Sandra Bubendorfer-LichtFDP - Bekämpfung des politischen Islams
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diesen Antrag hat die CDU/CSU-Fraktion mit heißer Nadel gestrickt. Er wirkt, als ginge es weniger um nachhaltige Lösungen für Deutschland als um schnellen Applaus vor der Europawahl. Von dem, was Sie hier fordern, ist nicht alles falsch. Nur muss ich Sie daran erinnern, dass wir vieles davon längst tun und für etliches die Länder zuständig sind.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie wollen Islamisten nach geltendem Recht abschieben. Da sind wir sofort dabei. Aber warum machen Sie das denn nicht in den Ländern, in denen Sie die Innenminister stellen? Ihren Antrag sollte sich doch der Herr Reul in NRW, der Herr Strobl in Baden-Württemberg oder der Herr Herrmann in Bayern hinter den Spiegel stecken. Haben Sie mit den Herren überhaupt schon mal gesprochen? Das wäre nämlich der Moment, in dem Ihr Antrag auf den Asphalt der Realität trifft und hart aufschlägt.
Sie wollen Islamisten mit doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsangehörigkeit entziehen. Gut gebrüllt, aber mit der Verfassung nicht so leicht vereinbar, wie Sie hier mit schlankem Fuß ganz einfach behaupten.
(Dorothee Martin [SPD]: Hört! Hört!)
Hinzu kommt: Es handelt sich bei den Betroffenen meist nicht um Menschen, die erst seit 2015 bei uns in Deutschland leben, sondern um junge Erwachsene, die bei uns aufgewachsen sind.
Natürlich, wir müssen dem Islamismus hierzulande mit allen Mitteln des Rechtsstaats die Stirn bieten. Wer mit Nachdruck einen Kalifat-Staat zu errichten trachtet, gehört bestraft, abgeschoben, inhaftiert, was auch immer der Rechtsrahmen hergibt. Aber wir dürfen das Kindlein nicht mit dem Bade ausschütten. So wehrhaft dieser Rechtsstaat ist: Er bleibt ein Rechtsstaat, und dazu gehört das Recht auf freie Meinungsäußerung.
(Beifall bei der FDP – Detlef Seif [CDU/CSU]: Aber nicht von Extremisten!)
Nicht jeder einzelne Satz oder jede einzelne Demonstration, die das Ziel hat, unserer Demokratie Schaden zuzufügen, rechtfertigt ein Verbot, und nicht alles, was sich gegen die Verfassung richtet, verstößt gegen die Verfassung. Auch deshalb sind wir ein freies Land.
(Dorothee Martin [SPD]: Ja!)
Hier müssen wir künftig genau abwägen; das weiß auch die Union.
Sosehr in der öffentlichen Debatte die radikalen Hetzer mit ihren Kalifat-Forderungen dominieren, so wenig dürfen wir den Fehler machen, diese extremistische Minderheit mit der großen Mehrheit freiheitsliebender Muslime hier in unserem Land in einen Topf zu werfen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Denn genau damit täten wir den Extremisten den allergrößten Gefallen. Wer Muslim oder Muslimin ist und sich an die Gesetze hält, dem und der sollten wir nicht mit einem Mehr an Diskriminierung begegnen. Wir müssen stattdessen den radikalen Hetzern ihren ideologischen Nährboden entziehen.
Wir müssen vor allem junge Muslime von unserer offenen, wunderbaren Gesellschaft genau dort überzeugen,
(Zuruf von der CDU/CSU: Wie denn?)
wo die radikalen Hetzer ihnen auflauern: auf den Schulhöfen, im Internet. Da brauchen wir mehr eigene Angebote und Gegennarrative. Die müssen wir für den Unterricht, für das Internet, für Social Media erarbeiten, vielleicht mit der Bundeszentrale für politische Bildung, in jedem Fall gemeinsam mit der muslimischen Community. Genauso müssen wir darauf hinwirken, dass autokratische Regime im Ausland weniger Einfluss auf Religionsgemeinschaften in Deutschland haben. Es ist nicht völlig abwegig, dabei an die türkische Regierung oder den Iran zu denken.
Ich persönlich wäre auch offen dafür, den Expertenkreis Politischer Islamismus im Bundesinnenministerium neu zu etablieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber er darf sich nicht in Definitionsfragen verlieren, sondern er muss konkrete – die Betonung liegt auf „konkrete“ – Empfehlungen für Maßnahmen erarbeiten, mit denen wir den Extremismus wirksam bekämpfen können. Deshalb gehören in diesen Expertenkreis Muslime, die Zugang zu muslimischen Lebensrealitäten haben, die erleben, wie islamistische Akteure in der Community agieren.
Wenn wir dies alles geschafft haben, wenn uns dies alles gelingt, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann wird auch die Opposition im Deutschen Bundestag wieder bessere Anträge schreiben.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Christoph de Vries.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7611388 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung des politischen Islams |