Franziska KerstenSPD - WHO-Pandemievertrag
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wann haben Sie das letzte Mal über die Vogelgrippe nachgedacht? Wahrscheinlich ist das eine Weile her. Sie sollten das aber tun. Seit drei Jahren ist ein extremer Aufwuchs an Infektionskrankheiten, vor allem in den USA, aber auch in Europa, in Frankreich, festgestellt worden, auch der Übersprung auf Säugetiere. In den USA ist sogar ein Mensch infiziert worden. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Artbarriere nicht mehr besteht und eine Übertragung von Mensch zu Mensch in nächster Zeit durchaus zu erwarten ist. Wir sehen also: Pandemien haben mit Covid-19 nicht geendet.
Ich erzähle Ihnen nicht umsonst von einer Infektionskrankheit, die zuerst bei Tieren aufgetreten ist. Erstens bin ich Umweltpolitikerin. Und die Umweltwissenschaft ist sich einig, dass über 75 Prozent der neu entstehenden Infektionskrankheiten vom Tier auf den Menschen übertragen wurden. Zweitens bin ich Tierärztin und habe Erfahrung in der Bekämpfung von Seuchen.
Erinnern wir uns daran, wie es am Anfang der Coronapandemie war: Deutschland hatte seit 2005 einen Pandemieplan, der aber in der Schublade blieb. Ich hatte als Vizepräsidentin im Umweltbundesamt Verantwortung für 1 700 Menschen und habe in meiner Not den Tierseuchen-Notfallplan aus der Schublade geholt. Daran habe ich mich orientiert; denn der Mensch ist biologisch gesehen auch nur ein Tier.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Ich habe also einen Krisenstab gebildet, jeden Morgen eine Lagebesprechung durchgeführt, den Personalrat angemessen beteiligt, Verfahrensabläufe standardisiert und FAQs für die Mitarbeitenden erstellt, und das alles, um die Arbeitsfähigkeit einer wichtigen Behörde zu gewährleisten.
Was habe ich daraus gelernt? Gemeinsame Kommunikation und schnelle, direkte Absprachen sind zentral. Das jetzt nicht zu machen und auf die nächste Pandemie zu warten, wäre wirklich völlig verantwortungslos.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP])
Wir müssen den veralteten Pandemieplan aus der Schublade holen und aktualisieren. Mein Vorschlag ist, nach dem Vorbild der Ständigen Impfkommission eine dauerhafte Gruppe von Expertinnen und Experten für Pandemieprävention zu etablieren.
(Dr. Michael Kaufmann [AfD]: Was denn für Experten?)
Im Tierbereich gibt es das schon, den Zentralen Krisenstab Tierseuchenbekämpfung. Die Erfahrungen der Veterinärmedizin können wir nutzen.
Um ein weltweites Problem zu lösen, können aber die Maßnahmen eines einzelnen Staates niemals ausreichen. Die Fantasie nationaler Alleingänge haben Sie, meine Damen und Herren von der AfD, ja nicht zum ersten Mal. Was wir aber wirklich brauchen, sind mehr internationale Zusammenarbeit und Kommunikation, vor allem in der Wissenschaft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP])
Ein gelungenes Beispiel ist der WHO-Hub in Berlin. Aus unseren Erfahrungen zu lernen, hat nichts mit Informationskontrolle oder Überwachung zu tun, sondern ist eine schlichte Notwendigkeit und ist unsere Verantwortung.
Was Ihnen ja auch Sorgen macht, meine Damen und Herren von der AfD, sind die Beratungen zu One Health im WHO-Pandemieabkommen. Bei One Health geht es um den Zusammenhang der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt. Diese Sorge kann ich Ihnen aber nehmen. One Health wird nach aktuellem Verhandlungsstand nicht Teil des Pandemieabkommens, sondern soll über die nächsten zwei Jahre detailliert diskutiert werden, um Klarheit in dieses große Thema zu bekommen.
Ich finde Ihren Antrag, meine Damen und Herren von der AfD, unpassend. Er schürt Ängste und ist gegenstandslos. Ich bin froh, dass unsere Koalition diesen heute hier ablehnen wird; denn auch das ist Demokratie.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Hermann Gröhe hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611147 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 169 |
Tagesordnungspunkt | WHO-Pandemievertrag |