgesetz. Im DGB-Haus waren viele wichtige Menschen versammelt, und man hat sich noch einmal mit diesem Gesetz beschäftigt. Es ist nämlich am 9. April 1949 in Kraft getreten und damit gut fünf Wochen vor unserem Grundgesetz.

Das Gesetz wurde damals ohne Gegenstimmen – einstimmig – angenommen. Die SPD-Fraktion hat es damals im Wirtschaftsrat als Initiativantrag eingebracht, und alle – die Alliierten, die Parteien, die Arbeitgeber und die Gewerkschaften – haben gewusst und waren sich sicher, dass die Wiederherstellung eines freiheitlichen Tarifsystems von immenser Bedeutung für die Demokratie und den Frieden ist, dass unbedingt eine Konfliktregelung zwischen Kapital und Arbeit geschaffen und dieser gesellschaftliche Großkonflikt, den es auch heute noch gibt, strukturiert werden muss. Sie haben gewusst, dass die Tarifautonomie zusammen mit der betrieblichen Mitbestimmung und der Unternehmensmitbestimmung ein Garant für Mindestsicherungen, Arbeitsschutz, Sozialleistungen und soziale und gesellschaftliche Teilhabe ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und alle wussten: Wenn die Tarifbindung als zentrales Instrument zur Lösung dieses Konflikts wegfällt, dann bleibt der Konflikt. Wenn ein solcher Konflikt nicht gelöst wird, dann sucht er sich andere Ausdrucksformen, und das gefährdet unsere Demokratie.

Vor 75 Jahren, 1949, gab es dieses gemeinsame Interesse. Ich hoffe, dass es dieses gemeinsame Interesse auch heute, nach 75 Jahren, noch gibt. Aber wir sehen: Die Tarifbindung ist deutlich rückläufig. Nur noch jede zweite Arbeitnehmerin, jeder zweite Arbeitnehmer wird von einem Tarifvertrag geschützt. Diesen Leuten geht es besser als denen, die keinen Tarifvertrag haben. Aber der Geist damals und auch der von Artikel 9 des Grundgesetzes war nicht: „Ihr könnt, wenn ihr wollt, Tarifverträge abschließen“, sondern: „Ihr sollt Tarifverträge abschließen, weil ihr es besser könnt als die Politik. Schließt Tarifverträge ab!“

Vor ungefähr zehn Jahren kam die Forderung auf: Irgendwie funktioniert das nicht mehr; wir brauchen den Mindestlohn, um eine untere Grenze, eine Haltelinie, unterhalb derer der Lohn sittenwidrig ist, einzuführen. – Manche Staaten brauchen das nicht. Ich wäre auch froh, wenn wir keinen Mindestlohn bräuchten, weil wir eine ganz hohe Tarifbindung hätten.

Wir haben damals nicht zugeschaut, und wir haben auch jetzt nicht zugeschaut. Mit 12 Euro, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir annähernd in den Bereich gekommen, wo wir europäisch mithalten können. Mit zwei weiteren Trippelschritten auf 12,41 Euro in diesem Jahr und 12,82 Euro ab dem nächsten Jahr sind wir aber wieder zurückgefallen, was die 60 Prozent betrifft. Andere haben schnellere Schritte gemacht.

(Matthias W. Birkwald [Die Linke]: Genau!)

Es ist wichtig, auf Augenhöhe zu verhandeln, auf Augenhöhe zu entscheiden. Es ist nicht der Geist des Grundgesetzes, dass jemand sagt: Da geht es lang. – Das ist auch nicht der Geist des Tarifvertragsgesetzes. Es wäre gut, wenn es auch nicht der Geist der Mindestlohnkommission wäre. Sonst brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn immer wieder Diskussionen über die Mindestlohnkommission und über die Höhe des Mindestlohnes stattfinden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Matthias W. Birkwald [Die Linke])

Die nächste Rednerin ist Jana Schimke für die Unionsfraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7610701
Wahlperiode 20
Sitzung 166
Tagesordnungspunkt 14 Euro gesetzlicher Mindestlohn
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