16.05.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 169 / Tagesordnungspunkt 7

Frank SchwabeSPD - 75 Jahre Europarat

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauende! Es gab neulich einen Film im Fernsehen, in dem es um einen Mitgliedstaat des Europarats ging: um Aserbaidschan. Keine Angst, darüber rede ich jetzt nicht. Wir wollen ja 75 Jahre Europarat feiern. Ich will aber das Lob gleich zurückgeben: Vielen Dank dafür, dass wir auch an einer solchen Stelle hier im Deutschen Bundestag unter den demokratischen Parteien gemeinsam agieren und nicht zulassen, dass andere Staaten in Europa, im Europarat unsere Arbeit und unsere Credibility unterminieren. Vielen Dank auch Ihnen ganz persönlich, Herr Wadephul, dass wir das gemeinsam aufgeklärt und gemeinsam die richtige Antwort gegeben haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich wollte aber gar nicht über Aserbaidschan reden. Ich wollte nur sagen: Es gab auf diesen Film Reaktionen – Hunderte, vielleicht Tausende von Zuschriften, die alle sehr positiv waren – ich habe dabei eine Rolle gespielt. Die allermeisten – ich würde sagen, mindestens die Hälfte – haben mir geschrieben: Vielen Dank für das, was Sie gemacht haben. – Darüber habe ich mich sehr gefreut. Aber das Interessante war, dass die meisten geschrieben haben: Vielen Dank für das, was Sie bei der Europäischen Union getan haben, was Sie in Brüssel getan haben oder was Sie im Europäischen Parlament getan haben. – Das zeigt uns natürlich, dass der Europarat weitgehend unbekannt ist. Das ist so, und ich fürchte, das wird auch so bleiben. Da können wir die Schulen in Deutschland bitten, für Aufklärung zu sorgen; das wird sich am Ende nicht ändern.

Das ist aber auch gar nicht so schlimm. Wichtig ist, dass wir, die die politische Verantwortung tragen, uns klarmachen, was der Europarat ist: Er ist die tollste und größte und beste Menschenrechtsorganisation und Organisation für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa, und er ist das Vorbild für alle anderen Institutionen weltweit. Deswegen müssen wir diese Institution in Ehren halten und pflegen, so gut wir es können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dieser Europarat beherbergt den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Auch das ist interessant. Auch das wissen die meisten Menschen nicht. Den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kennen viele Leute, aber sie wissen gar nicht, dass der zum Europarat gehört.

Es gibt die Chance – das muss man sich mal vorstellen –, dass sich 676 Millionen Menschen an eine höhere Instanz als die letzte juristische Instanz auf nationaler Ebene wenden können. Das ist doch unglaublich.

Übrigens bin ich sehr dafür, dass fast 2 Millionen Menschen dazukommen, und das ist auch das, was die Außenministerin angesprochen hat; das betrifft Kosovo. Das alles ist nicht so einfach; aber es ist völlig klar: Es muss einen Weg für Kosovo in die europäische Gemeinschaft und am Ende irgendwann auch in die Europäische Union geben. Jetzt ist der Weg da, und jetzt ist der Schritt in den Europarat zu machen. Kosovo muss alles tun, um daran mitzuwirken,

(Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Schade, dass der Kanzler nicht da ist!)

hat es heute Morgen auch noch mal durch einen Brief zur Frage der serbischen Minderheiten und des Gemeindeverbandes getan.

Wir geben Ihnen, Frau Außenministerin, mit auf den Weg, dass über 80 Prozent der Parlamentarischen Versammlung des Europarats für den Beitritt Kosovos gestimmt haben. Da ich meinen Fraktionsvorsitzenden sehe, darf ich sagen: Die sozialdemokratische Fraktion will diesen Beitritt und steht hinter dem Beitritt. Und ich denke, für die Koalition und die Mehrheit dieses Hauses gilt dies auch. Deswegen sollte Kosovo der 47. Mitgliedstaat des Europarats werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Der Europarat wird 75 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch! Aber mit Feiern können wir uns in diesen Zeiten nicht aufhalten, weil der Europarat in der Tat gefährdet ist.

Er wurde aufgebaut auf den Trümmern des Zweiten Weltkrieges, dann vertieft, weiterentwickelt und ständig erweitert. Aber er ist heute in Gefahr. Warum eigentlich? Nicht weil der Europarat so falsch wäre. Manche Journalisten fragen: Ist der Europarat schwach? – Nein, er ist gar nicht schwach; aber schwach sind die Mitgliedstaaten. Immer mehr Mitgliedstaaten wenden sich gegen die Werte des Europarates. Manche Akteure in manchen Mitgliedstaaten, die noch zu den Werten des Europarates stehen, nerven gelegentlich, auch uns, zum Beispiel Amnesty International oder Human Rights Watch. Wenn sie kommen und sagen: „Ihr macht das und das falsch“, ist das natürlich nervend. Aber das ist dringend notwendig. Das ist das Lebenselixier; sie sind die Wächterinnen und Wächter der Demokratie, des Rechtsstaates und der Menschenrechte. Deswegen dürfen Staaten sie nicht einschränken wollen; das wäre falsch.

Deshalb geht auch von hier aus das ganz klare Signal und die Botschaft an Georgien – der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, Michael Roth, der, glaube ich, noch unterwegs ist, war ja auch da, zusammen mit Außenministern vieler europäischer Staaten –: Wenn ihr Mitglied des Europarats und dann übrigens irgendwann auch der Europäischen Union sein wollt, müsst ihr euch auch an die Grundideen dieser Institutionen halten. Mit diesen ist nicht vereinbar, die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen, von sogenannten NGOs, einzuschränken. Lasst das! Kommt zurück auf den europäischen Weg der Europäischen Union und insbesondere eben auch des Europarats! – Ich glaube, das ist die klare Botschaft aus dem Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die entscheidende Frage ist: Was machen wir eigentlich in Zeiten, in denen sich Länder nicht an die Buchstaben des Europarats halten? Ich bin für Dialog, immer – jeden Tag, von morgens bis abends. Der Europarat ist übrigens anders als zum Beispiel die OSZE, die immer bis zum Ende da sein muss; denn irgendjemand muss Waffenstillstände verhandeln. Das ist aber nicht der Europarat. Der Europarat ist ganz klar auf Werten und Regeln gebaut, und wenn Mitgliedstaaten diese Regeln provokant und ganz gezielt brechen und wir das zu lange zulassen, dann – das ist meine Befürchtung und meine klare Prognose – verlieren wir diese Werte und die Regeln des Europarats am Ende für alle, auch für die anderen Hunderte Millionen Menschen.

Deswegen fordere ich zum Dialog auf; dazu sind wir immer bereit. Ich fordere aber auch dazu auf, dass wir gemeinsam diese errungenen Werte und Regeln des Europarats mit Zähnen und Klauen verteidigen – im Sinne der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Als Nächste hat das Wort für die AfD-Fraktion Nicole Höchst.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7611082
Wahlperiode 20
Sitzung 169
Tagesordnungspunkt 75 Jahre Europarat
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