06.06.2024 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 172 / Zusatzpunkt 11

Robin MesaroschSPD - Aktuelle Stunde: Expertenrat für Klimafragen – Bundesregierung verfehlt Klimaziel

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Cummings hat den schönen Satz formuliert: „Zeit ist das, was verhindert, dass alles gleichzeitig passiert.“ Was den Klimawandel angeht, hatten wir mal Zeit. In Deutschland hat uns Hermann Flohn schon 1941 davor gewarnt, und es gab viele weitere Hinweise. Wir haben viel Zeit verstreichen lassen, und weil uns heute die Zeit davonläuft, muss viel gleichzeitig passieren. Wir bauen die Windkraft aus. Wir bauen Solaranlagen, Stromnetze, Speicher, Nah- und Fernwärmenetze, Wärmepumpen, E-Autos. All das muss kommen, all das passiert gerade, und das ist viel, aber das machen wir. Und wir arbeiten gleichzeitig daran, dass sich das jeder leisten kann. So arbeiten wir gleichzeitig.

(Beifall bei der SPD)

Die CDU/CSU dagegen praktiziert eine andere Form von Gleichzeitigkeit. Sie wollen heute über den Bericht des Expertenrats für Klimafragen reden, in dem uns vorgehalten wird, wir seien nicht auf Kurs, was die Erreichung der Ziele angehe. Gleichzeitig ist es die Union, die es unter der Führung von Kanzlerin Merkel 16 Jahre in der Hand hatte, dass wir heute besser dastehen. Und dabei geht es nicht um den Status dieser Regierung, sondern darum, dass die Menschen in unserem Land eine bessere Chance haben, den Klimawandel aufzuhalten, dass es uns weniger kostet und weniger Mühe macht.

Das andere Verständnis von Gleichzeitigkeit bei der Union drückt sich aber auch darin aus, dass Andreas Jung, der teilweise andere Ideen hat als wir, gegen den Klimawandel kämpft – das kaufe ich ihm zu 100 Prozent ab –, während mein Wahlkreiskollege Thomas Bareiß

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hilfe! Hilfe!)

durch die Schulen bei uns vor Ort zieht und erklärt, dass die Sonne für den Klimawandel verantwortlich ist. Das ist nicht irgendjemand, sondern er war vier Jahre lang Ihr Energiestaatssekretär.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gruselig!)

Und es gibt in der CDU noch mehr kluge Leute wie Herrn Jung. Aber Sie haben Herrn Merz zu Ihrem Vorsitzenden gewählt, dem zu Überschwemmungen einfällt: Davon geht die Welt nicht unter. – Das ist die Gleichzeitigkeit der Union.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Gleichzeitigkeit der Union drückt sich auch darin aus, dass Vertreterinnen und Vertreter von Ihnen bei Start-ups rumspringen, über eine neue Fehlerkultur sinnieren, die wir in Deutschland brauchen, und einfach mal machen. Wenn aber bei der Energiewende irgendetwas nicht so läuft, wie es soll, dann malen Sie die große Katastrophe an die Wand. Aber alteingesessenen Unternehmen sagen Sie: Es kann alles so bleiben, wie es ist. – Das ist die Gleichzeitigkeit der Union.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich finde, die Gleichzeitigkeit verschiedener Argumente ist immer gut, gerade in Parteien. Aber wenn Parteien widersprüchliche Positionen vertreten, dann ergibt sich zwangsweise daraus, dass sie lügen. Man kann eben nicht sagen: Wir sind a) für Klimaschutz, und b) es kann alles so bleiben, wie es ist. Man kann nicht sagen, die Energiewende müsse schneller kommen, und vor Ort fast jedes Windrad auf Teufel komm raus bekämpfen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann nicht wie Sie mehr Geld für Klimaschutz fordern und sich gleichzeitig an die Schuldenbremse klammern. Das geht nicht.

Werden wir konkret. Sie beziehen sich auf den Bericht des Expertenrats. Was steht drin? Es werden verschiedene Sektoren genannt. Die allermeisten erreichen das Ziel, sind auf dem Weg dorthin. Aber es gibt zwei Bereiche, in denen das nicht der Fall ist: zum einen der Verkehrsbereich und zum anderen der Gebäudebereich. Im Gebäudebereich haben wir mit dem Gebäudeenergiegesetz den größten Fortschritt seit Jahren erzielt, aber Sie wollen es abschaffen, und zwar alternativlos.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)

Im Verkehrsbereich machen Sie gerade Wahlkampf dafür, dass wir in 20, 30 Jahren in Deutschland noch neue Verbrenner zulassen. Das ist Ihre Antwort. Was Sie hier konkret tun, ist: Sie kritisieren die Regierung, und gleichzeitig fordern Sie, es noch schlechter machen zu dürfen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist die absurde Gleichzeitigkeit, die Sie hier als Vernunft darstellen wollen.

Das heute geleakte Papier, in dem Sie sich darüber auslassen, wie Sie sich die Energiewende vorstellen, lässt tief blicken. Anscheinend gibt es Vorschläge.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Hilfe! Was kommt da jetzt?)

Dort steht der komplizierte, aber interessante Satz – wenn das nicht stimmt, können Sie es ja richtigstellen –: Die Kombination aus Technologieoffenheit und CO2-Bepreisung führt zum effizientesten und damit kostengünstigsten Weg der CO2-Einsparung. – Das klingt kompliziert.

(Karsten Hilse [AfD]: Ja, das ist nur für Sie kompliziert!)

Aber was heißt das? Das heißt: Du darfst alles, aber du musst es dir leisten können. Das heißt, Reiche können weiterhin so viel CO2 ausstoßen, wie sie wollen, aber Leute mit weniger Geld, mit normal viel Geld, kriegen Schwierigkeiten beim Heizen und beim Autofahren; nur das und nichts anderes heißt das.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Vorschlag ist so günstig, weil er die Bedürfnisse von Millionen Deutschen ignoriert. Das ist soziale Kälte in Zeiten der Erderwärmung.

Gleichzeitigkeit muss heißen, dass wir unseren Feuerwehrleuten in diesen Tagen dankbar dafür sind, dass sie Übermenschliches leisten. In Bad Saulgau war die Feuerwehr 60 Stunden am Stück im Einsatz und hat 15 000 Sandsäcke verlegt, 40 000 Liter Wasser pro Minute abgepumpt. Ihnen können wir dankbar sein. Gleichzeitig müssen wir sie in Zukunft aus der Schusslinie nehmen, indem wir die Wahrheit sagen, –

Kommen Sie bitte zum Schluss.

indem wir konkrete Maßnahmen ergreifen, um den Klimawandel aufzuhalten.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für Bündnis 90/Die Grünen ist die nächste Rednerin Lisa Badum.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

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