26.09.2024 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 188 / Zusatzpunkt 7

Helge LimburgDIE GRÜNEN - Rehabilitierung für Opfer der politischen Verfolgung in der DDR

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An einem Tag wie heute muss noch mal daran erinnert werden: Es war ein großes Glück, ein großer Erfolg der Demokratiebewegung, dass 1989 die Mauer fiel und 1990 die Wiedervereinigung in Freiheit und Frieden gelang. Dass die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen nach 40 Jahren Diktatur Landtage wählen können, ist ein Privileg. Die Tatsache, dass die AfD heute bewiesen hat, dass sie die Arbeit des Thüringer Landtags sabotieren und verächtlich machen will, unterstreicht, dass Sie von der AfD in keinem Fall die Erben der Demokratiebewegung sind. Sie treten das Erbe der Demokratiebewegung mit Füßen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch des Abg. Dr. Michael Kaufmann [AfD])

Der Herr Staatssekretär hat es gesagt: Mit Wende und Wiedervereinigung endeten auch Unrecht und Unterdrückung durch das SED-Regime. Es gab die berechtigte Erwartung Betroffener, dass nun endlich das von ihnen erlittene Unrecht anerkannt werden würde: das Unrecht, bespitzelt zu werden, das Unrecht, eingesperrt zu werden, Zwangsarbeit leisten zu müssen, das Unrecht, zersetzt zu werden, oder das Unrecht, aus seiner Heimat zwangsweise umgesiedelt zu werden, das Unrecht, zwangsgedopt zu werden, und viele weitere Formen des Unrechts.

Das wiedervereinigte Deutschland hat in der Tat seit den 90ern mehrere SED-Unrechtsbereinigungsgesetze auf den Weg gebracht und diese auch immer wieder angepasst; aber immer wieder sind Opfergruppen nicht ausreichend gewürdigt worden. Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf heute einen weiteren Schritt geht. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Gesetzentwurf enthält – erstmals für die Bundesebene – einen Härtefallfonds. Immer wieder zeigt sich in der Praxis, dass bestehende Entschädigungsregelungen doch nicht für jeden Einzelfall ausreichen; deswegen haben einige Bundesländer bereits einen entsprechenden Fonds auf den Weg gebracht. Es ist gut, dass der Bund nachzieht.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Repressionen des SED-Regimes – Haft, Zwangsarbeit, Zersetzung – hat an Körpern und Seelen der Betroffenen und ihrer Familien Spuren hinterlassen. Bei vielen wirkt die Repression bis heute fort. Leider müssen wir erkennen, dass viele der Betroffenen immer noch nicht die Hilfe erhalten, die sie eigentlich benötigen und die ihnen eigentlich zustehen müsste.

Die soziale Lage vieler SED-Opfer – das geht aus allen Berichten der SED-Opferbeauftragten hervor – ist heute desolat. In der Praxis ist es vor allem unglaublich schwer, bei erlittenen Gesundheitsschäden tatsächlich den Zusammenhang mit Unterdrückung und Verfolgung zu beweisen. Deswegen brauchen wir dringend eine Erleichterung der Anerkennungsverfahren von Gesundheitsschäden. Es gibt entsprechende Vermutungsregelungen, beispielsweise im Soldatenentschädigungsgesetz. Wir meinen, wir sollten prüfen, ob wir nicht ähnliche Regelungen auch hier in diesem Gesetz möglich machen können, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Der Kollege Carsten Müller hat – und ich bin ihm sehr dankbar dafür – die Opfer des DDR-Zwangsdopings angesprochen, die oft als Kinder gedopt worden sind – das muss man sich mal vorstellen: als Kinder zwangsweise gegen ihren Willen gedopt worden sind! – und dann lebenslang gesundheitliche Schäden davongetragen haben. Auch die müssen in irgendeiner Form berücksichtigt werden. Sie haben es gesagt: Ob in diesem Gesetz oder in einem anderen, wird zu prüfen sein. Vergessen dürfen wir sie nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU])

Eine andere Gruppe, die in der Tat bislang nicht ausreichend gesehen wurde, sind die Zwangsausgesiedelten. In den 50er- und 60er-Jahren siedelten die DDR-Behörden in mehreren Wellen missliebige Bürger und ihre Familien aus dem Grenzgebiet in andere Regionen der DDR um – oft innerhalb weniger Stunden. Für die Betroffenen bedeutete das den Verlust der sozialen Heimat und ihres Umfeldes und auch jahrelange Erniedrigung; denn sie wurden an ihren neuen Wohnorten mitnichten willkommen geheißen, sondern die Stasi hat in der Regel schon vorher Verunglimpfungen und Verleumdungen auf den Weg gebracht, damit diese Gruppe ja nicht sozial integriert wird. Natürlich galt diese Maßnahme nicht nur den unmittelbar Betroffenen, sondern war auch ein Signal an die anderen: Wenn ihr aufmuckt, dann kann euch das auch passieren. – Dass diese Gruppe entschädigt wird, ist gut. Was die Höhe der Entschädigung angeht, sollten wir in der Tat auch im Vergleich zu anderen Gruppen prüfen, ob uns nicht noch etwas Besseres einfällt.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: In der Tat!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die Verbände der Opfer der SED-Gewaltherrschaft haben in den letzten Jahren beharrliche Arbeit geleistet, damit ihr Schicksal und damit auch das unmenschliche Wirken des SED-Regimes nicht in Vergessenheit geraten. Wir sollten sie nicht ausschließlich –

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

– ich komme zum Schluss – als Kämpferinnen und Kämpfer für eigene Interessen sehen, sondern auch als wertvolle Zeitzeugen und Mahner für Frieden, Freiheit und Demokratie, für Rechtsstaatlichkeit, als Erinnerung daran – –

(Das Mikrofon wird abgeschaltet – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP])

Herr Kollege, ich habe Ihnen das Wort entzogen, weil Sie weit über Ihrer Redezeit sind. Sie können sich auf Ihren Platz begeben. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Budde, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Philipp Hartewig [FDP])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7615793
Wahlperiode 20
Sitzung 188
Tagesordnungspunkt Rehabilitierung für Opfer der politischen Verfolgung in der DDR
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